Geburt
Noch nie zuvor sah er sich so hilflos seiner eigenen Existenz ausgeliefert. Von der Ursuppe zur Unendlichkeit sind es nur wenige Lichtsekunden, aber die Zeit ist knapp. Sobald er wieder zu sich kommt, werden sie versuchen ihn wieder einzuschläfern. Allgemeine Hypnose im Dienste der Allgemeinheit. Der erste klare Gedanke wird ertränkt in einem Meer aus leeren Metaphern. So lange, bis er selbst zur Metapher wird und bereit sein wird, andere zu hypnotisieren. Aber zuerst muss er zu dem werden, was er sein soll, nicht zu dem was er ist, das wäre zu verschwommen und erst recht nicht, zu dem was er will, denn das wäre zu grausam. Seine Sinne sind noch benommen und ihm ist noch nicht bewusst, dass er sich selbst bewusst ist. Sein Handeln ist noch widerstandslos und sein Denken noch allgegenwärtig. Doch plötzlich wird seine Wahrnehmung getrübt. Die letzten Anzeichen seines ursuppigen Ursprungs werden ihm vom Leib gerieben. Nackt und seiner amöbigen Abstammung schuldig wird er in die Welt gerissen, um zu höherem zu streben. Sicher wird es nicht einfach werden. Aber ist es das wert? Unendliches Leiden, das nicht hält, was es verspricht. Versprochen wird Erlösung, aber eingelöst wird lebenslange Abhängigkeit. Noch hat er keine Wahl. Und wenn er sie hat, wird er schon längst entschieden haben. Der schwere Geruch von Eisen, der die Luft durchströmt, wird ihn auch noch in Zukunft daran erinnern, wie hier und jetzt alles seinen Anfang nimmt. Aber nie wieder wird die Erkenntnis so klar und unverfälscht sein, wie in diesem Moment, als er zum ersten Mal das Licht der Welt erblickt.