Garantiert ohne Chemikalien
Garantiert ohne Chemikalien
Das Auto fuhr langsam vor. Es war kein richtig teures Auto, aber billig bestimmt auch nicht gewesen. Und neu war es. Der Verkäufer, der über die Ladentheke durch die Fensterscheibe späte, bemerkte es sofort. Hier, in dem kleinen Städtchen auf dem Land, hier war es neu und toll.
Aufmerksam - er hatte Zeit, denn im Moment war der Laden leer - beobachtete er den Mann, der ausstieg. Er war etwa fünfzig, ein dicklicher Herr mit Schnurrbart und Stock und Hut. Kurz zupfte er an seinem schwarzem Bart, strich sich über die langsam grau werdenden Haare und drehte sich an seine Frau um, die auf der anderen Seite des Autos ausgestiegen war. Auch sie wirkte vornehm. Schlank war sie, fast dürr, dachte der Verkäufer, ihr helles Sommerkleid schlotterte um ihre Knie. Dennoch sah sie auf eine gewisse Art elegant aus. Vornehm jedenfalls. Auch die Frau dürfte Ende vierzig sein. Mit einer Hand preßte sie ihre Handtasche an sich, die andere Hand hielt ihren großen Hut fest, als ein kurzer Windstoß ihn leicht in die Lüfte hob.
Der Herr wartete einen Moment, bis seine Frau auf seine Seite getreten war und gemeinsam gingen sie in den Laden, in dem der Besitzer Bill stand, der sie bereits beobachtet hatte. „Guten Tag!“, grüßte er, wie er es gewohnt war.
„Guten Tag“, antwortete auch der Herr und es klang freundlicher, als Bill es erwartet hatte; er war gegenüber den „vornehmen Stadtleuten“, wie dieser einfache Mann vom Land diese nannte, stets misstrauisch. Die Frau des Mannes nickte ihm kurz zu.
„Darf ich ihnen etwas bringen?“, fragte Bill. Und der Herr nickte und mit seiner Frau zusammen kauften und bestellten sie die Dinge, die sie brauchten, während Else, das Mädchen, das in dem Laden arbeitete, versteckt hinter der Absperrung für den Privatbereich wartete. Mit einer Mischung von Erstaunen, Neugierde und Mißtrauen beobachtete sie die beiden beim Einkauf.
Schließlich verließen der Herr und die Frau das Geschäft und Bill, selbst schon ein älterer Herr, wandte sich Else zufrieden zu. „Sie haben gut gekauft“, sagte er.
„Ja“, antwortete Else.
„Hoffentlich kommen sie wieder“, meinte der Mann.
Und Else trat näher. Als ob sie jemand hören könnte, sagte sie leise: „Weißt du, wer das ist?“
„Nein.“ Bill war es nicht wichtig. Bestimmt würde er jetzt gleich irgendwelchen Klatsch und Tratsch von Else hören. Sie war da immer gut informiert.
„Das“, begann Else leise mit immer noch gesenkter Stimme, „waren die neuen modernen Bauern aus der Stadt. Landwirte, das sagen die doch da. Mit ihren tollen, neuen, biologischen Anbaumethoden!“
Nun musste er doch stutzen. „Bist du sicher?“
Else nickte.
„Aber - was wollen die dann hier?“
Doch auch die Else wusste es nicht. Nur der Herr und die Dame, die Landwirte aus der Stadt, mit garantiert biologischem Anbau ohne Chemikalien, die wussten, warum sie in diesem Laden gekauft hatten.
Und während sie mit ihrem neuen Auto zufrieden lächelnd davon fuhren, strich der Wind über die leeren Straßen, vorbei an dem kleinen Laden, an dem mit großen Buchstaben stand:
Bill’s Gemüseladen -
Eigenanbau garantiert ohne Chemikalien