Ganz in Familie
Da ich mit meinem Mann Siegfried nach vierzig mehr oder weniger guten Jahren noch immer verheiratet bin, und wir, für die heutige Zeit ungewöhnlich, 5 gemeinsame Kinder haben, entschloss ich mich, meinen sechzigsten Geburtstag nur im Rahmen der Familie zu feiern.
Unsere Kinder waren alle von unserem kleinen Dorf weggezogen und weil sie immer meinten, wir seien viel zu spießbürgerlich, hatte ich mich nicht getraut zu fragen, mit wieviel Personen sie anreisen würden.
Ich freute mich schon seit Wochen und Siegfried hatte einen großen Raum in seiner geliebten Stammkneipe gemietet. Man wußte ja nie!
Schon am Morgen meines Ehrentages stürmte unsere älteste Tochter Lisa mit einem riesigen Strauß roter Rosen in mein Badezimmer und ließ mich nach der Gratulation wissen, dass sie gar nicht lange bleiben könne, da sie am Nachmittag noch einen unaufschiebbaren Termin in Hamburg wahrnehmen müsse.
Wir einigten uns ganz locker auf ein Sektfrühstück.
Da stand plötzlich unsere Tochter Petra in der Tür.
"Mama, ich bin fix und fertig, der Richter hat dem Ralf das alleinige Erziehungsrecht zugesprochen. Ihr könnt sicher verstehen, dass mir nicht nach feiern zumute ist" Sie trank ein Glas Sekt nach dem anderen.
Mitten hinein in unseren Kummer übergab der Postbote mir ein Telegramm:"Kann nicht kommen, habe Ausreisegenehmigung nach Ägypten erhalten, bin überglücklich, Ute!"
Nach drei gescheiterten Ehen unserer Tochter glaubten wir allerdings nicht mehr an das große Glück von Ute.
Später, als wir in der Stammkneipe das Festessen vom übellaunigen Wirt (er hatte mit mindestens 20 Gästen
gerechnet) serviert bekamen, stand plötzlich ganz spontan unsere mit 33 Jahren ewige Studentin Anke im Raum. Mit einem Strauß selbstgepflückter Wiesenblumen überraschte sie mich wieder mal und ich wußte, dass ein Schein von Papa fällig war.
Lisa saß inzwischen schon im Flieger, da kam als letzter, wie immer,unser Sohn Erik, allerdings nicht allein.
Er stellte uns etwas schüchtern seinen Lebensgefährten Detlef vor. Die Stimmung der verbliebenen Gäste landete auf dem Nullpunkt.
Die große Geburtstagstorte ließ ich mir am nächsten Tag mit meinen dankbaren Kolleginnen schmecken.