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Game of existence
Vor mir liegt ein weißes Blatt, in meiner Hand halte ich einen Stift. Aber es scheint mir unmöglich, meine abstrusen und chaotischen Gedanken in irgendeiner Form auf dieses weiße Blatt zu bekommen.
Das Ticken der Uhr an der Wand macht alles beunruhigender, als es schon ist. Jedes Ticken ist lauter als das zuvor. Es dringt von meinem Ohr, durch irgendwelche Nervenbahnen, direkt in mein Gehirn. Jede Sekunde.
Die weißen Wände um mich herum sehen rein, aber auch leer aus. Diese Perfektion und Neutralität inmitten dieser Welt voller Unordnung und Dreck.
Die Existenz. Ist etwas nur da, weil wir es wahrnehmen? Ich, mit meinen siebzehn Jahren, stelle Fragen, die mir jeder anders beantwortet. Jeder denkt, seine Ansicht ist die richtige, sein Glaube der wahre und seine Wissenschaft korrekt. Doch niemand von ihnen kennt die Formel des Lebens.
Wir Menschen sind alle im selben Spiel, nur in verschiedenen Levels. Wir haben gar keine Wahl auf ein anderes. Wir wurden in dieses Spiel hineingeboren. Es beginnt, und irgendwann endet es. Sei es in Level sieben oder siebzig, gewollt oder ungewollt, geplant oder plötzlich. Letzten Endes kann man dem „Game Over“ nicht aus dem Weg gehen.
Ich beginne mit dem Zeichnen.
Als ich klein war, schien mir das Spiel schön. Ich war begeistert von der guten Grafik, dem Ton und was die sonstigen Sinne noch für Skills zum Vorschein brachten. Die Missionen waren ziemlich einfach und ich erfüllte sie, mit Hilfe meiner Pflegeeltern, recht schnell. Ich wurde größer und größer, freute mich auf jedes „Level- up“.
Doch die Missionen wurden schwieriger. Die Schule, in der man entweder zu den Coolen oder zu den Außenseitern gehörte. Zu Hause, wo meine Pflegeeltern mich nicht mehr verstanden haben. Der Kontakt zu meiner leiblichen Mutter, der brach. Die erste Liebe, die nicht erwidert wurde. Es bohrte sich ein Virus in mein Gehirn. Sehr langsam und leise breitete er sich aus. Immer wieder brachte er mich zu Fall und nahm mir die Motivation, weiter zu spielen.
Irgendwann traf es mich wie ein Schlag. Ich war gezwungen, auf den „Pausebutton“ zu drücken. Wieso spiele ich? Ich schaute mich um. Manche spielen für Ansehen, manche für die Familie, manche für das Spiel selbst. Ich sah, dass jeder gute Spieler einen Traum hat. Aber ich hielt es nicht für sinnvoll, für etwas zu spielen. Es ist langweilig. Es ist das, was alle machen.
Manche nehmen Drogen, um das Spiel aufregender zu machen. Ich hingegen widmete mich der Philosophie und der Kunst.
Ich drückte auf den „Playbutton“.
Der Virus blieb. Mit der Zeit zerstörte er fast alles, was ich mir Level für Level erkämpft hatte. Ich versuchte durch die Kunst, die mir blieb, andere auf meinen Systemfehler aufmerksam zu machen. Es klappte nicht.
Ich drückte wieder auf den „Pausebutton“, schaute mich um. Kaum einer dieser Menschen leben, sie funktionieren nur. Wie Maschinen. Wenn eine Maschine kaputt geht, wird sie aussortiert. Sie landet da, wo sie verachtet wird. „Du hattest so gute Chancen, warum hast du sie nicht genutzt?“, sagen die Anderen.
Ich war traurig und wollte nicht mehr auf den „Playbutton“ drücken. Ich fühlte mich falsch in diesem Spiel. Ich wurde aussortiert. Der Virus hat mir meine Funktionen genommen.
Soeben setze ich den Stift das letzte Mal auf, demzufolge ist meine Zeichnung vollendet. Entschlossen lege ich den Stift beiseite und rufe meinen Therapeuten.