- Beitritt
- 31.01.2016
- Beiträge
- 2.217
- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 28
Future
Das Förderband bewegt sich schon seit einigen Minuten im Kreis. Ein Koffer aus abgewetztem Kunstleder liegt darauf, mit mehreren Gurten zusätzlich zusammengehalten, und fährt immer wieder aufs Neue an mir vorbei.
Einige Frauen stehen drumherum, die meisten betrachten ihre Mobiltelefone, während sie warten.
Die Kinder nutzen nach dem fünfstündigen Flug aus Hamburg den Platz und laufen auf der freien Fläche lachend durcheinander.
Albanien ist kein beliebtes Reiseziel. Am Abflugterminal ist mehr Betrieb. Ich bin noch nie zuvor in Tirana gewesen. Das war überhaupt mein erster Flug. Noch vor wenigen Jahren habe ich keinen Gedanken daran verloren, überhaupt aus Hamburg herauszukommen, aus meinem Ghetto im Süden der Stadt.
Es gab nur mich, meine Mutter, meinen Vater, meinen Großvater und den ganz normalen Wahnsinn meines Alltags.
"Weißtu, min Jung', is' nich' immer mies im Leben. Du musst aufpassen, was dir so unnerkommt auf dei'm Weg. Auf einmal isse da, die Changce. Die musst' erkenn' und zu pack'n! Und imma anständich bleib'n. Is' ja nich' so, dass wa alle die gleich'n Möglichkeit'n mitkrieg'n, sind auch nich' alle gleich schlau", er tippte sich mit dem Finger an die Stirn, "weißtu, was ich mein'? Du bist 'n plietsch'n Jung'."
Dann nahm Opa mich an die Hand und wir gingen gemeinsam runter zum Fluss.
Er zeigte mir, wie man Segel ausbesserte und Löcher im Rumpf von Booten stopfte.
Wir fuhren über den Fluss und meine Sehnsucht nach Abenteuer fuhr voran.
Nach Großvaters Tod bin ich dann an manchen Tagen, an denen ich den Fäusten meines Vaters nicht schnell genug ausweichen konnte, allein hinunter zum Fluss gegangen, träumte mich fort und kühlte mein geschundenes Gesicht im Elbwasser. Dabei hatte ich meist noch Vaters Gebrüll im Ohr:
"Ey! Ho' ma' Kippen", lallte er vom Sessel aus und fuchtelte mit seinen dürren Armen herum, wobei leere Bierflaschen umfielen und die lange Asche seiner Zigarette auf den Teppich fiel.
"Kein' Zeit. Mach' was für die Schule, Mann."
Dann sprang er auf und stolperte auf mich zu: "Schaffst doch eh nix, du kleiner Scheißer! Und jetzt verpiss' dich und hol' meine Scheißzigaretten!" Dabei streifte seine Faust meinen Hinterkopf, denn ich ahnte den Angriff und drehte mich schnell zur Seite. Wir fielen beide zu Boden. Bevor ich aufstehen konnte, griff er mir in die Haare und zerrte daran. "Und die schneid' ab, Mann! Siehst aus wie deine Mudda, die ... !" Mit diesen Worten löste fast schlagartig Traurigkeit seine Wut ab und er ließ lockerer.
Ich nutzte die Gelegenheit, rappelte mich auf und rannte aus der Wohnung.
Meine Mutter war da erst vor kurzem abgehauen. Ihre Haare hatten die gleiche rotblonde Farbe wie meine.
Eines Morgens lag ein kleiner Zettel, ausgerissen aus meinem Schulheft, auf der verblichenen Küchentischdecke mit den aufgedruckten Früchten. Ein getrockneter Kaffeefleck in Form einer Wolke zierte das letzte Wort auf dem Papier.
'Pass' gut auf dich auf, mein Süßer.'
Mehr stand nicht darauf. Eine Weile dachte ich, sie hätte mich damit gemeint. Wahrscheinlich, weil ich den Zettel gefunden hatte, aber bald war ich mir nicht mehr so sicher.
An einem dieser Sommertage saß ich wieder einmal in der alten Segeljolle, die am Ufer im hohen Schilf liegengelassen wurde, gleich neben Opas Verschlag am alten, verlassenen Zinnwerk. Die Außenwand der Jolle hatte mehrere kleine Löcher.
In Gedanken segelte ich darin weit fort. Das Boot wurde, zumindest in jenem Sommer, mein Zuhause. Ich ging nur zum Schlafen in die Wohnung und mit etwas Glück schnarchte der Alte dann schon längst auf dem Sofa. Ich habe ihn nie wieder im Schlafzimmer liegen sehen.
Im Schilf raschelten die Stockenten. Ich warf mit Steinen nach ihnen. In immer kürzeren Abständen, immer größere Steine. Nach einer Weile fiel mir auf, dass keine einzige, verdammte Ente aufflog.
"Hey! Komm' 'raus da! Hör' doch, dass wer drin ist!" Ich vermutete einen Penner im Dickicht.
"Nun mach' schon, sonst komm' ich hin und schlag' dir den Schädel ein!"
Ich nahm den größten Stein, den ich finden konnte, und schleuderte ihn ins Röhricht. Das dumpfe Geräusch hörte sich nach einem Treffer an und der unterdrückte Aufschrei bestätigte meine Vermutung.
Der Junge blutete an der Stirn, als er langsam auftauchte.
"Was hast du denn hier zu suchen?" Wir sahen uns an. Ein Rinnsal aus Blut lief ihm über die dichte, dunkle Augenbraue und er wischte langsam mit seinem Ärmel darüber. Dabei verschmierte er es flächig. So getroffen, wie er vor mir stand, mit hängenden Schultern und leicht vorgebeugtem Oberkörper, erregte er Mitleid. Ein Penner war er aber nicht.
"Wo kommst' 'n her, Mann? Sach' doch ma' was, du Spinner!"
Er war kleiner als ich, aber ungefähr genauso alt, keine fünfzehn Jahre.
"Albanien", sagte er leise.
"Ey Alter, das mein' ich nicht. Ich will wissen, wieso du da im Schilf steckst, du Idiot!"
Der Getroffene fuhr erneut mit dem Handrücken über die Seite des Gesichts, die vollgeschmiert war mit einem Gemisch aus Blut und Tränen.
"Nix gut in Lager." Er sprach sehr leise und sein Akzent war ausgeprägt. Ich musste mich anstrengen, ihn zu verstehen und beugte mich deswegen weiter vor, was ihn einen Schritt zurück ins Schilf trieb.
"Was 'n für'n Lager?" Ich hatte keine Ahnung, wovon er sprach.
"Wohn' in Heim. Viele Mensch. Nix gut." Er trat einen weiteren Schritt zurück, eine Ente flatterte erschrocken auf und landete gleich im Wasser in Ufernähe. Er zuckte zusammen und sprang wieder ein Stück vorwärts.
"Nix gut. Nix gut", imitierte ich ihn, "bei mir ist auch nich' alles gut. Springe ich deswegen wie 'ne blöde Ente im Schilf 'rum?"
Mit seiner geduckten Art machte er mich wütend. Ich ging auf ihn zu und er hob den Unterarm schützend über seinen Kopf.
"Alter! Krieg' dich ein. Hier!" Ich reichte ihm ein zerknülltes Papiertaschentuch, dass ich in meiner Hosentasche hatte. Er nahm es und hielt es sich an die blutende Stelle der Stirn. Da er harmlos zu sein schien, setzte ich mich wieder ins Boot. Ich hätte nicht gewusst, wohin ich mich sonst setzen sollte. Der Typ platzierte sich dazu und wir starrten beide abwechselnd auf die Wellen im Fluss und in die Wolken. Ich hielt es wie Opa früher und schwieg.
"Ich Daniel", meinte der Junge nach einer Weile. Da es mir total gleichgültig war, nickte ich nur.
"Du?" Er redete immer noch leise.
"Wieso willste 'n das wissen? Hau ab, Mann!", brüllte ich ihn an, drehte ihm demonstrativ den Rücken zu und hoffte, er würde gehen. Hatte schon genug eigene Probleme.
"Ich aus Albanien weggehen. Nix Flüchtling. Future. Want future. Alle gehen Deutschland." Er wurde lauter.
"Brüll' nich' 'rum! Zukunft. Wovon redest du? Glaubst du, deine beschiss'ne Zukunft findste hier? Hier ist alles easy? Vergiss es, Alter!"
"Komm! Machen Boot gut. Future." Er strahlte über das sonnengebräunte Gesicht. Seine Augen leuchteten und er sprang auf.
Langsam nervte mich der Typ. Ich stieg aus, ging an ihm vorbei, ohne ihn noch einmal anzusehen, und machte mich auf den Weg zurück in die Siedlung.
Als ich am nächsten Tag zur Jolle kam, war Daniel schon da. Ich hatte die Schule geschwänzt, denn der Alte hatte mich am Abend zuvor abgepasst. Mit dem geschwollenen Gesicht wollte ich mich nicht bei meinem Lehrer blicken lassen.
Daniel kniete im Boot.
"Machst 'n da?"
Er drehte sich zu mir um und lächelte breit, als hätte er eine Wette gewonnen.
Auf seiner Stirn klebte ein braunes Pflaster.
"Boot gut."
Mit einer Rolle Leukoplast in der Hand fummelte er an den Löchern herum. Ein guter Trick, um kleine Löcher im Boot einen Sommer lang zu kitten. Bestimmt hatte er es aus dem Verbandkasten des Flüchtlingsheims geklaut.
Ich hatte Zwirn und einen Kerzenstumpen dabei und wollte damit das Segel flicken. Daniel werkelte still weiter und auch ich machte mich an die Arbeit. Das Wetter war für norddeutsche Verhältnisse schon längere Zeit schön. Ein guter Sommer.
"Ben. Das is' mein Name."
Daniel nickte.
"Du so Stein in Gesicht?", fragte er, zeigte auf die geschwollene Stelle an meinem Wangenknochen und zwinkerte. Mehr redeten wir nicht.
Wir beendeten unsere Arbeit abrupt, als es plötzlich wie aus Kübeln zu regnen begann. Da liefen wir los und stoppten erst, als wir völlig durchnässt und außer Atem am Wochenmarkt in meiner Gegend ankamen.
"Komm! Jetzt machen wir erst mal Mittag." Ich kannte mich gut aus, um zu wissen, wo ich was mitgehen lassen konnte, ohne aufzufallen. Vielleicht drückten die alten Marktbeschicker auch ein Auge zu. Man kannte meine Familie hier in der Siedlung. Daniel verhielt sich clever. Es schien auch nicht sein erster Diebstahl zu sein.
Kurze Zeit darauf saßen wir im Unterstand beim alten Kinderspielplatz, auf dem schon lange keine Kinder mehr spielten und verdrückten, was wir ergattert hatten.
"Albanien nix Krieg, nix Hunger. Albanien gut. Meer und Sonne und so. Nix Horror. Alle Menschen frei so in Tirana. Aber Politik so", meinte Daniel und zeigte mit seinem Daumen nach unten. "Future in Deutschland! Alle gehen!" Er breitete seine Arme zu beiden Seiten weit aus. Er benutzte überhaupt sehr viel seine Arme beim Reden. Und immer leuchteten seine hellbraunen Augen dazu.
"Wie bist 'n hergekommen?", fragte ich und kaute währenddessen auf einer salzigen Dauerwurst herum. Ich hatte schon von lebensgefährlichen Überfahrten auf überfüllten Booten gehört.
"Italia auf Fähre, dann so mit Zug. Deutschland perfect." Seine Augen wurden wieder groß und leuchtend, aber das erwähnte ich ja bereits.
"Essen nix gut." Er lachte, spuckte gespielt angewidert die Wurst aus und es klang nach Freude und Abenteuerlust, nach Freundschaft und nach Zukunft. Ich spuckte meinen zerkauten Wurstbrei demonstrativ dazu. Darüber lachten wir beide, bis uns die Tränen kamen und er einen Arm über meine Schultern hängte, dass ich Mühe hatte, mich auf den Beinen zu halten.
Ich hatte schon mitbekommen, dass Container auf der Wiese standen, wo früher manchmal der Zirkus gastierte, sah auch die, die dort ankamen. Es war mir aber egal, woher die kamen oder was die hier wollten. Ich dachte, die flohen alle vor irgendeinem Krieg.
Wir gingen zu Großvaters alten Schuppen. Es war nur ein Bretterverschlag mit einem Vorhängeschloss den man vergessen hatte, wie so ziemlich alles hier unten am Fluss. Dort bewahrte er auf, was wir zum Segeln benötigten. Wir stöberten darin herum.
"Jetzt mal ehrlich. Was willste denn hier machen? Im perfekten Deutschland?"
"Hier alles sauber. Immer Strom in Haus. Alle haben Wasser, Wohnung. Ich nix viel wollen. Leben muss gut sein. So." Er betrachtete dabei eine alte Taschenlampe, die er im Regal gefunden hatte, leuchtete damit in mein Gesicht und amüsierte sich.
"Mehr nicht? Ich mein', viel will ich auch nicht. Ehrlich gesagt, habe ich noch nie darüber nachgedacht. Mir würde es ja schon reichen, wenn der Alte friedlich bleibt und mich nicht vermöbelt."
Daniel klappte eine verrostete Liege auseinander und legte sich darauf.
"Gut für schlafen!", meinte er, schloss ein Auge und begann laut Schnarchgeräusche zu imitieren, um kurz darauf schallend zu lachen.
Daniel ging nicht mehr in das Heim für minderjährige Flüchtlinge zurück. Er richtete sich im Schuppen ein, bis ich einige Tage darauf mit einer Tüte Lebensmitteln zurückkam und wir die Jolle ins Wasser schoben. Niemand würde sie vermissen. Uns auch nicht. Zumindest nicht die ersten drei Tage. Danach würde sich vielleicht das Sekretariat der Schule bei meinem Alten melden. Aber bis dahin könnten wir schon auf der Nordsee sein.
Daniel saß am Ruder und ich stieß das Boot ab. Es war schon Abend, wir hatten ablandigen Wind und kamen schnell voran. Erst über den Nebenarm durch die Schleuse und dann auf den breiten Fluß.
Die erste Zeit hatten wir gut zu tun, uns um die Barkassen und Containerschiffe zu manövrieren. Daniel kannte sich glücklicherweise auch auf dem Wasser aus. In seiner Heimat war sein Großvater Fischer gewesen und Daniel fuhr einige Male mit ihm zusammen aufs Meer.
So hatten wir ein paar Stunden, um zu vergessen, woher wir kamen.
Wir waren zwei Fünfzehnjährige, die im Sommer auf der Elbe segelten.
"So langsam krieg' ich echt Hunger. Woll'n wir nich' mal irgendwo anlegen. Is' ja auch schon spät. Glaub' ich."
An einer nahegelegenen, größeren Insel machten wir fest und richteten uns am Strand ein Lager ein. Hier kümmerte sich niemand um Inselpflege. Unkraut wuchs rundherum und. Sie machte einen ungenutzten Eindruck und wir fühlten uns wie Gestrandete auf einer einsamen Insel im Pazifik. Daniel sammelte kleine Hölzer, die überall herumlagen, und ich hatte ein Feuerzeug in der Hosentasche. So konnten wir ein kleines Lagerfeuer entzünden. Wir aßen, was ich eingepackt hatte: Wurst und Brot, die wir auf Stöcke spießten und ins Feuer hielten. Währenddessen rauchte ich die Zigaretten meines Alten, fühlte mich frei und erwachsen.
"Meine Familie in Shkoza. Nix Wasser, nix Strom. Haus so aus Holz und Teppich und so. No future. Ich geh' zu Schule, Schule so schwer. Alle Kinder böse, weil ich nix gut." Er hielt sich die Nase zu. "Nix Bad in Haus. Müssen alle Flasche sammeln, so verkaufen."
Während ich schon vor mich hindöste, an dem Zigarettenfilter nuckelte, den Sommerabend am Strand genoß, redete Daniel ununterbrochen. Albanien wäre ein kleines Land. Jeder kannte mittlerweile jemanden, der nach Deutschland gegangen war und erzählte, wie toll es dort wäre. Ich ließ ihn reden, bis er meinte: "Siehst du aus wie Baby mit Finger in Mund."
Das genügte, um uns wild aufeinander zu stürzen und uns müde zu raufen, bis wir am erloschenen Feuer einschliefen.
Der Hunger weckte uns am späten Morgen und auf der Suche nach Möglichkeiten, etwas zu essen zu finden, fanden wir nur einen alten Zigarettenautomaten, der ungefähr hundert Meter landeinwärts zwischen Brombeerbüschen vergessen wurde. Während ich von den süßen Früchten naschte und mich beinahe gewohnheitsmäßig mit meinem Taschenmesser am Automaten zu schaffen machte, inspizierte Daniel weiter das Gelände. Hinter einer Anhöhe aus Laubbäumen und Gestrüpp sah er den Stacheldrahtzaun und kam zurück gelaufen. Ich erinnerte mich, dass Großvater von einer Gefängnisinsel erzählt hatte, auf der sich eine Jugendstrafanstalt befand. Das flache Gebäude war von hier aus nicht sichtbar. Dennoch brüllte, wie aus dem Nichts, ein Uniformierter, der am Zaun patrouillierte: "Hey, was macht ihr denn hier? Stehen geblieben!"
Das taten wir natürlich nicht, sondern wir liefen, so schnell zwei Jungen laufen konnten, zurück zu unserem Fluchtboot und fühlten uns wie zwei Ganoven in einem amerikanischen Kinofilm.
"Mein Alter schlägt mich tot, wenn ich wieder zu Hause bin", ging es mir durch den Kopf und sagte es mehr zu mir selbst, als ich wir wieder im Boot saßen. Zurück auf dem Fluss war die Abenteuerlust auch bald verflogen. Wir steuerten auf den Deich an der anderen Seite des Flusses zu und ließen uns im Schilf davor treiben. Hier wehte kein Wind und alles war still. Kein Boot weit und breit, auch keines von der Polizei, dafür war es dort viel zu flach, das Schilf zu hoch und unsere Jolle nicht zu sehen.
So lag ich auf dem Rücken, rauchte und dachte nach.
"Ich nicht zu Hause. Future hier!" Daniel dachte offenbar dasselbe.
Welche Zukunft sollte das sein? Welche Möglichkeiten sollten das sein? Im Problemviertel der Stadt? Und welche hatte dann erst Daniel?
"Haben Chance", sagte er, als könnte er Gedankenlesen, aber sein strahlendes Lächeln könnte ich nicht sehen im Gegenlicht.
"Wir können ja hier nich' ewig 'rumsegeln", gab ich zu bedenken, schnippte die Zigarettenkippe ins seichte Wasser und verschränkte die Arme hinter dem Kopf, sah in den Himmel, die Wolken schnell ziehen.
"Mensch, überleg' doch mal! Wir sind zu jung. Mich stecken die ins Heim oder in 'n Jugendknast da auffa Insel und dich schicken sie zurück nach Armenien."
"Albanien."
"Sag' ich ja."
Am Deich angelangt gingen wir an Land. Hier war nicht viel los. Nur ein wenig besuchter Imbissstand und als es dunkel wurde, brach ich das Schloss daran auf.
Hier konnten wir uns erst einmal satt essen mit Lebensmitteln aus Konserven und Eiscreme.
Wir konnten kaum noch stehen.
"Wenn ich jetzt mal ganz ehrlich sein soll, dann könnt' ich auch weiter zur Schule gehen. Mach'n Abschluss und dann guck' ich mal." Das hörte Daniel aber schon nicht mehr, denn er war im hohen Gras neben mir eingeschlafen. Es wurde auch wieder langsam hell und ich erwachte erst, als ein Polizeiwagen neben uns hielt.
Ich nehme meinen Koffer vom Förderband und gehe zum Ausgang des Flughafenterminals. Die Kids, mit denen ich als Streetworker arbeite, müssen sich mal zwei Wochen ohne mich durchschlagen. Ich sehe Daniel mit ausgebreiteten Armen auf mich zukommen.
"Hey, mein Freund!" Sein strahlendes Lächeln ist unverändert. Wir umarmen uns und halten einander lange fest.
"Gut, dass du in mein Land gekommen bist!"
"Gut, dass du meine Sprache gelernt hast!"
"Die und noch viel mehr. Ich lebe anständig. Ich werde dir zeigen, wovon ich dir erzählt habe."
Auch ein weißer Mischlingshund freut sich und springt an mir hoch.
"Das ist Future", sagt Daniel lachend.