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Fußreflexzonenmassage

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03.04.2012
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Fußreflexzonenmassage

Heute sind meine liebreizenden Kolleginnen völlig aus dem Häuschen, man könnte glauben, hochdramatische Dinge wie der Besuch des Amtleiters würden bevorstehen – weit gefehlt, es ist kaum zu glauben, unsere Chefin hat Rückenschmerzen!
Sie denken jetzt, das ist doch kein Grund so aus dem Häuschen zu sein, kann schließlich jedem passieren – von wegen, da kennen sie unsere Chefin aber nicht! Unsere Chefin Agnes, Sinnbild der hart arbeitenden, emanzipierten Frau, sie ist nie krank, sie lebt nach dem Motto „ Was uns nicht kaputt macht, macht uns nur noch härter.“ Da haut es so manche Kollegin aus den Schuhen, wenn die Chefin jammernd durch die Einrichtung humpelt, aber wie soll es anders sein, in einem Haus voller aufopfernder Pädagoginnen – es naht sofortige Abhilfe!
Kollegin Lisbeth bekundet, im Rahmen ihrer Therapieausbildung auch die Kunst der Fußreflexzonenmassage erlernt zu haben und wird Agnes selbstlos von ihren Leiden befreien. Da ich gerade meine Pausenzeit nehme, habe ich das Glück dieser Sitzung beiwohnen zu dürfen!
Lisbeth geht direkt in die Offensive, “Agnes, schraub Deinen Stuhl herunter, lehn Dich entspannt zurück! Ich ziehe Dir jetzt die Schuhe und Socken aus!“ Ich frage mich in diesem Moment, ob es sich bei dieser Äußerung möglicherweise um eine Warnung für die Anwesenden handelt!?
„Och Lisbeth, ich trage doch immer Nylonstrümpfe, ich habe bestimmt Käsequanten“, tönt es gequält vom Schreibtischstuhl.
„Das macht doch nichts Agnes, ich wasche mir danach einfach die Hände!“
Ob solch großer Selbstlosigkeit verschlägt es mir schlichtweg den Atem, wenn es nicht doch die Füße mit dem Nylonaroma sind. Mir bleibt keine Zeit, um darüber nachzudenken, da Lisbeth schon mit der Massage beginnt.
„Agnes, wenn Du irgendwas spürst, wenn Dir irgendwas weh tut, dann lass Deinen Schmerz raus, lass deinen Schmerz frei, du musst ihn loslassen!“
Agnes zeigt ein schmerz verzogenes Gesicht und stöhnt leise vor sich hin.
Lisbeth knetet angestrengt den linken Fuß von unserer Chefin, „Ich bin jetzt bei Deinen Nieren, spürst Du etwas?“
„Nein, es ist alles in Ordnung!“
„Okay, ich massiere jetzt den Punkt des Lendenwirbelbereiches!“
Mich haut es schier vom Sessel, als unsere Chefin trotz Ankündigung in lautes Wehklagen ausbricht, gleichzeitig macht sich in mir ein Bild breit, als befänden wir uns im Kreissaal, denn Lisbeth erhebt laut ihre Stimme, „Du musst atmen, atme tief ein und aus, lass Deinen Schmerz frei, atme Agnes , atme !“
Agnes hechelt, was die Lunge hergibt; ich kann ihnen sagen, da brauchen sie keinen Workshop mehr, kommen sie in unsere Einrichtung, alles Live und im pädagogischen Umfeld!
Und schon wird mit tiefem Ernst weiter massiert, derweil herrscht allerdings atemtechnisch erst mal Ruhe.
„Agnes, tut es Dir weh, wenn ich hier drücke?“
„Nee, so direkt merke ich nichts!“
„Aber irgendwas spürst Du?“
„Hmmm, ja , so ein bisschen, ist ein bisschen unangenehm.“
Lisbeth ist jetzt voll in ihrem Element, an ihr ist wahrlich ein Arzt verloren gegangen!
„Agnes, du leidest an einer Augenentzündung, da musst Du unbedingt etwas dran tun!“
„Jetzt , wo du es sagst, merke ich auch, dass mir die Augen weh tun, zeitweise sind meine Augen verklebt, das ist wirklich unangenehm!“
Ich kann es ihnen sagen, ich wusste nicht, ob ich lachen oder ein tief betroffenes Gesicht, ob solch einer Diagnostik machen sollte!
Es sollten doch nur die vorhandenen Rückenschmerzen gelindert werden, von Behandlung mag ich hier gar nicht reden, und plötzlich werden Entzündungen entdeckt, die vorher gar nicht wahrgenommen, geschweige denn gesehen wurden!
In freudiger Erwartung ob weiterer Diagnosen und wundersamen Heilungen, musste ich direkt noch eine Rauchen.
Mittlerweile ist Lisbeth beim rechten Fuß angelangt und wie in den vorangegangen 15 Minuten, sagte Lisbeth immer die Zonen an, welche sie gerade bearbeitete.
Zum wiederholten male werde ich mit Hecheln und Gestöhne beglückt und sie glauben es nicht, nicht nur das der Rücken quasi „schrottreif“ war, nein, es war doch tatsächlich auch das zweite Auge entzündet!
Bevor Lisbeth sich die Hände wusch, wird noch flugs ein Therapieplan erstellt, “ Agnes, Du kommst jetzt alle zwei Tage in der kommenden Woche zu mir in die Gruppe, da wiederhole ich die Massage. Du wirst sehen, am Ende der Woche hast Du keine Rückenschmerzen mehr und für Deine Augen machst Du Augengymnastik. Du rollst sie jeweils einige Minuten nach links und nach rechts, sobald Du Deine Augenmuskulatur gestärkt hast, wirst Du auch keine Augenentzündung mehr haben!“
„Vielen, vielen Dank Lisbeth, es geht mir jetzt schon um ein vielfaches besser, also komme ich Mittwochvormittag wieder zu Dir!

Was soll ich sagen, ich war schier sprachlos, ob dieses medizinischen Wunders, da frage ich mich doch, wieso zahle ich jeden Monat meinen Krankenversicherungsbeitrag, zumal eine erneute Gesundheitsreform ins Haus steht!
Ich könnte doch schnell diese Fußreflexzonenmassage erlernen und mir selbst die Diagnosen und Therapieplan erstellen, was ich da an Geld sparen würde!
Also, in solchen Momenten denke ich, vielleicht war es doch nicht so schlecht, dass ich in den päd. Beruf gegangen bin - oder?

 

Hallo,

ich mag das Thema des Textes, ich finde die Situation komisch in ihrer Art und auch diesen kleinen Hintersinn dahinter, diese Bösartigkeit mit dem psychosomatischen, das hat mir gut gefallen, als kleine absurde Beobachtung aus dem Alltag, es will ja auch nichts riesiges sein, sondern es will einfach diese Situation mit den 2 Frauen so darstellen. Die spricht auch gut für sich selbst ... es ist natürlich auch ein Verhalten, dass man als Mann gerne bei Frauen beobachtet und darüber lästert: da hat jemand eine Verspannung und fürchtet das Allerschlimmste, und eine andere hat ein Buch über Yoga gelesen und ist sofort Expertin.

Das Problem ist die dritte Frau hier, die Erzählerin. Die hat in dem Text eigentlich nichts zu tun, spielt sich aber so ein bisschen nach vorne, nimmt dem Leser das denken ab und urteilt. Alles, was der Leser hier machen müsste, macht die Erzählerin schon, das finde ich nicht gut, so eine Art von Erzählerin gehört in eine Kolumne, in einem literarischen Text finde ich sie ungünstig gewählt.

Schreib doch mal probehalber einen Text ohne diese Erzählerin und leg ihn neben den hier und frag dich, welcher dir besser gefällt. Schaden kann das nicht.

Gruß
Quinn

 

Hallo!

Ich kann mich meinen Vorgängern nur anschließen.
Ein neutraler Erzähler bzw. eine trockene Beschreibung der Situation würde den Humor in dieser Geschichte meiner Meinung nach besser hervorheben.
In der jetzigen Form reißt die Erzählerin den Leser ständig aus der Geschichte, weil sie ihn direkt anspricht.

Der Part mit der Augendiagnostik durch Fußmassage ist großartig - es wirkt auf mich gleichermaßen realitätsnah wie komisch. Gute Idee!

Der Pelzfisch

 

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