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- Anmerkungen zum Text
Nach einer wahren Geschichte. Ähnlichkeiten mit realen Personen sind rein zufällig.
Fruchtfliegen
Genaugenommen waren es keine Fruchtfliegen. Es waren Abortfliegen, kleine, gemeine Scheißviecher, die sich im Abfluss meines Waschbeckens eingenistet hatten. Obwohl ich noch verkatert vom Vortag war, schaffte ich es, sechs von ihnen mit einem Fetzen Klopapier platt zu drücken. Ich war ein bisschen stolz auf mich, summte Jump von Van Halen, wusch mir die Hände, setzte mich auf den Wannenrand, schiss in ein Müllsäckchen, verschnürte es und verstaute es in meinem Rucksack.
Ich rückte die Mikrowelle nach vorne, löste die Fliese dahinter und eine Minute später zog ich die erste Nase des Tages. Wie ich da so saß, auf dem Wannenrand, wippte ich ein bisschen mit dem Oberkörper, mit dem linken Fuß und kaute auf meiner Unterlippe rum. Ich fühlte mich geil, und ich hatte Hunger, aber so richtig Bock hatte ich auf das erste Bier.
Ich rückte den Schrank von der Tür weg, und fing sie auf, als sie aus den Angeln fiel. Paul, dieser Arsch, Paul, klar hab ich ne Versicherung. Scheiß Paul.
Man sagt ja, Täter kehren an den Ort ihrer Verbrechen zurück, um sich aufzugeilen. Stimmt wirklich. Letztens hab ich ihn erwischt, Paul, als ich abends nach Hause kam, ein Rascheln, aus meiner Wohnung, die Tür lehnte, statt von außen am Türrahmen, vor der intakten Tür des Nachbarn.
Ich mein, was wär gewesen, wenn der vor mir nach Hause gekommen wär? Was hätt der von mir gedacht, meine Tür, am vollkommen falschen Türrahmen lehnend. Der hätt doch gedacht, ich bin asozial.
Hab ich schnell meine Flasche auf Ex und se inner Faust geballt und bin reingestürmt. Da stand der scheiß Paul, alle Flaschen umgeworfen, alle durcheinander, Achter, Fünfzehner und Fünfundzwanziger.
Gerade dabei, die kleinen Fünfundzwanziger, die Hochkaräter, einzusammeln, der gierige Scheißkerl, weilse leicht sind, einfach zu verstauen, zu transportieren, schaut mich an, stammelt da irgendwas, krampft sich um seinen gelben Sack und seine Augen zucken nervös.
Mit zwei Schritten verschwindet er im Scheißhaus und dreht den Schlüssel in der Tür.
»Geh weg, oder ich tret deine Schüssel kaputt.«
Hab ich natürlich nicht im Traum dran gedacht.
»Komm raus, ich hau dir in deine Fresse!«, hab ich ihm geantwortet. Wär auch nur gut und recht gewesen. Ihn rauslassen? Nachdem er mir die Hochkaräter klauen wollte? So seh ich aus.
Schön blöd war ich da. Hab nicht bedacht, was ich davon hab, wenner wirklich meine Schüssel kaputttritt. Nach etwa ner halben Stunde knallt das, dann schellt das wie Sau, und ich schrei:
»Du Fotze!«
Und Paul lacht, und nichma ne Minute später kommt mit quietschenden Reifen n Polo vorgefahren, und da steigt n Bulle aus. Mit scheiß T-Shirt und Flip Flops. Hat man ihm sofort angesehen, was er fürn Rattenmensch ist. Hab auch nicht lang nachgedacht, Mikro vorgerückt, Fliese aufgehebelt und das Pepbeutelchen in meinem Rucksack verschwinden lassen.
Hab den Bullen dann auffer Treppe getroffen, blonde, gelockte Haare, Kettchen, hat mir freundlich zugenickt und gegrüßt. Hab ihn ignoriert, war aber zum Zerreißen gespannt, hätt ihn in dem Moment totgeschlagen, hätt er nicht »Moin«, sondern »Pep«, »Vitamine« oder »Amphe« gesagt. Na ja, wie auch immer, Abend war auf jeden Fall gelaufen. Bin dann zu Caro, nochn bisschen Bongrauchen.
Da, wo ich jetzt auch hin will.
Auf dem Hinweg quatscht mich son kleiner Kanacker an. Billie, Jillie irgendwie sowas, und er sagt, »hast du was zu rauchen?«, und ich schüttel den Kopf, geh weiter. Und er gibt sich damit nicht zufrieden, folgt mir und sagt, »ey, sei nich' so einer!«
Und ich halt an, weil, da steht mein Stammpapierkorb, ich öffne meinen Rucksack, er kommt näher, guckt erwartungsvoll als es knistert und ich hol mein Kackbeutelchen hervor und schieb es in den Eimer. Er guckt mich an, und ich nick ihm zu, dreh mich um und geh und hör noch, wie der Eimer blecherne Geräusche von sich gibt, als Jillie, oder Billie whatever darin nach meinem Kackbeutelchen kramt.
Caro pennt natürlich, is auch noch früh und war gestern spät. Ich mach Klingel bei Frau Gruber, Caros Nachbarin. Mach Dauerklingel. Irgendwann geht oben ein Fenster auf, die fette Gruber steckt ihren Schweinskopf raus und schreit, »bist du bescheuert?«
Und ich sag:
»Du fette Sau.«
Und sie, ohne Vorwarnung, wirft den Teller, den sie gerade noch hinter der Fensterbank versteckt hat, nach mir, aber der Teller ist zu langsam und ich auf Pep, also sag ich, ganz ruhig, ganz gefasst:
»Hör mal, sobald du das Fenster zumachst und dich auf dein speckiges Sofa legst, drück ich wieder auf deine Scheißklingel, also geh schon zu Caro und klopf an ihre beschissene Tür.«
Sie guckt verbissen, aber sie kennt das Spiel schon, ist aber zu dumm oder zu fett, ihre Klingel einfach abzuschalten.
»Kleiner Scheißkerl«, sagt sie noch, das Fenster knallt und ich warte geduldig, will sie ja nicht vergraulen, bis irgendwann die Tür geht.
Caro steht in ihrem Eingang, gähnt, blinzelt.
»Altah«, sagt sie, »bisschen früh noch wa?«
»Ja, egal«, sag ich, »hab Bock auf Bier. Und Bongrauchen.«
»Hab kein Bier«, sagt sie und verzieht das Gesicht, so als muss sie gleich kotzen, und sagt:
»Komm schon rein, man.«
Ich folge ihr, sie trägt Boxershorts, verdammt eng, und denk mir, dass später bestimmt noch was läuft, wenn sie nur irgendwann vollgedröhnt genug ist.
»Mach ma deine Klingel heil«, sag ich und sie dreht sich im Gehen um, stößt sich im Lauf das Knie an ner Heizung, verzieht die Fresse und sagt, eher presst zwischen den Zähnen hervor, »sagt der, der in seine Wanne scheißt.«
Sie nimmt auf ihrem Sofa Platz und ich bewundere ihre Sammlung an Fünfundzwanzigern. Ausschließlich Hochkarätige, alles voll, kein Kleinkram, hat keinen Bock Glas zu schleppen sagtse. Alles in allem bestimmt vierzig Euro.
»Willst das nichma wegbringen?«
Sie sieht sich verschlafen um, kratzt sich an ihrer Titte und grinst, »für schlechte Zeiten.«
Ich nicke verstehend und sage:
»Ich geh ma duschen. Kommst mit, auf'n Fick?«
Sie sieht mich an, als hätte ich grad ihren toten Vater beleidigt, der is nämlich wirklich tot, hatse mir mal besoffen erzählt, ihr Blick wandert herunter, zum vollen Plasteaschenbecher, sie nimmt ihn und wirft ihn nach meinem Kopf, aber er ist zu langsam und ich immer noch auf Pep.
In der Dusche sitzt Fritz. Hat wohl die falsche Ausfahrt genommen und sich vollgepisst. Fritz heißt eigentlich Jamal, aber Fritz passt besser, weil Jamal ein schiefes Gesicht hat, wie einer, der halt in echt Fritz heißt.
»Ey«, sag ich, »Fritz. Steh auf, ich will duschen, man.«
Und Fritz grunzt und macht:
»Gnäh.«
»Und ich sag:
»Ey. Fritz man«, und stoß ihn an der Schulter mit meinem Fuß an, »ich will duschen, jetzt.«
Fritz macht eine spastische Bewegung nach vorne, rutscht auf dem Hosenboden, die Beine angewinkelt wie ein Storch.
Und ich stoß ihn wieder an und er sagt:
»Maaaaaaan.«
Und ich so:
»Fritz Alter, jetzt verpiss dich da!«
Und obwohl er schläft, schlägt er auf einmal nach mir und in seiner Hand ist ne leere Bierflasche, die ihm aus den Händen rutscht und einmal quer durchs Badezimmer fliegt, gegen die Wand, und zerplatzt.
Caro kommt hereingestampft, ihr Gesicht wutverzerrt, ihr Blick geht zu den Scherben, zur Macke an der Wand, zu mir und dann zu Fritz und sie ist sichtlich irritiert, guckt wieder mich an und sagt:
»Was macht der'n hier?«
Und ich sag:
»Was weiß ich.«
Sie rauft sich die Haare, geht kurzentschlossen zu ihm hin und knallt ihm eine, er wirft schützend die Hände hoch, im Schlaf, sagt, »nein, bitte nicht!«, aber sie knallt ihm noch eine, und er winselt, als fürchtet er um sein Leben und dann knallt sie ihm noch eine, aber diesmal richtig, und er blinzelt endlich, und sie sagt, »wieso bist du hier, man? Du warst doch gar nicht eingeladen.«
Und man sieht ihm deutlich an, dass er nicht klarkommt, die Schläge, die Drogen, der Schlaf, seine vollgepisste Hose, aber scheinbar erwartet sie eine Antwort, doch ich glaube, dass er in seinem Zustand nicht mal weiß, wo er gerade ist.
Und Caro so:
»Oah, Altah«, dreht sich um, sieht mich hilfesuchend an und dann kommt ihr eine Idee und sie fragt:
»Hast du Pep dabei?«
Und ich öffne meinen Rucksack und reich ihr eins von den Verkaufstütchen.
Sie nickt dankbar, schüttet sichn Strich auf den Daumen und schnieft, sie hustet, ist wohl ihre erste Nase heute, noch dazu auf nüchternen Magen, und sie hält Fritz das Tütchen hin und er reagiert tatsächlich, als wäre er ein denkendes Wesen und snifft direkt aus der Tüte.
Zehn Minuten später sitzen wir drei auf der Couch und gucken ne Sendung mit irgendwelchen Frauen, die dicke Titten haben, aber ich kann der Sendung nicht folgen, denn die Gesichter von denen im Fernsehn fucken mich ab, eins hässlicher als das andere, und Fritz reicht mir endlich die Bong und ich zieh, aber mit Daumen.
Caro zieht mit Shillum, sie ist ne verdammte Angeberin, ist sie immer, und ich befinger unter dem Tisch die Tetrapaks, geh mit einem nach dem anderen auf Tuchfühlung, immer nur eine kurze Berührung, bis ich einen finde, der steif steht.
Er ist schon offen, ich riech dran und glaub nicht, dass jemand reingeascht hat. Obwohl ich eigentlich Bock aufn Bier hab, gönn ich mir den Weißen, und er schmeckt wie gewohnt, keiner hat reingeascht, aber dann will auch Fritz von nippen, und ich sag zu ihm, weil ich weiß, dasser den nicht verträgt und wie das dann wieder enden wird:
»Ey, Jamal. Komm, lass gut sein.«
Und er guckt böse, zieht die Augenbrauen zusammen und sagt:
»Gib schon her, jetzt!«
Und ich trink nochmal von, genüsslich, und mittendrin greift er rein und drückt die Weißweindämpfe in meine Speiseröhre und ich stoße auf, noch in die Öffnung rein, aber ihm ist das egal, er setzt die Packung an und gibt sich den Rest auf Ex.
Ich find noch ne halbe Flasche Gobbi, werd schon langsam lustig, aber auch die muss ich mir mit Fritz teilen, wenigstens Caro hat noch von gestern genug, zieht nur hin und wiedern Kopf, aber das ist gut so.
Irgendwann gehts dann aber los, wie immer, und Fritz wird zum Angeber, er holt sein Smartphone raus und ruft irgend sone scheiß menschenverachtende Seite auf und dann hälter mir das Display vor die Nase und sagt, »das bin ich!« und ich guck, und das Video kenn ich schon, hatter mir tausend Mal gezeigt, aber er hatn Gedächtnis wie ne Kloschüssel, und mich überkommt plötzlich wieder Ärger, obwohl es gerade so geil war. Dieser scheiß Paul, diese kleine Fotze, und Fritz merkt, dass ich nicht bei der Sache bin und sagt, versöhnlich, »wallah, nich' dass du denkst, ich hab was gegen Christen, aber ...«
»Ja«, sag ich genervt, »is' gut, Fritz.«
Und er sagt:
»Nein! Lass mich jetzt erzählen, Junge.«
Und ich schau ihn an, mitleidig und sage:
»Guck, selbst wenn du das wirklich bist, der Vermummte da, du hast doch gar nichts gemacht, standst nur da, während dein Kumpel dem armen Schwein den Kopf abgeschnitten hat.«
Fritz guckt überrascht, der Mund weit auf. Misstrauisch sagt er:
»Kennst du diese' Video schon?«
Und ich denke, er hat wirklich n Gedächtnis wie ne Kloschüssel, und werd wieder sauer, denk an Paul, diesen Arsch, und Fritz so, schreit so:
»Ey, jetzt hör mal zu, man!«
Und Caro so, irgendwie wütend, aber auch schon hörbar vollgedröhnt, ohne uns anzugucken, abwesend:
»Altah ... seid jetzt endlich leise ... ich will das gucken, jetzt.«
Und ich guck sie an, und nicke, und guck Fritz an, und sag:
»Ey, sie hat doch recht. Lass gut sein jetzt.«
Und er fährt in die Höhe, abrupt, mit seiner vollgepissten, angetrockneten Hose, zeigt mit dem Finger auf uns und schreit:
»Das' genau eur' Problem! Hört nich' zu! Werd' schon seh'n, was passiert!«
Und er geht, lässt n Pissfleck auf dem Sofa zurück.
Irgendwann, kurz nach Mittag, pennt Caro dann ein, ich guck nochn bisschen Fernsehen, rück dabei immer näher an sie ran, bis ihr Arsch an meinem Schenkel ist. Ich tipp sie an und sie grunzt und ich weiß, dass ich jetzt freie Bahn hab, denk ich zumindest, schieb meine Hand rücklings in ihre Shorts unter ihren Arsch und steck Mittel- und Zeigefinger in ihr Arschloch, und auf einmal jauchzt sie los, springt auf und schreit wie von Sinnen.
Sie sieht mich an, ich mich natürlich total erschrocken. Sie blinzelt, einmal, zweimal. Dann packt sie sich an den Hintern, da wo ich gerade war, sieht mich völlig entgeistert an, und ohne das ich was tun kann, obwohl ich noch auf Pep bin, es liegt vielleicht auch am Ganja, oder am Alk, tritt sie mir voll in die Fresse, weil Caro ist norddeutsche Meisterin im Kickboxen.
Und dann wach ich im Krankenhaus auf. Und das erste, was ich sehe, nicht spüre, denn das erste, was ich spüre, ist mein eingetretener Schädel, ist Caro. Und sie lächelt, und sagt:
»Du hast so kleine Fruchtfliegen in deinem Bad. Voll widerlich.«
Ich nicke, bin mir sicher, dass ich dabei wien Behinderter ausseh, der ich irgendwie auch bin, und will sagen, dass das Abortfliegen sind, keine Fruchtfliegen, aber ich kann meinen Mund nicht öffnen.
»Hab dir den Kiefer kaputtgetreten«, sagt sie, »tut mir irgendwie n' bisschen leid. Aber du bist auch ein kleiner Hurensohn, hast mir was in den Arsch gesteckt, was?«
Ich grinse, und es klappt tatsächlich.
Und sie lacht.
»Hab die mal totgemacht«, sagt sie, »deine Fliegen. Hoffe, das war in Ordnung?«
Ich verspüre Dankbarkeit, und weiß jetzt, genau jetzt, mal wieder, was ich an Caro hab. Und kurz ist da was Warmes in meiner Brust, und ich denk, dasses doch eigentlich so bleiben könnte.