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Frontal draufhalten
Die Kamera liegt fertig montiert auf meinem Tisch. Ich habe einen Mechanismus eingebaut,, damit man sie nicht ausstellen kann. Außerdem habe ich endlos Aufnahmezeit, weil die Disk geloopt ist. Es wird dann zwar immer wieder der Anfang gelöscht, aber ich weiß, dass irgendwann heute abend meine beste Zeit kommen wird und dann habe ich immer noch eineinhalb Stunden zum Weiterfilmen.
Ich schalte die Kamera ein, setze mir den Kopfhörer auf, nehme das Mikro in die rechte Hand, die Kamera in die Linke und verlasse das Haus.
Die erste Kneipe, die ich aufsuche, ist eine Spelunke mit bierbäuchigen, vollbärtigen Veteranen. Es riecht nach Altbier und Lange-nicht-gelüftet. Ich gehe langsam, ganz langsam an der Theke vorbei, das Auge am Sucher taste ich alle Gesichter ab und nehme ihre Unterhaltung auf. Ich höre nur das, worauf mein Mikrofon zeigt. Ich bleibe vor einem Mann stehen, der mir frontal in die Kamera glotzt. Ich gehe mit dem Objektiv noch etwas ran. Das Mikro in meiner Rechten ist noch hinter meinem Rücken, um heimlich ein paar Gesprächsfetzen vom Nachbarn mitzuschneiden. Ich habe das Gefühl, dass der Mann in meinem Blickfeld ziemlich ärgerlich ist, breche deshalb die Audioaufnahme mit großen Bedauern ab und halte dem Typen auch noch das Mikrophon unter die Nase
Zwei Tage später:
A: Ich liege mit Rippen- und Nasenbruch im Krankenhaus
B: Ich sitze in seinem Büro und wir sprechen die Modalitäten einer Filmförderung durch
C: Wir liegen in meinem Bett und schmusen
In diesem Moment packt packt jemand von hinten meine Schulter und reißt meinen ganzen Oberkörper zu sich herum, sodass die Beine kaum nachkommen. Meine beiden Hände sind auf ihn gerichtet, in der einen die laufende Kamera, in der anderen die dazugehörige Audiospur. Ich hebe endlich mein Auge von der Linse und sehe dem Kerl blank ins Gesicht. Ich höre seine elektrisch verzerrte Stimme nicht mehr, weil er mir schon längst den Hörer vom Kopf geschlagen hat. Er greift sich meine Kamera und drückt auf die Stopptaste und auf Rückspulen und noch mal Stopp und dann den Ausknopf, doch die Kamera geht nicht aus. Später auf den Bildern habe ich gesehen, wie der Focus durch den Raum geflogen ist. Ein paar Sekunden blieb er genau auf meinem Gesicht stehen. Ich sah total entrüstet aus, aber auch ratlos und ängstlich.
Ich ahne, ich spüre, er nimmt gleich das Ding und zertrümmert es auf dem Tresen. Meine Hand schnellt nach vorne, klammert sich fest um den Griff meines ganzen Stolzes. Ich ziehe sie mit aller Kraft zurück und renne zum Ausgang, stemme mit den Oberarmen, mein Equipment schützend, die Flügeltür auf und laufe durch das Freie, die Straße rauf um eine Ecke. Ich verschnaufe ein wenig im leichten Gehen bis nach etwa hundert Metern ein Leuchtschild für ein spanisches Restaurant wirbt. Da gehe ich rein, da kann mir nichts passieren, denke ich.
Ich sitze an der Theke. Kamera, Mikro und Kopfhörer liegen auf dem Tresen und vor mir ein Wodka-Lemon. Zigarette.
Die Tür geht auf und der Mann aus der Spelunke kommt herein. Nicht der, der die Kamera zertrümmern wollte, sondern sein Nachbar, der scheinbar so ärgerlich geguckt hat. Ich lege den Akku in das Gerät und die Kamera beginnt wieder zu laufen..
Er bleibt vor mir stehen und fragt freundlich ob er sich zu mir setzen darf. Ich sage etwas unsicher, ja.. Er bestellt sich ein Bier und kommt ohne große Umschweife zum eigentlichen Grund, warum er mir von der Kneipe aus gefolgt ist.
Er interessiert sich für meine filmerischen Arbeiten und fragt mich, ob ich an einer Filmförderung interessiert wäre.
Ich sage, sure
Zwei Tage später werde ich in meiner Kuschelecke liegen, mein Kopf in seinem Schoß gebettet, er streichelt mir das Haar und wir gucken meine Filme.