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Fritzl und Strunzl - 9.12. - Böser Fuchs?
Böser Fuchs?
Heute der neunte Dezember und ausnahmsweise ist es der Diensttag, der den ersten Tag der Woche verkörpern darf. Gestern war ja der achte Dezember, der Feiertag Maria Empfängnis, also der Tag, an dem Jesus’ Mutter Maria zur Welt gekommen ist. Wäre sie noch am Leben, dann wäre sie gestern über zweitausend Jahre alt geworden. Alles Gute übrigens! Und um diesen Tag zu gedenken, war gestern Feiertag und die Schule war geschlossen. Heute ist sie aber wieder geöffnet und das ist gut so. Denn heute lernen die Kinder der Winterwaldschule etwas über gute und böse Tiere.
„Nun liebe Kinder. Heute erfahren wir etwas über gute und böse Lebewesen!“ eröffnet Lehrer Holzpecker den Unterricht. „Kennt jemand von euch ein gutes Lebewesen?“
Die Klasse 1.A, in der sich auch unser Eichhörnchen Strunzl befindet, überlegt. Dann meldet sich Gustl, ein kleiner Gänserich: „Mutter Theresa war ein guter Mensch“, sagt er. „Sie ist in die dritte Welt gereist und hat armen Kindern geholfen!“
„Ja, das ist richtig“, sagt Herr Lehrer Holzpecker. „Noch jemand!“
Strunzl zeigt auf und als er an die Reihe kommt, sagt er: „Nikolaus von Myra war ein guter Mensch. Er hat all sein Vermögen gespendet und hat sehr viel Gutes getan!“
Lehrer Holzpecker lobt auch diese Wortmeldung und mit der Zeit fallen auch andere Namen, wie Jesus, der Sohn Gottes und Mohammed, der Prophet der Moslem.
„Und könnt ihr euch auch ein ganz böses Lebewesen vorstellen?“, fragt der Lehrer nun.
„Füchse!“, ruft Gustl hervor. „Alle Füchse!“
„Meinst du?“, fragt der Lehrer nachdenklich. „Ist jeder seiner Meinung?“
Die Klasse nickt zustimmend. „Ja, die fressen uns doch!“
„Ich glaube nicht, dass alle Füchse böse sind!“ sagt der Lehrer zur Überraschung seiner Schüler. „Seht ihr: Gustl, unsere Gans, isst Körner, damit er überleben kann. Strunzl, unser Eichhörnchen, ist Nüsse, damit er überleben kann. Sumsi, unsere Biene, trinkt den Nektar von Blumen, damit sie überleben kann. Ist das richtig Sumsi?“
„Ssssssss Ja, Nektar ist lecker! Sssss!“ summt sie als Antwort.
„Seht ihr! Auch die Füchse müssen etwas essen, damit sie überleben. Ich zum Beispiel, esse Raupen und Maden, so wie es für einen Specht gehört. Die denken vielleicht auch, dass ich böse bin. Aber bin ich etwa wirklich böse?“
Die Klasse sieht etwas fragend und verwirrt durch die Gegend. Sind Füchse denn nicht böse? fragen sie sich.
Nur Gustl scheint eine eindeutige Meinung zu haben: „Trotzdem finde ich Füchse böse und gemein! Sie könnten doch auch Körner essen, so wie ich!“
„Ich glaube nicht, dass sie das könnten“, antwortet Lehrer Holzpecker. „Schließlich würdest du doch auch keine Maden und Raupen essen, so wie ein Specht, oder?“
Gustl schneidet eine Grimasse, als wäre das, das Grässlichste, das er je gehört hat.
„Außerdem haben auch die Füchse eine wichtige Funktion. Sie fressen die kranken und alten Tiere, die vielleicht viel Unheil anrichten könnten oder einen schmerzhaften Tod vor sich haben. Füchse ersparen ihnen dieses Schicksal.“
Mit diesen Worten läutet die Pausenglocke und das Thema wäre beendet. Der Rest des Tages besteht aus Rechnen, Lesen und Schreiben.
Da Fritzl an diesem Tag noch Nachmittagsunterricht hat, geht Strunzl alleine nach Hause und auf dem Weg macht er sich viele Gedanken. Gedanken, ob Füchse nun böse sind, oder einfach nur ihrer Natur folgen. Zwar hat Gustl schon recht, wenn er sagt, dass Füchse andere Tiere fressen, aber sind sie denn dann böse?
Strunzl bückt sich und hebt eine Walnuss auf. Er hackt mit seinen langen Vorderzähnen hinein und beißt daran herum, bis sie aufgeht. Dann sieht er das Innere, nussig und saftig. Er möchte schon hinein beißen, doch da kommt ihm eine Idee. Was wäre denn, wenn Nüsse auch Gedanken haben und sich miteinander unterhalten? Wäre er dann nicht auch böse? Würden die Nüsse dann nicht sagen: „Oh Hilfe, rettet euch. Das Eichhörnchen will uns alle fressen, dieses böse, kleine, vielfräßige Eichkätzchen will uns alle töten oder eingraben! Rettet euch!“
Dieser Gedanke macht unseren Strunzl traurig und er legt die offene Nuss wieder auf den Boden zurück. „Tut mir leid“, sagt er beschämt zu der Nuss, „ich werde euch nichts mehr tun.“ Strunzl beschließ ab heute, gar nichts mehr zu essen.
Dieses Vorhaben geht auch gut, zumindest solange, bis Mama Schwanzbusch das Abendmahl richtet und panierte Haselnüsse in den Ofen schiebt. Der Geruch entfleucht dem Ofen, schleicht sich durch die Küche ins Vorzimmer der Eichkätzchenhöhle, durch Strunzl Kinderzimmertüre und schließlich in seine Nase. Sein Magen beginnt zu knurren. Oh nein, ich darf nicht an Essen denken, denkt er.
Schließlich ruft ihn seine Mutter zum Abendessen. Widerwillig steht er von seinem Schreibtischsessel auf und setzt sich zum Esstisch der Familie Schwanzbusch. Und als Strunzl als einziger der Familie nichts von der mit Haselnüssen gefüllten Pfanne nimmt, fragt ihn Papa Schwanzbusch: „Bist du etwa krank, Strunzl, oder warum isst du nichts?“
„Nein Papa“, antwortet er, „ich will nur kein böses Eichhörnchen sein, und Nüsse fressen.“
Papa und Mama Schwanzbusch ziehen die Augenbrauen zusammen.
„Wer hat dir denn das gesagt?“ möchte Mama Schwanzbusch wissen.
„Na, in der Schule hat Gustl gesagt, Füchse seien böse, weil die uns fressen. Und ich esse Nüsse, also bin ich für die Nüsse auch böse und das möchte ich nicht!“
„So ein Unfug!“, empört sich Papa Schwanzbusch und Fritzl fügt Papas Stimme nachahmend hinzu: „Ganz recht, so ein Unfug. In der Schule hört man nur Unfug. Darum habe ich beschlossen, dass es besser ist, wenn ich ab morgen gar nicht mehr hin gehe!“
Seine Eltern halten das wiederum für eine nicht so gute Idee und werfen ihm einen bösen Blick zu.
„Weiß du Strunzl, es ist gut, dass du dir solche Gedanken machst“, wendet sich Papa Schwanzbusch wieder seinem jüngsten Kind zu, „jeder sollte sich über gut und böse Gedanken machen. Aber man sollte auch bedenken, dass man vieles nicht ändern kann. Bäume werfen Nüsse ab, Eichhörnchen fressen diese Nüsse und Füchse fressen Eichhörnchen. So ist der Lauf der Dinge. Niemand kann etwas dagegen tun. Und nun iss!“
Strunzl greift zu der Pfanne und holt sich eine große Portion Nüsse.
Nach dem Abendessen geht Strunzl zu Bett. Nun hat er zwar keinen Hunger mehr, aber er weiß noch immer nicht, ob er nun böse ist oder nicht. Und wenn er nicht böse ist, sondern nur einfach der Natur folgt, dann ist diese vielleicht böse und ungerecht. Strunzl denkt so lange nach, bis er einschläft.
Und nun schläft unser Strunzl. Ich hoffe er schläft gut, denn er wird seinen Schlaf brauchen. Die morgigen Ereignisse werden nicht nur die aufregendsten seines Lebens sein, sie werden auch eine Antwort auf seine Frage geben, die ihn jetzt im Moment, Gott sei Dank, nicht mehr quält.