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Fritzl und Strunzl - 2.12. - Warum der Igel Igor beinahe zu Unrecht bestraft wurde
Warum der Igel Igor beinahe zu Unrecht bestraft wurde
Heute ist der zweite Dezember und im Winterwald hat es heute Nacht viel geschneit. Der Schnee bedeckt den Boden und die Bäume und es sieht aus, als hätte jemand einen riesigen Zuckerstreuer genommen und damit die Erde versüßt. Und irgendwie ist es auch so, denn das Leben der Tiere des Winterwaldes ist wirklich ein wenig süßer geworden, angesichts der stolzen Schneepracht. Auch für unsere Eichhörnchenbuben Fritzl und Strunzl, die sich gerade auf dem Schulweg befinden...
„Atackeeeeeeeeeeeeeeeeeeee!!!“ brüllt jemand und der Igelbub Igor sieht erschrocken auf. Was ist denn los? fragt er sich und reckt seinen kurzen Hals so hoch in die Luft, wie er nur kann.
- Platsch!
„Whaaaaaaaaaaaa!“ Igor schreit auf. Etwas Kaltes hat ihn am Rücken getroffen, etwas Widerliches, Grausliches, Nasses, Scheußliches...
- Platsch!
„Hilfeeeeee!“, kreischt er voll Angst. Dieses nasse, kalte Zeug hat ihm ins Gesicht getroffen. Er schnappt nach Luft, schiebt sein Gesicht unter den Bauch und rollt sich ein, sodass nur noch seine Stacheln nach außen zu erkennen sind. Jetzt muss ich sterben, denkt er sich.
Da zieht plötzlich jemand an einem seiner Stacheln. „Hallo Kaktus! Jemand zu Hause?“
Vorsichtig entrollt er sich und sieht mit einem Auge hinaus. Draußen steht ein Eichhörnchen und sieht ihn frech an.
„Hallo! Ich bin´s, Fritzl!“, sagt das Eichhörnchen und jetzt erkennt ihn Igor. Es ist sein bester Freund und Klassenkamerad. Daneben steht sein kleiner Bruder Strunzl, ein Erstklässler, aber trotzdem ganz okay.
„Habt ihr einen Schneeball auf mich geschossen?“, fragt Igor etwas beleidigt.
Da sprudelt Strunzl hervor: „Ja, ist das nicht toll, dass es endlich zu schneien begonn....“, aber sein großer Bruder schiebt ihn schnell seinen Schwanz vors Gesicht.
„Schneeball? Geschossen? Wir doch nicht!“ lügt Fritzl und legt seinen Arm und seinen stacheligen Kumpel. Sie beschließen gemeinsam zur Schule zu gehen und reden und lachen und springen durch den frisch gefallenen Schnee.
Als sie die Schule schon fast erreicht haben, sieht Strunzl jemanden, den er nie zuvor gesehen hat. Eine Eule, die mit einem eingegipsten Flügel durch den Schnee gehen muss.
„Kennt ihr diese Eule?“ fragt Strunzl seinen Bruder und den Igel.
„Hm...“ grübelt Igor, „noch nie gesehen, vielleicht ist es der neue...“
„Atackeeeeeeeeeeeeeeeeeeee!!!“ brüllt Fritzl plötzlich und ein Schneeball saust durch die Luft. Igor erschrickt, doch der Schneeball fliegt nicht in seine Richtung, er fliegt hoch über seinem Kopf hinweg. Der Igel ahnt das Ziel und ist nicht besonders erfreut. Sicherheitshalber rollt er sich schon einmal ein. Man kann ja nie wissen.
Der Schneeball trifft sein Ziel und die Eule schreit auf.
„Versteckt euch!“, ruft Fritzl und hüpft hinter einen Baum. Strunzl macht es ihm gleich, nur Igor bleibt zusammengerollt, mitten auf dem Weg liegen und zittert.
„Also so eine Frechheit!“, denkt sich die Eule, als der Schneeball sie getroffen hat und dreht sich um. „Wenn ich den erwische, der das getan hat, den werde ich´s zeigen!“
Weit und breit sieht sie niemanden, nur ein zitternden Bündel Stacheln. Die Eule kneift die Augen zusammen und erkennt es als einen zusammengerollten Igel. „Aha!“, denkt sich die Eule und stapft durch den Schnee auf das Igelkind zu.
„Hey, du Igelbub, wie heißt du und warum hast du mich mit einem Schneeball beworfen?“, fragt die Eule, als sie vor Igor steht.
„Ich bin kein Igel“, sagt er mit verstellter Stimme und drückt seine Nase fester gegen seinen Bauch. „Ich bin ein Kaktus.“
„Ach so, ein Kaktus! Mitten im Winter, mitten im Wald und sprechen kannst du auch noch dazu! Das glaube ich dir nicht. Aber ich glaube, dass es besser für dich wäre, wenn du mich ansehen und dich entschuldigen würdest. Ich bin Lehrer Kuckuck, der neue Lehrer der 4.A der Winterwaldschule und ich denke, dass ich deinen Lehrer bestimmt noch kennen lernen werde. In welche Klasse gehst du denn?“
Igor entrollt sich langsam und sieht schüchtern auf. Da ist er ja tief in die Patsche geraten.
„Ich gehe in die 4A, Herr Lehrer und heiße Igor Stachelkopf.“
„Das trifft sich ja!“, ruft Lehrer Kuckuck. „Da kannst du ja gleich mit mir mitkommen, mir zeigen wo unsere Klasse ist und wir können gemeinsam überlegen, welche Strafe für dich angebracht wäre.“
„Aber...“, beginnt Igor, doch er redet nicht weiter. Er kann seinen besten Freund nicht verraten, das würde er nie tun. „Ja, Herr Lehrer Kuckuck“, sagt er stattdessen und stapft mit hängenden Kopf neben ihm in die Schule.
Als sie weg sind, kommen Fritzl und Strunzl aus ihren Verstecken hervor.
„Oje, oje! Was soll ich denn jetzt machen?“, jammert Fritzl und sieht zu dem Platz hin, an dem sein bester Freund vor kurzem noch gestanden ist.
„Du musst es dem Lehrer natürlich sagen, dass du den Schneeball geworfen hast. Schließlich ist Igor dein bester Freund.“
„Aber ich hab mir gedacht, dass ich beim neuen Lehrer braver sein werde. So hat er ja gleich ein schlechtes Bild von mir.“
Fritzl seufzt und grübelt noch den ganzen Schulweg lang.
Zu Mittag beendet Lehrer Kuckuck den Schultag und die Schüler der 4A der Winterwaldschule dürfen nach Hause gehen. Nur das Igelkind Igor muss nach dem Unterricht noch bleiben, Lehrer Kuckuck hat ihm eine Strafhausaufgabe gegeben.
Fritzl sieht seinen Freund draußen durch das Fenster zu. Den ganzen Tag hat er es nicht übers Herz gebracht, dem Lehrer Kuckuck die Wahrheit zu sagen, aber jetzt da er seinem Freund so sieht, über ein Buch gebeugt und mit traurigem Gesicht, ist sein Herz so schwer, dass er einfach nicht nach Hause gehen kann. Er beschließt zurück in die Schule zu gehen und das Missverständnis aus den Weg zu räumen.
„Was?!“, ruft Herr Lehrer Kuckuck erstaunt, als er die Geschichte von Fritzl hört. Er wendet sich an Igor: „Und du hast die ganze Zeit gelogen, nur um deinen besten Freund zu beschützen?“ Igor nickt beschämt. Ja, er hat den Lehrer belogen, jetzt bekommt er bestimmt eine noch größere Strafe.
Herr Lehrer Kuckuck geht mit verschränkten Händen durch die Klasse und sagt nichts. Die beiden Freunde stehen mit gesenkten Kopf vor dem Lehrertisch. Was würde jetzt auf sie zukommen.
„Igor?“, sagt Lehrer Kuckuck plötzlich.
„Ja?“, flüstert der Igelbub. Am liebsten hätte er sich auf der Stelle eingerollt.
„Igor, du hast mich den ganzen Tag über belogen und getäuscht. Deine Eltern haben dir sicher gesagt, dass man das nicht tut. Oder?“
„Ja, Herr Lehrer“, stimmt Igor zu.
„So ein Verhalten darf nicht geduldet werden, ist dir da klar?“
„Ja, Herr Lehrer“, wiederholt Igor.
„Aaaaaaber“, sagt der Lehrer und lächelt Igor an. „Du hast den ganzen Tag nur versucht, deinen Freund zu beschützen und du hast seinetwegen die Strafe auf dich genommen, nur um ihn nicht zu verraten. Das zeigt von sehr viel Mut und großer Freundschaft. Das ist eine sehr bewundernswerte Eigenschaft. Ich bin stolz auf dich, Igor.“
Der Igel lächelt seinen Lehrer an. „Danke schön!“
„Zur Belohnung musst du die ganze restliche Woche keine Hausaufgabe machen. Die Strafhausübung natürlich auch nicht! Du darfst jetzt nach Hause gehen. Guten Tag!“
Voll Freude verabschiedet sich Igor und verschwindet aus der Tür. Eine Woche keine Hausübung, das ist super!
„Nun zu dir Fritzl!“, sagt Lehrer Kuckuck und sieht den Eichhörnchenbuben mit großen Eulenaugen an. „Du hast Glück, dass du so einen guten Freund hast, und wenn ich dir einen Tipp geben darf, dann hüte diese Freundschaft.“
„Ja, Herr Lehrer Kuckuck!“, pflichtet Fritzl bei.
„Und auch du hast sehr viel Mut bewiesen. Schließlich hättest du jetzt auch nachhause gehen können und deinen Freund die Strafe überlassen. Somit gibt es keine Strafe dafür, dass du mir die Wahrheit bis jetzt verschwiegen hast!“
„Danke Herr Lehrer!“ sagt Fritzl und wendet sich ab, um zu gehen.
„Moooooment!“, ruft der Lehrer ihm nach, „Da bleibt noch die Sache mit dem Schneeball. Man darf andere Tiere nicht überraschend mit einem Schneeball bewerfen! Dafür gibt es sehr wohl eine Strafhausübung. Und zwar musst du das Buch „Uhu Eulenspiegel“ lesen.“, Herr Lehrer Kuckuck gibt es ihm und fügt hinzu: „Eines meiner Lieblingsbücher!“
Fritzl seufzt, verabschiedet sich und verlässt die Klasse. Jetzt hat er also doch eine Strafhausübung bekommen und wird den heutigen Tag auf weitere Schneebälle verzichten müssen, um stattdessen zu lesen. Aber selbst wenn er bis zu seiner Hochzeit lesen müsste, wäre ihm das lieber, als wenn sein bester Freund seinetwegen zu Unrecht Strafe bekommen hätte.