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Frisör - oder doch lieber zum Zahnarzt?
Ich weiß, viele Frauen lieben es zum Frisör zu gehen. Ein paar Stunden Aus-Zeit, sich einfach hinsetzen und verwöhnen lassen. Der Kopf wird mit beruhigenden Bewegungen gründlich shampooniert und durchmassiert, man lässt sich rundum verschönern und trinkt nebenher einen perfekten Cappuccino oder ein Sektchen. Man plaudert über tausend unwichtige Dinge die in diesem Moment jedoch total spannend sind. Man verlässt den Salon mit beschwingtem Schritt und der Tag ist gerettet. Oder etwa nicht? Neeeeeeeiiiiiiiin, ich nicht!!!! Ganz einfach deswegen, weil ich noch keinen Frisör gefunden habe, der mir die Haare genauso schneidet wie ich es will. Ich bin IMMER enttäuscht. Ich seh danach immer schlimmer aus als vorher. Die Haare sind immer zu kurz geschnitten. Ich HASSE es!!!!!
Jetzt wird jede Frau verstehen, warum für mich ein Frisörtermin schlimmer ist als ein Zahnarzttermin oder gar beim Gynäkologen. Genau deswegen habe ich in den letzten zweieinhalb Jahren einen großen Bogen um Frisörsalons gemacht. Nicht dass ich jetzt die ganze Zeit wie eine Vogelscheuche herumgelaufen wäre. Keinem ist irgendetwas aufgefallen. Dank meiner guten Beobachtungsgabe während meiner vielen Frisörbesuche in der Vergangenheit war es mir möglich, meine schulterlangen Haare selbst zu schneiden. Meine Freundinnen fragten immer: „Oh, tolle Frisur, warst du beim Frisör?“
„Nein, war ich nicht. Hab ich selbst gemacht!“
„Echt jetzt?“
Es ist wirklich nicht besonders schwer, wenn man nicht gerade einen ausgefallenen Haarschnitt hat.
Doch in den letzten Monaten beschlich mich immer mehr das Gefühl, dass es jetzt doch mal wieder sein müsste. Meinen Hinterkopf hatte ich beim selber schnippeln immer ein bisschen vernachlässigt, ich kann ja schließlich nicht um mich selbst herumlaufen. Also hatte ich bis dato hinten in sicherlich lustig anzusehenden akrobatischen Über-Kopf-Aktionen immer nur die Spitzen geschnitten.
Das musste sich jetzt ändern. Ich wollte zum Frisör. Der Gedanke erschreckte mich fast. Wollte ich wirklich? Oder war das nur so ein kurzes Aufflammen? Also erst mal abwarten. Mein Gefühl verflog wieder, bis ich meine Tochter zum Frisör begleitete. Eigentlich ist es ja doch ganz schön. Ist doch gar nicht schlimm. Lauter nette Mädels. Todesmutig vereinbarte ich einen Termin für die kommende Woche. Geschafft! Doch ich wurde schwach. Ich hatte Albträume. Sie werden mich bestimmt verstümmeln. Ich werde für mindestens ein Jahr das Haus nicht verlassen können weil ich so schrecklich aussehe. Nein, da geh ich nicht hin. Handy raus, Termin canceln! Vielleicht sollte ich mal googeln ob es da irgendwo einen Kurs gegen Frisörphobien gibt?
Es vergingen mehrere Wochen in denen ich mit meinen Haaren immer unzufriedener wurde. Das selber schneiden wurde immer schwieriger. Eines Morgens wachte ich auf und wusste: Heute kann ich es schaffen! Wenn ich heute einen Frisör finde der mich ohne Termin annimmt, dann zieh ich das Ding durch! Ich trödelte noch ein bisschen rum, dann fuhr ich in die Stadt und peilte den ersten Salon an. Ich beschloss nur dazubleiben, wenn ich dort sofort das Gefühl hätte dass alles passt. Ansonsten: Flucht! Ich schielte unauffällig durchs Schaufenster um die Lage abzuchecken. Sah eigentlich ganz gut aus. Also rein mit mir bevor ich mir die Sache wieder anders überlege. Ein ca. 20-jähriger glattgegelter Jüngling schlängelt sich zu mir vor an den Tresen. Meine Muskeln beginnen sich leicht zu verspannen. Durchhalten! Er informiert mich dass ich mindestens eine halbe Stunde warten muss. Ich sehe darin mein Schlupfloch und sage dass ich dafür keine Zeit habe. Tschüssi, und weg bin ich. Gerade noch geschafft. Als ich mit Herzklopfen im Auto sitze überlege ich mir, ob das alles eigentlich noch normal ist. Ach egal. Ich fahre weiter zu einem wirklich guten und exklusiven Salon. Ich mach mir selbst Mut und rede mir ein, diesmal nicht wegzulaufen. Eine sympathische Lady informiert mich dass ich „nur kurz“ warten müsste. Das sehe ich als positives Zeichen an. Ich nehme auf bequemen Kunstledersesseln Platz und versuche mich zu entspannen. Nach 30 Minuten bin immer noch nicht dran und kurz davor mich unauffällig aus dem Staub zu machen. Gerade als mein Fluchtplan konkrete Formen annimmt werde ich auf den gefürchteten Stuhl gebeten. Es geht los. Jetzt gibt es kein Zurück mehr.
Sicherheitshalber informiere ich die gute Frau gleich über meine Ängste. Schließlich soll sie wissen was los ist wenn ich plötzlich hyperventiliere. Ich sage ihr ganz genau wie ich mir meinen neuen Haarschnitt vorstelle. Natürlich habe ich auch Fotos auf meinem Handy abgespeichert die zeigen wie es hinterher aussehen soll. Ich habe auch ein Foto wie es NICHT aussehen soll. Nur um eventuellen Missverständnissen gleich mal vorzubeugen. Vielleicht hätte es mich gleich stutzig machen sollen, dass sie selbst ihre Haare Raspel kurz trägt. Aber ich will mich ja nicht verrückt machen. Sie berät mich ganz toll und ich werde langsam ruhiger. Es geht zum Haare waschen. Das ist für mich der angenehmste Teil, und ich versuche die Augen zu schließen und jeden Moment zu genießen. So schwer kann das doch nicht sein.
Dann geht es los. Die Kurzhaarige nimmt die Schere und beginnt ihr grausames Werk. Ich sage ihr immer wieder dass ich einen Horror vor kurzen Haare habe, und dass es auf keinen Fall zu kurz werden darf. Ihr Kommentar: „Ihre Haare sind aber wirklich schon sehr dünn, da muss einiges weg!!!“ Ich flehe sie an, nur das nötigste wegzuschneiden, denn ICH WILL KEINE KURZE HAARE!! Ja ja, schon gut. Ich versuche mich abzulenken und beobachte im Spiegel die beiden Damen auf der gegenüberliegenden Seite. Beide bekommen gerade Haubensträhnchen und sehen dementsprechend lustig aus. Ich versuche ihr Gespräch zu verstehen, es geht um einen bekannten Fußballer der undercover in der Stadt sein soll. Gerade als es spannend wird, dröhnt neben mir ein Fön los, und ich verstehe kein Wort mehr. Mist. Also betrachte ich ausführlich die Hochglanzplakate die für diverse Haarpflegeprodukte werben. Solche Haare hätte ich auch gerne. Ein Blick in den Spiegel lässt gibt meinen Ängsten neue Nahrung. Das sieht irgendwie kurz aus. Ich vergewissere mich bei der Kurzhaarigen nochmal, dass sie auch wirklich nicht zu viel weg schneidet. Sie will jetzt anscheinend nicht mehr über dieses Thema mit mir diskutieren, und erzählt mir einfach etwas von ihrem letzten Urlaub. Ich beschließe einfach abzuwarten bis sie mich geföhnt hat, denn in nassem Zustand kann man sowieso nichts Genaues erkennen.
Sie ist fertig. Sie ist stolz. Es gefällt IHR. Ich blicke in den Spiegel und sehe dass ich jetzt kurze Haare habe. SIE ist begeistert. Viel besser als vorher. Das musste alles weg. Das war höchste Zeit. Ich fasse es nicht. Was hat sie mir nur angetan?? Nach jahrelanger Abstinenz wagte ich es, fremde Hände an meinen Kopf zu lassen. Sie wusste doch ganz genau was ich wollte! Warum hat sie mir das angetan? Warum????
Wie in Trance bezahle ich. Zum Trost brauch ich jetzt erst mal ein paar Schuhe. Oder eine Handtasche. Am besten gleich beides. Eine halbe Stunde später habe ich nicht nur Schuhe und Handtasche, sondern auch gleich noch eine supercoole Lederjacke bei mir. Das hilft ein bisschen.
Zuhause stelle ich mich im Bad vor den Spiegel und begutachte mich von allen Seiten. Ok, der Schnitt ist nicht schlecht, aber zu KURZ! Mann und Tochter finden meinen Look toll, doch ich fühle mich immer noch schlecht. Mit allen möglichen Tricks versuche ich das Beste draus zu machen. Durchwuscheln, Gel, Haarspray, stärkeres Makeup, die neue Lederjacke. Es wird schon wieder wachsen. Die Zeit arbeitet für mich. Bestimmt. Inzwischen sind 3 Wochen vergangen, und ich habe mich FAST daran gewöhnt. Trotzdem werde ich so schnell nicht wieder zum Frisör gehen. Ich mach jetzt erst mal einen Termin beim Zahnarzt, da weiß ich wenigstens was auf mich zukommt!