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Frieden im Herzen

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02.11.2007
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Frieden im Herzen

In meiner Nase duftet es ganz herrlich nach Mandarinen und Zimt. Ich bin schon ganz aufgeregt. Bald kommt der Weihnachtsmann und bringt die Geschenke!
„Adrian, gehst Du bitte auf Dein Zimmer?“
„Aber Mama“, erwidere ich. „ich möchte so gerne den Weihnachtsmann sehen! Bitte!“
Meine Mutter schüttelt lächelnd den Kopf. „Du weißt doch, dass er an Heiligabend immer ganz viel zu tun hat. Er kann sich leider nicht mit jedem Kind unterhalten, weißt Du?“
„Ach menno! Mit mir hat er sich noch nie unterhalten!“ Wütend und enttäuscht gehorche ich und verschwinde.
In meinem Zimmer schaue ich aus dem Fenster und halte nach dem Weihnachtsmann Ausschau. Aber so lange ich auch schaue, er lässt sich nicht blicken. Schon nach wenigen Minuten höre ich meine Mutter rufen. „Adrian! Du kannst jetzt kommen!“
Schon ist meine Enttäuschung vergessen und ich kann es kaum noch erwarten, die Geschenke auszupacken. Ich stürme aus meinem Zimmer, laufe die Treppen hinunter und dann stehe ich im Wohnzimmer. In der Ecke steht der festlich geschmückte Weihnachtsbaum und darunter sind die Geschenke. Mit leuchtenden Augen gehe ich hin und ...

Ein Geräusch reißt mich aus meinem Schlaf. Im ersten Moment bin ich noch ein wenig verwirrt, habe ich doch gerade eben noch geträumt. Ich habe das Gefühl, noch immer den Duft von Mandarinen und Zimt in der Nase zu haben. Ich sitze in meinem gemütlichen Schaukelstuhl, vor mir prasselt das Kaminfeuer. Ich stehe auf und gehe zu dem Schrank, der neben dem Kamin steht. Dort nehme ich eine Schatulle aus massivem Holz heraus. Hier sind meine Erinnerungen aufbewahrt. Als Oberstes liegt ein Schwarzweiß-Foto aus früher Kindheit. Neben mir sind meine Eltern abgebildet, die fröhlich in die Kamera schauen. Ich habe ein großes Spielzeugauto in der Hand. Hinter uns ist der Weihnachtsbaum zu sehen, den meine Mutter und meine Schwester immer so schön geschmückt hatten. Eine zeitlang bleibe ich so stehen, das Foto in der Hand. Ich meine, wieder den Duft von Zimt in der Nase zu haben.
Wie es wohl wäre, wenn meine Kinder und Enkel mich besuchen würden? Dann wäre hier in meiner Hütte wieder etwas mehr Leben. Eigentlich vermisse ich mein früheres Leben nicht, doch der Traum und die Fotos haben meine Erinnerungen wieder hochgespült.
Dann schaue ich mir weitere Fotos an, die verschiedene Lebensabschnitte von mir festhalten. Irgendwann kommt auch eine Aufnahme, die mich mit meiner Frau zeigt. Der Gedanke an sie macht mich traurig, vor fünfzehn Jahren ist sie an Krebs gestorben. Ein paar Jahre später beschloss ich, einen Schlussstrich zu ziehen, ein neues Leben anzufangen. Fern von der Hektik des Alltags und den Erinnerungen, die mich mit meiner Frau verbanden. Dennoch brachte ich es nicht übers Herz, die Fotos zu zerstören. Und so zog ich mich in die Einsamkeit der Berge im kalten Finnland zurück. Hier möchte ich meinen Lebensabend verbringen.
Da! Ich höre wieder dieses Geräusch. Es kommt von draußen. Was das wohl sein mag? Ich stelle mich ans Fenster und schaue nach draußen. Möglicherweise ist es ein Bär. Etwa einen halben Kilometer von meiner Hütte entfernt steht ein Wald. Von dort verirrt sich hin und wieder eines der Raubtiere hierher. Die Nacht ist sternenklar und der Mond scheint hell auf den Schnee, so dass es nicht völlig dunkel ist. Ein paar Meter weiter links ist tatsächlich Silhouette einer Gestalt zu erkennen. Ich bleibe am Fenster stehen und beobachte das Tier. Schließlich setzt es sich in Bewegung und erscheint im Licht, das aus meinem Fenster nach draußen scheint. Es ist ein Rentier. Beinahe hätte ich laut aufgelacht. Heute, an Heiligabend verirrt sich doch tatsächlich ein Schlittentier des Weihnachtsmannes hierher! Abrupt hält es inne und blinzelt mich an. Hin und wieder macht sein Maul kauende Bewegungen.
So stehen wir beide einige Minuten da und beobachten uns gegenseitig. Ich genieße den magischen Moment und ein Gefühl von tiefem Frieden breitet sich in meinem Herzen aus. Doch dann wendet sich das Tier von mir ab, verschwindet aus dem Licht und trottet in Richtung Wald.
Auch ich gehe vom Fenster weg und lege das Gewehr wieder in die Halterung. Ich lege eine CD ein und „Stille Nacht, heilige Nacht“ erklingt.

Stille Nacht, heilige Nacht!
Alles schläft, einsam wacht
Nur das traute hochheilige Paar.
Holder Knabe im lockigen Haar,
Schlaf in himmlischer Ruh!
Schlaf in himmlischer Ruh.

Stille Nacht, heilige Nacht!
Hirten erst kundgemacht
Durch der Engel Halleluja,
Tönt es laut von fern und nah:
Christ, der Retter ist da!
Christ, der Retter ist da!
...

Ich liebe dieses Lied, denn es passt wie kaum ein anderes zu Nächten wie dieser. Mit einem leisen Seufzer lasse ich mich wieder auf meinen Schaukelstuhl nieder und beobachte das Feuer. Ich nehme mir fest vor, im nächsten Jahr nach Deutschland zu reisen, um meine Enkel zu sehen. Still lächle ich in mich hinein.
Täusche ich mich, oder hatte das Rentier tatsächlich eine gerötete Nase?

 

Hallo Friedesang,

eine gefällige kleine Geschichte hastu hier niedergeschrieben, die sich in einem Zug lesen lässt.

Einzig die Frage bleibt mir: wohin, entführt uns die Geschichte, in welche Berge hat der Erzähler sich zurückgezogen?

Zunächst tippte ich auf Bayern (wo bekanntlich eine neue Rasse des Braunbären entdeckt wurde Ursus arctos stoiberensis, der „Problembär“ Bruno) und dann – ein Rentier [ren’tįe:] mit „geröteter Nase“. – Kleiner Scherz: natürlich ist ein [’rɛnti:r] gemeint. Also im hohen Norden, aber nicht in Nordamerika, denn dann wäre ein Karibu zu nennen?

Doch wie erklär ich mir bei so viel Friede* die Bewaffnung?

Gruß

friedel

 

Hallo Friedesang,
eigentlich hat mir deine Geschichte ganz gut gefallen. Der alte Mann, der von seiner Kindheit trauemt ( wer macht das nicht zu Weihnachten) und der seinen Frieden in der Natur findet.
Den Liedtext wuerde ich weglassen, da reicht die erste Zeile. Es weiss ja jeder, welches Lied gemeint ist, denke ich mal.
Was ich ein bisschen verwunderlich finde, ist die Sache mit dem Rentier.
Der Mann lebt ja in Deutschland, denke ich mal? Ich bin zwar kein wildlife Experte, aber meiner Meinung nach gibt es Rentiere nur in Nordamerika oder Norwegen oder so. Oder soll gerade das das "Wunder" sein? Dann braucht er die rote Nase nicht noch, finde ich. Das ist dann fast ein bisschen zu viel des Guten und Wundersamen.
viele gruesse,
sammamish

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Friedrichard, hallo sammamish!

Vielen Dank, dass ihr meine Story gelesen und kommentiert habt! Vor allem freue ich mich natürlich, dass sie euch gefiel, das geht runter wie Öl :)!

Der Mann lebt nicht in Deutschland, sondern in Finnland und dort gibt es Rentiere (habe ich zur Sicherheit auf wikipedia nachrecherchiert). Ich werde diese Information umgehend in die Geschichte einbauen!

Zitat von Friedrichard
nicht in Nordamerika, denn dann wäre ein Karibu zu nennen?

Richtig!
Zitat von Friedrichard
Doch wie erklär ich mir bei so viel Friede* die Bewaffnung?

Naja, der gute Mann in der Geschichte muss sich ja hin und wieder vor Braunbären schützen können, die gibt es auch in Finnland (habe ich ebenfalls von wiki :D). Da ist der viele Frieden, alleine schon in meinem Benutzernamen :lol: selbstverständlich ein wenig irreführend, das gebe ich gerne zu :Pfeif:!
Zitat von sammamish
Den Liedtext wuerde ich weglassen, da reicht die erste Zeile.
Oh, meinst Du? Ich wollte so gerne erreichen, dass der Leser dieses Lied im Stillen mitsingt, wenn er den Text liest, dachte, dass wäre wohl für die Atmo ganz zuträglich... mal schauen, wenn es allgemein stört, mache ich es weg! Versprochen! :)

Also, danke nochmal herzlich für eure Kommentare und...

schöne Grüße vom
Friedlichen Gesang

 

Hallo Friedesang,

nicht, dass mir deine Geschichte nicht gefallen hätte, ich finde sie nur zu wenig zwingend im Aufbau.
Dein Protagonist träumt vom Weihnachten seiner Kindheit, erinnert sich dann aber an Erfolg, Frau und Kinder. Der Traum als einleitende Erinnerung bleibt sozusagen auf der Strecke. Über die Erinnerung erzählt er uns, dass er jetzt in Finnland lebt, hört ein Geräusch, denkt völlig unweihnachtlich an Bären, dabei war er aus dem Traum doch schon weihnachtlich geprägt. Erst das Rentier bringt ihn wieder dazu, nein, auch das nicht, erst das Lied, lässt ihn die rote Nase gesehen haben.
Mir erscheint das alles etwas zufällig, weshalb ich in der Geschichte ein bisschen die Bindung der einzelnen Elemente vermisse, so in etwa als wären die richtigen Teile eines Ikeaschranks in falscher Weise zusammengebaut.
Das finde ich in sofern schade, dass der Friede im Herzen des Prots mich so nicht erreicht.
Details:

Und so entschloss ich mich, in die Berge zu ziehen, wo ich meinen Lebensabend verbringen wollte
wie wäre es mit "um dort meinen Lebensabend zu verbringen"?
Da! Ich höre wieder dieses Geräusch. Es kam von draußen
Tempus

Lieben Gruß
sim

 

Hallo sim!

Erst einmal vielen Dank für's Lesen und Kommentieren. Wenn ich Deine Kritik richtig verstanden habe, gibt es in meiner Geschichte einige Elemente, die das Gefühl von Weihnachten (zer-)stören (Erinnerung an Erfolg, der Gedanke, es könnte ein Bär in der Nähe der Hütte sein). Ich werde mal versuchen, dies in der Geschichte auszubessern.
Die Zitate, die Du aus meiner Kg herausgenommen hast, werde ich auch gleich korrigieren.

nicht, dass mir deine Geschichte nicht gefallen hätte

Schön, dass sie Dir trotzdem gefallen hat :).

Schöne Grüße
Friedesang

 

Friedesang, du hast mich fast richtig verstanden. Diese Elemente stören nicht, ich finde sie nur falsch platziert. Es scheint eher deren Timing zu sein, als deren Existenz.
Beispiel: Über den Traum könnte dein Prot erstmal ein bisschen in seiner Kindheitserinnerung bleiben, dann an die leuchtenden Augen seiner Kinder zur Bescherung denken, an ein Ritual, welches er von seinen Eltern übernommen und durch ein anderes, welches seine Frau mit in die Ehe gebracht hat, ergänzt hat. Auch müsste die Verbindung zu den Bergen Finnlands früher entstehen, vor dem Tod seiner Frau. So bleibt die Frage, warum er sich gerade dafür entscheidet, als er etwas Neues sucht.
Auch erscheint es mir, so seine Kinder noch leben, merkwürdig, dass er nicht einmal darüber sinniert, wie schön für sie und vielleicht auch seine Enkel Weihnachten in Finnland wäre oder sie in dieser festlichen Stimmung überhaupt irgendwie bedenkt. Hey, er ist fast in Weihnachtsmanns Heimat, da passt der Friede natürlich, aber der Friede schließt das nicht ein, was er geliebt hat. Stattdessen nur ein Lied, das in keiner Beziehung zum Rest seines (früheren) Lebens steht.
Mir fehlen also eher die Bindungen, als das mich etwas in der Weihnachtsstimmung störte, was da mE nicht hingehörte. Den Braunbären als Wappentier Finnlands einzuarbeiten, finde ich sogar eine gute Idee. :)

Lieben Gruß
sim

 

Alles klar!
Habe die Geschichte bereits geändert, während Du Dein zweites Posting geschrieben hast und die Sache mit der Kindheitserinnerung habe ich bereits etwas ausgeweitet.
Deine weiteren Vorschläge werde ich auch so gut es geht berücksichtigen.

Schöne Grüße nochmal
Friedesang

 

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