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FriDA!
FridDA!
Oma Frida hatte zahme Haare, wilde Augen, ein verrücktes Lächeln und verschrobene Ideen.
Doch eines Tages fing sie an, Vergessen zu essen.
Morgens zum Kaffee und Marmeladenbrot gab es einen Klecks bitteres Vergessen von Gestern dazu.
Mittags zum Grießbrei mit selbst gepflückten Kirschen aus dem duftenden Garten aß sie ein bisschen saures Vergessen, über das eigene Leben.
Abends, tunkte sie ihre Wurststulle in ein bisschen deftiges Vergessen, vom Leben und wie man es meistert.
Im Magen angekommen, breitete es sich in ihrem ganzen Körper aus. Und machte schwarz, was vorher bunt war.
Nicht alles Vergessen passte in diesem Körper. Den Rest verstaute sie zittrig und ängstlich in eine Schachtel.
Diese Schachtel wurde mit jedem vergessenden Moment, mit jedem neuen Tag, grösser und grösser. Bis Oma Frida selbst vergaß, das Vergessen in die Schachtel zu packen. Das Vergessen breitete sich nun überall aus. Es hing an ihr wie ein kleines hilfloses Kind, das sich nach Nahrung, nach Aufmerksamkeit verzehrte. Es zog an ihr, zog sie abwärts. Es fiel ihr schwer, aufzustehen. Auf ihrem Gesicht lag Vergessen, auf ihren Armen, Beinen und ihrem Bauch.
Eine Stelle ihres Gesichtes war lange vom Vergessen vergessen. Ihr Mund war noch da, denn da hing einst ein liebestoller zart-wilder Kuss.
Es war der letzte Kuss, ihrer großen Liebe, die im Krieg verschwand.
Doch selbst diese Stelle, wurde irgendwann stumm, da wohnte sie schon lange nicht mehr zu Hause.
Sie lag wirr im Pflegeheim.
Mit diesem Schachtelmonster von Vergessen in ihren Händen.
Und überall Vergessen um sie herum.
Als ich sie besuchte, nahm ich ihr die Schachtel weg und versuchte ich all ihr Vergessen einzufangen. Ich öffnete das Fenster, so dass das Vergessen hin aus flattern konnte, in der Hoffnung, dass meine Oma wieder zurück kam und die wurde, die sie einst war.
Doch es war vergebens. Erinnerte nur ich mich allein an unsere gemeinsame Zeit vom Brotbacken, Hühnerfüttern, unsere Streitereien, unsere Versöhnungen, die Spaziergänge am Abend... ?
Als ich bemerkte, dass sie mich ansah, wusste ich es war so und auch ich entdeckte mein eigenes Vergessen!
Es war eine andere Oma Frida, sie hatte nun wilde Haare, zahme Augen, ein verschrobenes Lachen und verrückte Gedanken. In Liebe nahm ich sie in den Arm. Und eine Träne von mir floss ihre Wange herunter, da streichelte sie mein Gesicht und sagte: „Diese äh, wie sagt ihr, ähm Spaziergänge, ja Spaziergänge mit dir,.... ja der Spaß gemeinsam, äh was wir alles zusammen gemacht haben, taten gut.... taten so gut, du....Hörst? Ähm... ja.... Du, es war eine schöne Zeit mit dir!“ Da wusste ich, dass sie noch da war.