Was ist neu

Freundschaft (AT)

Mitglied
Beitritt
23.08.2011
Beiträge
1

Freundschaft (AT)

Kennt ihr schon die Geschichte von dem Mädchen, das unter einer Laterne aufhörte zu weinen?
Sie hieß Teresa, war 9 Jahre alt und saß nun schon seit zwei Tagen unter dieser einen Laterne mit dem schiefen Mast. Es war eine alte Gaslaterne, die in der Dämmerung mit einem leisen Knistern ihre Umgebung in ein angenehmes Licht hüllte und im Morgengrauen geräuschlos erlosch. Jeden Tag liefen an ihr hunderte von Menschen vorbei, denn sie stand direkt in der Fußgängerzone von Breslau, einer der schönsten und reichsten Städte Polens.
Wenn Teresa nicht gerade mit ihren kastanienbrauen, gewellten Haaren spielte und dabei die Leute beobachtet, die vorbeiliefen, unterhielt sie sich mit ihrem alten Freund Kolja, dem Teddybären, den sie zu ihrer Geburt geschenkt bekam. Das linke Knopfauge von Kolja hing nur noch an einem Faden und drohte bei der kleinsten unbedachten Berührung abzureißen und auf den Boden zu fallen, also beschützte Teresa ihn Tag und Nacht und hielt ihn immer ganz vorsichtig im Arm. Vor einiger Zeit hatte sie ihm ein kleines blaues Jäckchen gestrickt, ihm liebevoll übergezogen und mit den beiden Knöpfen an der Vorderseite verschlossen. Daraufhin sagte sie ihm jeden Tag: "Kolja, du hast so eine schöne Jacke an, du wirst mir nicht erfrieren, dafür sorge ich. Du bist mein bester Freund."
Bevor sich die zwei auf den alten Pappkarton an die Laterne setzten und sich dort langsam wohlfühlten, hatten sie einen warmen Platz direkt über dem Lüftungsgitter einer Bäckerei, die sich im Keller eines 3-stöckigem Wohnhauses nur zwei Straßen weiter befand. Die Innenseite ihrer grauen Jacke duftet immer noch nach frisch gebackenem Brot und immer wenn sie daran roch, erinnerte sie sich wie die alte Frau Zieliński ihr Tag für Tag nach ihrer Arbeit ein Stück Brot und eine Flasche Milch genau vor die Füße legte.
Frau Zieliński hatte nur ein einziges Mal mit Teresa gesprochen. Sie war eine nette Frau, doch Teresa hätte es lieber gehabt, wenn sie sich niemals mit ihr unterhalten hätte.
Eine Stunde lang hat sie sich neben das Mädchen mit der kaputten, rosanen Hose und den kleinen schwarzen Schühchen gehockt und über alles Mögliche mit ihr geredet. Sie haben sich blendend verstanden, doch bevor die alte Dame ging sagte sie zu ihr: "Du kannst nicht länger hier bleiben. Mein Chef hat beobachtet wie ich das Brot und die Milch aus der Bäckerei mitgenommen und es dir gegeben habe. Er hat gesagt, dass ich dich vertreiben soll, sonst muss ich mir einen neuen Job suchen. Es tut mir leid." Das war das letzte was Frau Zieliński gesagt hatte. Sie stand auf, gab Teresa mit einem zärtlichen Händedruck einen 20-Złoty-Schein, drehte sich um und ging.
Die 9-jährige starrte an die 30 Minuten auf das Geld. Bunt war der Schein und auf ihm war ein Mann mit einer Krone und einem komischen Schnurrbart und auf der anderen Seite irgendein rundes Teil mit einem Hahn in der Mitte. Mit den Zahlen und Buchstaben, die darauf zu sehen waren konnte sie nichts anfangen. Also faltet sie das bunte Stück Papier so klein wie möglich zusammen, steckte es in Koljas Jackentasche, sagte lächelnd: "Bitte schön." und ging Richtung Fußgängerzone.
Durch ihre viel zu engen Schuhe konnte sie nicht sehr lange laufen ohne Schmerzen zu haben und ab einem gewissen Punkt bei jedem Schritt die Augen zusammen zu kneifen, also schaute sie sich nach dem nächstbesten Ort um, an dem sie vor Wind und Kälte einigermaßen geschützt war. Ihre Wahl fiel auf die Laterne mit dem schiefen Mast, welche genau zwischen zwei großen Pflanzkübeln und gegenüber einem kleinen Café stand. Im Sommer hätte sie von hier aus die Leute, die sich vor das Café setzten und ein Stück Kuchen aßen, wunderbar beobachten können, aber es standen weder Tische noch Stühle vor dem großen Fenster mit den kleinen Kaffeebohnen an der rechten oberen und der linken unteren Ecke. Auch die Pflanzkübel waren keinesfalls mit farbenfrohen Blumen dekoriert, in ihnen steckten lediglich 3 bis 4 Tannenzweige.
Es war bereits früher Abend und zum ersten Mal in diesem Winter wirklich kalt, als ihr von einem Hund Kolja aus dem Arm gerissen wurde. So schnell sie konnte sprang sie auf und rannte los. Den Namen ihres Freundes schreiend lief sie kreuz und quer durch die Fußgängerzone. Die Schmerzen in ihren Füßen ignorierte sie einfach. Alles was sie wollte war Kolja, doch der Hund und ihr Teddy waren weg. Als sie nun doch merkte wie sehr ihr die Füße wehtaten blieb sie stehen und fing leise an zu weinen.
Sieben Monate ist es nun schon her, seitdem sie von zu Hause weggelaufen ist. Ihr Vater hatte nie versucht sie zu finden. Warum auch? Schließlich war sie ihm nur im Weg und er hätte sie an dem Abend bevor sie weggerannt ist mit seinen Schlägen fast umgebracht. Wo ihre Mutter ist weiß sie nicht. In den ersten 3 Monaten hatte sie versucht sie zu finden, aber hat es dann doch Aufgeben und auf der Straße gelernt wie man über die Runden kommt.
Teresa machte sich auf den Weg zurück zu ihrer Laterne. Mit gesenktem Kopf, Tränen in den Augen und einer laufenden Nase ging sie über das Kopfsteinpflaster der Altstadt. Kurz vor ihrem Platz stellte sich ein großer Mann ihr direkt in den Weg. Teresa schaute nach oben und sah den Mann an. Er lächelte und gab ihr Kolja. Sie riss ihm den Teddy aus der Hand, bedankte sich freudestrahlend aber weinend und drückte ihren Freund so fest sie konnte an sich.
An der Laterne angekommen war es bereits stockdunkel. Immer weniger Menschen liefen an ihr vorbei, als sie ihren Kolja Zentimeter für Zentimeter untersuchte. Auf den ersten Blick war alles normal. Die Nähte waren heil, sein lächelnder Mund lächelte immer noch, seltsamer Weise hing sein linkes Knopfauge weiterhin an dem Faden, um den sie sich am meisten sorgte, und die Jacke...die fehlte. Kolja war unbeschadet, nur das blaue Jäckchen fehlte. "Ist nicht so schlimm Kolja, morgen früh finden wir deine Jacke schon irgendwo."
Teresa lehnte sich an die Laterne und bemerkte, dass es angefangen hatte zu schneien. Es wurde immer kälter und mittlerweile war schon der ganze Boden mit einer hauchdünnen Schneeschicht bedeckt. Die ganze Zeit hatte sie nicht aufgehört zu weinen und nun ist es schon um die zwei Stunden her, seitdem ihr Kolja entrissen wurde. Vorwürfe plagten sie. Sie schaute ihren Freund immer wieder an, sah zu wie der Schnee langsam an ihm kleben blieb und schon anfing kleine Klümpchen zu bilden, wie der Wind die letzten freistehenden Härchen hin und her bewegte und wie es den Anschein machte, dass der Teddy aufhörte zu lächeln.
Als sie Kolja ihre Jacke so angezogen hatte, dass nur noch sein Kopf herausschaute und von der viel zu großen Kapuze bedeckt wurde, sagte sie zu ihrem Ein und Alles: "Kolja, du hast so eine schöne Jacke an, du wirst mir nicht erfrieren, dafür sorge ich. Du bist mein bester Freund."
Teresa hörte auf zu weinen, schloss ihre Augen und schlief lächelnd ein.

 

Hej Tatentoni,

die Anrede im ersten Satz würde ich benutzen, wenn ein entsprechendes Publikum vor mir sitzt, bzw. angesprochen werden soll. Sie legt nahe, dass es sich um eine Geschichte mit einem vergnüglichen oder spannenden, meinetwegen auch gruseligen Inhalt handelt.
Deine Geschichte erzählt aber vom traurigen Alltag eines Kindes, das auf der Straße lebt (obwohl es nicht abgebrüht genug wirkt, um mehr als ein paar Tage ohne Dach überm Kopf hinter sich zu haben), da finde ich so einen Start unpassend. Selbst wenn ich versuche, einen (ebenfalls unpassenden) Zynismus herauszulesen, kann ich mich nicht damit anfreunden.

Dass ein Kind, das auf der Straße lebt einen Teddybären haben kann, zu dem es eine Beziehung aufbaut, halte ich für möglich. Das ganze "Freundschaft" zu nennen, so weit würde ich nicht gehen.
Dass Teresa mit ihren neun Jahren aber nicht weiß, was sie mit Geld anfangen soll, das halte ich für eine Finte des Autors. Oder ist Teresa in irgendeiner Form zurückgeblieben?

Gegen Ende vertust Du Dich mit den Zeiten, z.B. hier :

Sieben Monate ist es nun schon her, seitdem sie von zu Hause weggelaufen ist.
Sieben Monate war es nun schon her, seit sie von zu Hause weggelaufen ist.

Auch das Ende klingt geschönt. Sie zieht den Teddy an und sich aus, anstatt ihn einfach unter die Jacke zu schieben, wo er nicht nur vor der Kälte, sondern auch vor Hunden und anderen Kindern geschützt wäre.

Insgesamt wirkt die Geschichte auf mich romantisch verklärend. Hat mich vom Inhalt her nicht so überzeugt.

Trotzdem herzlich willkommen hier.

LG
Ane

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom