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Freundinnen

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01.09.2002
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Freundinnen

„Hände sind komisch!“, dachte Mara.
Sie saß am Tisch und musterte konzentriert ihre Finger, ihre Nägel, ihre Haut.
Drückte sie ihren Mittelfinger auf den Tisch, zeigten sich die Sehnen auf dem Handrücken, ballte sie ihre Hand längere Zeit zur Faust, traten die Adern unnatürlich hervor.
„Komisch so eine Hand“, ging es ihr abermals durch den Kopf.

„...und da sagte ich zu ihm: „Nicht mit mir, mein Lieber. Ich bin doch hier nicht der Esel, auf dem alles abgeladen wird. Da hat er dumm geschaut, mein Herr Gatte.
Mara, hörst Du mir eigentlich zu?“

Ihre Augen schnellten hoch, als sie ihren Namen hörte, ihre Hände verschwanden vom Tisch; landeten begleitet von einem dumpfen „Platsch“ auf ihren Oberschenkeln.

„Bitte?“
„Du hörst mir nicht zu!“, klagte Bianca.
Ihre Freundin, ihre liebe, nervige Freundin Bianca.
„Natürlich höre ich Dir zu. Du hast Dich mit Frieder gestritten.“
Diese Antwort passte immer und war zugleich Biancas Stichwort.
Sie nahm schnell einen Schluck ihres inzwischen kalten Kaffees und setzte wieder an, sich über ihren Mann, ihr Eheleben und ihre Kinder zu beklagen.

Maras Hände fanden den Weg zurück auf den Tisch.
Sie kannte Biancas Geschichten in und auswendig.
Sie hätte ihr sagen können, dass es sie nicht interessierte, ob sie nun drei oder fünf Stunden gekocht, gewaschen, gespült oder gestritten hatte.
Sie hätte sagen können:“ Erzähl das alles nicht mir, erzähl das Frieder!“
Sie hätte auch aufstehen und gehen können, doch das alles tat sie nicht – sie war schließlich Biancas Freundin.
Sie meditierte über ihren Händen und erinnerte sich an Vergangenes.

In der Schule hatten sie sich nicht kennengelernt. Mara hatte nie eine dieser typischen Schul - Busenfreundinnen gehabt.
Sie hatte immer Menschen um sich gehabt, mit denen sie gut auskam.
Freundinnen hin oder her, sie war sich oft selbst genug gewesen!
Dann aber hatte sie Bianca kennen und schätzen gelernt.
Bianca, die immer alles regelte, organisierte, Bescheid wusste und dabei immer so unglaublich gut aussah.

Shoppingtouren, Schönheitstage und Lästereien, all das hatten sie miteinander erlebt und all das hatte sie einander näher gebracht.

Doch in letzter Zeit, hörte Bianca nicht mehr auf zu meckern.
Frieder tut dies nicht, Frieder tut das nicht, die Kinder wollen dies, die Kinder wollen das... so ging das jedes Mal, wenn sie sich trafen. Und Mara, als Biancas beste Freundin war die Hauptleidtragende in diesem Spiel.
Aber sie konnte nichts sagen.
Sie konnte einfach nicht.
Das tat man als beste Freundin doch auch nicht, oder?
Sie fixierte ihre Hände, als könne sie auf ihnen eine Antwort finden.
Aber da war nichts – Leere, Stille!
Stille...
Mara schaute auf und sah, dass sie nichts sah.
Bianca war weg.
Mara blinzelte, doch das hübsche Gesicht ihrer Freundin tauchte nicht auf!

„Was..?“, sie drehte sich um, suchte das kleine Cafe, das für die beiden zum zweiten zu Hause geworden war, mit geübtem Blick ab.
„Nichts – wo ist sie denn nur hin?“
Vielleicht auf die Toilette, aber da hätte sie doch was gesagt!
Vielleicht kurz nach draußen, Luft schnappen.
Nein, es regnete.

„Das gibt es doch nicht!“, Mara suchte den Tisch nach irgendwelchen Hinweisen ab, doch da war nichts.
Bianca war wie vom Erdboden verschluckt.
Langsam kam Mara ein unangenehmer Gedanke.
Ob Bianca einfach gegangen war, weil sie – Mara – ihre Hände angestarrt hatte, statt zuzuhören?
Wenn ja, dann war das furchtbar unangenehm!

Sie war abwesend gewesen, aber dass Bianca einfach so gehen konnte, ohne dass sie etwas bemerkte?
Während sie so dasaß und grübelte, zwirbelte sie unentwegt eine Haarsträhne um ihre Finger.
Sie war – mal wieder – so in Gedanken, dass sie aufschrie, als ihr jemand auf die Schulter fasste und sagte: „Laß das, das gibt nur Spliß!“
Einen Moment schienen alle Anwesenden den Atem anzuhalten.
Mara drehte sich um und sah ihre Freundin Bianca.
„Himmel, warum hast Du Dich so erschreckt! Ich bins doch nur!“, schmunzelte die verschollen Geglaubte.
„Wo warst Du?“, klagte Mara.
„Ich war auf der Toilette und habe dann bezahlt, weil wir jetzt gehen müssen, um pünktlich im Kino zu sein! Das habe ich doch gesagt.“ Mara blickte schuldbewusst geradeaus direkt auf Biancas flachen Bauch.
„Ja!“, sagte sie gedehnt.
Jetzt wurde es gefährlich.
Einen Moment lang zog Mara in Erwägung, den Kinotermin platzen zu lassen und statt dessen Bianca ins Gebet zu nehmen.
Doch dann sah sie in den Augen ihrer Freundin das kecke Blitzen, die Freude über den Abend mit der Freundin, ohne Kinder und Mann.
Und dann fiel aller Ärger von Mara ab.
Sie schämte sich geradezu, dass sie so unfair zu Bianca gewesen war.
Tief im Innern sagte zwar eine Stimme: “Was ist denn jetzt mit Dir, gerade warst Du noch so sauer...!“, doch unerklärlicher Weise konnte sie Bianca jetzt verstehen.

Sie, Mara, hatte schließlich niemanden, um den sie sich kümmern musste, niemanden, der die Aufmerksamkeit von ihr verlangte, die Bianca jeden Tag für ihre Familie aufbringen musste.
Mara konnte sich um sich selbst kümmern und war schon damit manchmal überfordert.
Bianca musste stets für andere da sein, immer parat, immer konzentriert und schaffte das auch noch.
Um sie aber kümmerte sich ja eigentlich niemand.
Mara schluckte. Sie war so unfair gewesen.
Als Freundin war sie der Mensch, der sich um Bianca kümmern sollte.
Und was hatte sie getan?
Ihre Hände angestarrt!
„Genug jetzt!“, hörte sie sich sagen.
„Bitte?“
„Ach, nichts.“ Mara packte ihre Tasche, ihre Jacke und schließlich Biancas Arm.
Sie würde jetzt für ihre Freundin da sein, so wie sie immer für sie da war.
Die beiden schlenderten aus dem Cafe Richtung Kino.
Der Regen hatte sich verzogen und frische Luft hinterlassen.
Gerade so, wie das frische Freundschaftsgefühl, das sich wieder neu in Mara geregt hatte.
Sie schmunzelte über ihre Gedanken, legte den Kopf in den Nacken, atmete tief ein und pustete alle stummen Vorwürfe, die sie Bianca gemacht hatte, aus ihrem Kopf.

Die Gefährtin an ihrer Seite lächelte auch.
Was Mara da wohl wieder machte, fragte sich Bianca.
Doch sie versuchte gar keine Antwort zu finden, sondern legte ihrer Freundin den Arm um die Schultern.
„Gehen wir nach dem Kino noch einen Cocktail trinken?“, fragte sie.
Mara blieb kurz stehen und sagte dann bestimmt: “Einen ? Oder zwei oder drei...!Wir müssen das doch ausnutzen, dass Du mal „Freigang“ hast. Und keine Angst. Wenn Du betrunken bist und alle Männer anbaggerst, werde ich mich rettend dazwischen werfen. Ich will schließlich nicht Schuld sein, wenn Frieder demnächst die Scheidung einreicht!“
Sie lachten beide.
„Da brauchst Du keine Angst haben. So sehr ich mich manchmal über ihn aufrege, so sehr liebe ich ihn auch! Und dich, meine Liebe,“ sie drückte Mara einen Kuß auf die Wange, „dich auch!“
„Dito!“, sagte Mara und war plötzlich sehr glücklich, Bianca zur Freundin zu haben.

 

Hallo flashlight,

die Geschichte hat irgendwie was vom "Wohmann" - Stil (jetzt speziell nur auf die eine Geschichte bezogen), erinnerte mich stark an "Der Antrag". Nur, dass hier kein Antrag gemacht wird, sondern eine Freundin sich ihrer Position und Loyalität bewusst wird.
Die Geschichte lässt sich angenehm lesen, nur stelle ich mir momentan die Frage, ob die Umsetzung ihrer voll und ganz genügt... Mag die Skepsis vielleicht auch daran liegen, dass mich die Geschichte vom Inhalt her nicht besonders angesprochen hat.

So eine, wie Nelly für Ilse, den Trotzkopf gewesen war, hatte es für Mara nie gegeben.
"So eine, wie Nelly für Ilse, den Trotzkopf, gewesen war, hatte es für Mara nie gegeben."


Gruß, Hendek

 

Hallo flashlight.

Das, was Hendek da zitiert hat, würde ich weglassen- man muß erst mal überlegen- Trotzkopf- da war doch was-Jugendbuch für Mädchen? Das reißt mich raus aus deiner geschichte, die ich übrigens dufte finde.
Der erste Satz macht neugierig, und die Situation, was Bianca da erfährt, ist gut beschrieben und kann ich prima nachvollziehen.
Schön, wenn eine geschichte von einem Moment lebt, und keine wilden Abenteuer braucht, um interessant zu sein.

Grüße, alex.

 

Guten Morgen!
Ist ja unglaublich - was lange währt wird gut.
Hätte nicht gedacht, dass sich noch jemand zu der Geschichte äußert!
Vielen Dank!

JA, das mit dem "Trotzkopf" ist tatsächlich etwas überflüssig, werde ich rausnehmen.
Ansonsten noch schöne Grüße
flashlight

 

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