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Fremde in der Heimat
Ich bin schon in besseren Hotels als dem „Sun City Hotel“ abgestiegen. Dass das Frühstück aus Bohnen in Tomatensauce und einer Stunde gezogenem Schwarztee bestand, war noch der angenehmste Aspekt. Auch die Christbaumleuchtgirlande über der Rezeption und dem Eingang schien für umgerechnet 15 Euro pro Nase und Nacht noch angebracht. Ein Highlight war die auch für gehbehinderte Einbrecher leicht zu erreichende Feuertreppe vor meinem Fenster. Allerdings hätte wohl nur ein geistig behinderter Einbrecher mit Neigung zu exotischen Krankheiten und Armut einen Einbruch gewagt. Immerhin, außen an meiner Zimmertür befand sich deutlich und gut lesbar ein „Notausgang“-Schild, um auch den anderen Hotelgästen eine Fluchtmöglichkeit zu eröffnen. Dementsprechend sah meine Zimmertür auch schon aus wie mehrmals eingetreten. Eine Gemeinschaftsdusche, ein Etagenklo und ein Zimmer, in dem seit Jahren nicht geputzt wurde, erlaubten einen Einblick in die heimische Flora und Fauna. Etwas störend war der Kleiderschrank mit einem großen Loch in der hinteren Wand und seine Vorwärtsneigung, die jede Unterbringung von Kleidern aus Sicherheitsgründen verbat (wer will schon nachts im Bett von seinem Kleiderschrank erschlagen werden). Die mit Fäkalien verstopfte Toilette erlaubte die Feststellung, daß wir uns südlich des Äquators aufhielten (rechtsdrehender Strudel). Trotz eines rückwärtig gelegenen Zimmers war mein Schlaf etwas unruhig, da ich das Zimmer über der Jukebox und dem Fernsehraum bewohnte und beim Hotelbau etwas gespart wurde. So hatte ich gerade mal von ca. 2:00-6:30 relative Ruhe, nur gestört durch nächtliche Toilettenbesuche meiner betrunkenen Mitbewohner. Immerhin, erfreulicherweise lag die Toilette direkt neben meinem Zimmer. Diese Toilette sollte am nächsten Tag zu meinem besten Freund werden. Ich kann mich zwar nicht mehr daran erinnern, aber ich muß Folgendes zu Papier gebracht haben: „Als ich beim Mittagessen in der Sonne saß, habe ich mir meinen ersten Sonnenstich eingefangen. Mann bin ich breit in der Birne. ausserdem habe ich grade auf der Suche nach einer Sprachschule den Strassenstrich entdeckt. Boah bei mir dreht sich alles, und es kann nicht an gestern liegen, weil heute morgen war alles ok. Ich fühle mich wie auf dem schnellsten Karussell der Welt.“ Danach muß mein Körper beschlossen haben die 2 Expressausgaenge zu nutzen. Ich glaube, dabei hätte mir ein kurzer Rock ziemlich geholfen. Am nächsten Tag haben mich einige der anderen Gäste nicht mehr gegrüßt, weil sie dachten, ich hätte unter Drogeneinfluss das Klo vollgereihert. Und wer mich kennt, kann ihnen diesen Gedanken nicht wirklich übel nehmen...
Seit gestern lebe ich in einer muslimischen Gastfamilie; eigentlich will ich eine eigene Wohnung, aber für die nächsten 1,2 Wochen tut's das auch. Eine spiessige Hausfrau, ein fleissig arbeitender Vater und ein Neffe, die ein stinknormales Vorstadtleben geniessen. Die ganze Familie spielt ein Instrument und alle sind Brillenträger. Nichts fuer mich, aber doch mal sehr sehenswert. dann gibt es da noch einen 18- und einen 19-jaehrigen saudiarabischen Gastschüler. beide sehr nett, auch wenn der eine nur "i don't understand" sagen kann, aber das immerhin wirklich oft am Stück. Allerdings hätte ich sie vom ersten Eindruck auf 14 geschätzt. Auch auf den zweiten Eindruck sind sie nicht viel älter: Heute haben sie mit dem Neffen meiner Vermieterin den ganzen Tag das Einkaufszentrum unsicher gemacht, "to talk to the girls". Was mich etwas schockiert, der Neffe ist 26...nächstes Mal gehe ich da vielleicht mit, mal sehen was abgeht...
Mein Geld reicht nur noch für zwei Monate. Und das obwohl der Rand (die heimische Währung) in den letzten 2 Wochen um 20% abgewertet wurde. Somit bin ich ohne einen Funken Einsatz um 20% reicher geworden. Ich liebe das Spekulantendasein, arbeiten ist nur was für SPD-Wähler. Leider reichen 2 Monate nicht zum Aufbau einer eigenen Haschplantage, aber in dem Bereich ist Südafrika sowieso kein Entwicklungsland. Ich bin mir ziemlich sicher, dass nächsten Sommer vor der Haustür meiner Gastfamilie eine Haschplantage erblüht. In meinem zu einem sensationellen Preis erworbenen Gras (ca. 15 Euro, eine ganze Woche dicht, und kein Ende abzusehen) sind nämlich jede Menge Samen, die sofort nach ihrer Entdeckung (ich arbeite mich langsam aber stetig vorwärts) aus dem Fenster Richtung Vorgarten verschwinden. Vielleicht sollte ich meiner jetzigen Gastfamilie im Sommer doch mal einen Besuch abstatten. Dies auch im Anbetracht der Diskussion, die wir gestern am Frühstückstisch führten: Da hat mein Gastgeberpapa der Mama erklärt, warum Männer und Frauen zwar gleich, die Männer aber doch ein klitzekleines Stück überlegen sind und deswegen die Frauen immer beschützen. Vor was nur? (ich denke mir, eigentlich nur vor den anderen Männern, oder?) deswegen müssen die Männer in einer Beziehung auch immer die Führung übernehmen. Diese Stelle fand ich besonders interessant, insbesondere weil es in meiner Beziehung dafür schon viel zu spät ist. Kurz danach hat er mir dann erklärt, warum die Amerikaner und natürlich die Juden die Welt beherrschen (wollen). Sympatisch, nicht? Anstrengender sind nur die Nächte. Die veranstalten hier ein komplettes Blechblasorchester, mit Erst- und Zweitbesetzung und Vater als zeitweiligem Hornmarschsolist. Heute steuere ich erstmal los und schau in der Uni, ob ich irgendwelche WG's finde, die mir vor muslimischer Verfolgung Asyl gewähren.
Nun habe ich endlich eine eigene Wohnung. Schnuckelig, zentral gelegen und doch ruhig. Mit allem technischen Schnickschnack von der Mikrowelle über Toaster und Teekocher. Das beste: Jedesmal wenn ich auf meiner Toilette spüle, wird meine Sitzfläche von unten gesäubert. leider mit kaltem Wasser und wenn man nicht draufsitzt, verwandelt sich mein Badezimmer in einen See. Bezaubernde Alternativen. Ertrinken oder erfrieren. Die letzte Woche hatte ich Grippe, weshalb ich das Interieur meiner Wohnung erst richtig geniessen konnte. Etwas Abwechslung bringen meine kleinen insektoiden Untermieter, herzlose Gestalten wuerden sie wohl Riesenkakerlaken nennen. Aber der Mann ist ein Jäger, auch und gerade wenn er schon gebunden ist. So gönne ich mir hin und wieder eine spannende Safari in meine Küche. Ausserdem habe ich endlich einen Anreiz, meinen Müll jeden Tag rauszubringen. Coolerweise habe ich hier einen Kinokanal. Heute morgen habe ich „Pretty Woman“ mit Julia Roberts gesehen. Ich bin wohl der einzige heterosexuelle Kerl auf der Welt, der beim dritten Mal schauen immer noch Rotz und Wasser heult, weil die Verkäuferinnen so gemein zu ihr sind.
Derweil zieht mein Vermieter (um die 60, weiss, 3 riesige Wohnblocks, geschätztes Monatseinkommen 100.000 Euro), Khakishorts (entweder hat er 10 gleiche Paare oder er ist sehr sehr sparsam und wechselt sie nur alle drei Wochen) und ein Hemd, durch das man seinen gewaltigen Bauch (fuer irgendwas muss man ja Geld ausgeben) sehen kann mit zwei schwerbeladenen schwarzen Traegern wie eine Karawane an meiner Wohnung vorbei.
Seit einigen Tagen stürmt es hier erbärmlich. Mir geht’s klasse, so fällt mir das Eingewöhnen leichter und ich vermisse Deutschland nicht so sehr. Es regnet so stark, dass mein Appartment sich in einen Swimmingpool verwandelt hat. Trotz Eimern, vielen Wischtüchern und was die moderne Zivilisation sonst noch zu bieten hat, die schiere Masse der eingedrungenen Elemente hat mich zur Aufgabe gezwungen. deswegen habe ich eine Safari im Landesinneren gebucht. Endlos der Spaß, v.a. im Krueger National Park. was da alles rumsteuert, von Elephanten, Nilpferden über Zebras.... nach einer Weile haben wir nicht mal mehr für Giraffen gestoppt. Dabei sehen sie beim Rennen so aus, als würden sie fliegen. Meine Reisegruppe ist ziemlich cool, auch wenn von 16 Leuten 10 deutsch sind. Schluchz. Mein Englisch ist demzufolge die letzte Woche eher schlechter als besser geworden. Inzwischen bin ich sogar auf einem Strauß geritten. Die Augen eines Straußes sind größer als sein Hirn. Und wer schon mal einen Strauß gesehen hat, weiß, daß sie verdammt kleine Augen haben. Wegen ihrer Hirngröße (80 Gramm auf 150 kg Körpergewicht) werden sie auch ganz zahm, wenn man ihnen etwas über die Augen zieht. Sie scheinen zu denken, wenn ich nix sehe, sehen mich die Anderen auch nicht. In meinem Fall hat mir das wohl das Leben gerettet, weil ich dem Vieh aus Panik die Augen zugehalten habe und es auf einmal lammfromm wurde. Pferde sind zwar auch doof (fressen bis sie tot sind), aber auf den Trick mit den Augen fallen sie nicht rein. Ich erinnere mich an meine erste Reitstunde auf einem Pferd als ob es gestern gewesen wäre. Ich war ungefähr 10 und der Knecht führte mein Pferd und mich (eigentlich das Pferd darunter) an einer Leine im Kreis. Plötzlich hat das Pferd beschlossen, es muß jetzt in den stall galoppieren und dort tun was Pferde so im Stall so tun, fressen oder scheissen oder was weiß ich. Leider war die Stalltür nur für Pferde und nicht für Pferde mit 10jährigen Reitern gebaut. Deswegen hat es mich nicht nur von einem galloppierendem Pferd gewischt, obendrein habe ich noch einen harten Schlag gegen den Kopf erhalten, unter dem ich heute noch leide.
Inzwischen bin ich wieder in Deutschland. Hier fahren die Erwachsenen Rollschuh und die Kinder nehmen Drogen. Ich stehe seit Jahren mit denselben Leuten an der Bushaltestelle und man grüßt sich nicht und schaut sich nicht an.