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Freitagabend

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10.12.2003
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Freitagabend

Timo fängt an, nervös von einem Bein aufs andere zu treten.
- Mein Gott, was hast du denn? Wenn du pinkeln musst, dann geh doch.
Er schnalzt mit der Zunge und hat anscheinend gar nicht zugehört. Das kenne ich von ihm, ich weiß, was jetzt kommt.
- Wer?
Leichte Andeutung mit dem Kopf. Ich folge der Richtung, aber da stehen ne Menge Leute.
- Was, alle?
Timo verdreht die Augen und beugt sich zu mir rüber.
- Klein, blond, schwarzes T-Shirt, Jeans. Tanzt.
- Wie außergewöhnlich.
Gleich wird er mich stehen lassen, ich grinse und entschuldige mich. Suche die Tanzfläche nach Kleinem, Blondem ab. Die Beschreibung trifft tatsächlich nur auf eine zu. Erstaunlich. Sie ist ein wenig mollig, hüpft mehr als dass sie tanzt, trägt riesige bunte Ohrringe und hat ein Piercing in der Augenbraue.
- Gepierct.
- Und?
- Ja, macht ja nichts. Ich meine ja nur.
- Ja.
- Willst sie ansprechen?
- Ich könnt sie antanzen.
Oder anhüpfen, denke ich mir, aber dann würde er mich wirklich hier stehen lassen.
- Na mach doch.
- Mh.
Er kippt sein Bier runter und ordert ein neues.
- Moment noch.
- Geht’s nich auch ohne?
- Bei der nich.
Eine Freundin von ihr albert herum. Timos Angebetete hat eine schrille Lache. Meine Trommelfelle ziehen sich schmerzhaft zusammen, ich gucke zu ihm rüber. Er grinst sie verstrahlt an. Auf komische Lachen steht er also auch noch. Oh Mann. Erstaunlich: Sie grinst zurück und zwinkert ihm zu. Ich muss lachen, und er lässt mich stehen.
Na schön, werde ich ihnen zugucken. Timo geht betont lässig in ihre Richtung, grinst sie noch mal an und fängt an zu tanzen. Ich verschlucke mich am Bier.
Zehn Minuten später hat sie angebissen. Gesucht und gefunden, kann ich da nur sagen, sie hüpfen auf „No woman, no cry.“. Es tut mir ein bisschen leid um das schöne Lied, gehe zum DJ, wünsche mir „Ein knallrotes Gummiboot“. Als er es auflegt, verziehe ich mich auf die Toilette. Der Rhythmus verfolgt mich, und ich sehe die beiden Tanzenden vor meinem inneren Auge dazu hüpfen. Dazwischen ruft der blöde DJ in sein Mikro: Und nun auf Wunsch von Tina das knallrote Gummiboot für Timoo! Verdammt, ich wusste nicht, dass der meinen Namen kennt.

Als ich zurückkommen, lehnt ein Typ am Tresen und guckt mich an, wie ich mir einen Weg durch die Partygäste zu meinem Getränk zurück bahne.
- Nabend, Tina.
- Christina.
Meine Stimmung ist im Eimer und so muss der arme Junge jetzt dafür büßen.
- Chris?
- Na von mir aus.
- Wo ist denn Timoo?
- Ach, verpiss dich.
- Hey, was ist los? Jetzt werde ich noch von der einzigen Frau hier, die meinen Musikgeschmack teilt, in die Wüste geschickt.


Ich gucke kurz hoch, in ziemlich braune Augen mit grünen Sprenkeln und wende meinen Blick schnell wieder ab. Timo müsste noch irgendwo auf der Tanzfläche sein.

- Ist dein Timo der, der vor zwei Minuten mit Anita verschwunden ist?
- Bitte?
- Ist dein Timo..
- Nein, ich meine, sie sind verschwunden? Wohin denn?
- Na, so genau weiß ich das nicht, aber sie fanden sich sympathisch, hab ich das Gefühl.

Ich bestelle Bier.

- Du bist ziemlich ungewöhnlich, weiß du das?
- Ja. Wird mir andauernd gesagt.
- Glaub ich dir nicht.
- Danke.

Er grinst.

- Nein, ich meine.. so ein hübsches Mädchen, aber du trinkst Bier, du bist mit nem Typen hier, der dann mit nem anderen Mädchen verschwindet...
- Ich bin nicht lesbisch.
- Danke, das wollte ich nur wissen.
- Ich wüsste auch gar nicht, was das damit zu tun hat, dass ich Bier trinke. Und warum gehst du mir überhaupt auf die Nerven? Bist du mit dieser Anita hergekommen oder was?
- Nein, die kenne ich nur flüchtig. Eigentlich bin ich wegen dir hier.

Ich gucke noch mal hoch. Er sieht besser aus als Timo. Braune Locken, Grübchen. Grüne Sprenkel in den Augen. Ich bin hingerissen und noch in der gleichen Sekunde, in der ich das bemerke, werde ich rot. Er grinst schon wieder.

- Mh.
- Ich heiße Florian.
- Flo?
- Von mir aus.
- Du bist wegen mir hergekommen?
- Nein.
- Hast du gesagt.
- Nein, ich hab gesagt, ich bin wegen dir hier. Sonst wäre ich schon vor ner Stunde gegangen.
- Aha.
- Aber wenn du immer mit anderen Kerlen rumhängst, kann man dich ja nicht ansprechen.

Ich weiß nicht so richtig, was ich sagen soll, und zünde mir aus Verlegenheit eine Zigarette an.
- Ich frage mich, warum er jemanden wie dich stehen lässt, um eine mit Monsterohrringen in pink abzuschleppen.
- Macht er ständig. Ich meine, sie lassen sich nicht jedes Mal abschleppen, aber irgendwann stehe ich immer alleine rum. Bin nur die Begleitung für den Hinweg und den Anfang der Party.
- Warum gehst du dann noch mit?
- Weiß nicht. Eigentlich wollte ich schon gehen.
- Tust du aber nicht.
- Wie du siehst.
- Also bist du auch wegen mir hier.

Ich lächle ihn an.

- Genau. Und was fangen wir jetzt mit dieser blöden Party an?
- Tanzen, würd ich sagen.

Er nimmt meine Hand und zieht mich auf die Tanzfläche. Ich stelle fest, dass er zu der Minderheit unter den Männern gehört, die beim Tanzen nicht aussieht wie der letzte Idiot. Außerdem, dass er gut riecht. Nach Toni Gard, glaube ich.
Mit einem Mal rempelt mich jemand von hinten an, ich drehe mich um. Timo.

- Wir fahren heim.
- Was? Es ist noch nicht mal zwölf.

Timo guckt mich ernst an. Ich drehe mich um, erkläre was von wegen „dringend, tut mir leid, ich ruf dich an“.

Als wir im Zug sitzen frage ich ihn besorgt nach dem Grund des plötzlichen Aufbruchs.

- Diese Anita..
- Was war denn?
- Die hat genervt, hab mich da echt getäuscht. Ich hab ihr gesagt, du musst heute früh heim und ich muss dich begleiten. Insofern hast du mir geholfen, sie loszuwerden.

Er grinst fröhlich und stupst mir mit dem Zeigefinger auf die Nasenspitze.

- Deswegen mussten wir los? Ich dachte, es wär was passiert!
- Na, ist doch gut, dass nichts passiert ist, oder nicht?

Timo nimmt sein Handy und schaltet es aus.

- So. Hey, und wer war denn der Kerl, mit dem du getanzt hast?
-
Ich antworte nicht. Mir ist eingefallen, dass ich vergessen habe, ihm meine Nummer zu geben.

 

Hallo,
die Sprache ist natürlich nicht nobelpreisverdächtig, passt aber exakt zur Situation. Insgesamt hat mir deine Geschichte als leichte Lektüre gut gefallen, du schreibst nicht zuviel und auch realistisch. Ein grammatischer Mißstand, der ohne Stilbruch behoben werden kann, ist mir aufgefallen:

beim Tanzen nicht aussieht
nicht aussehen

Ansonsten, nichts philosophisch hochtrabendes oder anspruchsvolles, aber trotzdem durchaus gut.
Gruß
Arthuriel

 

Hallo Coco,

einen schönen Text hast du da geschrieben. Man sieht die Protagonistin direkt vor sich, cool, schlagfertig und selbstbewußt. Die Sache mit dem Musikwunsch war toll.

Fazit: Solche Heldinnen wünscht man sich für eine längere Erzählung.

Gruß
knagorny

 

Hallo coco!

Eine nette, lockere Geschichte, die ich gern gelesen habe. Formal könntest Du noch die - in "" ändern, meiner Meinung nach liest es sich schöner.
Inhaltlich: gut beschrieben, hatte Bilder im Kopf. Und ich frage mich, wie Chris denn jezt weiterhin auf Timo reagiert - der sie offenbar regelmößig auf Partys stehenlässt, sie als Aufbruchgrund vorschiebt und ihr den doch noch schönen Abend so versaut. Also ich an ihrer Stelle währe wohl sauer... der realtiv offene Schluss gefällt mir hier gut!

schöne Grüße
Anne

 

Hallo ihr drei,
vielen Dank für eure Kritiken, freut mich sehr, dass ihr den Text gern gelesen habt. =)
Hauptsächlich ging es mir darum, Dialoge zu schreiben. Wenn ihr euch gut unterhalten gefühlt habt, war das schon alles, was ich wollte ;)
Vielen Dank nochmal.
coco

 

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