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Freigang

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19.06.2001
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Freigang

FREIGANG

„Ich habe heute meinen Freigang, wissen Sie?“ Langsam strich er mit seiner Hand über ihr Gesicht. „Nennen Sie es einfach Pech, daß es Sie getroffen hat.“ Er schenkte ihr ein charmantes Lächeln und küßte sie sanft auf die Stirn. „Ich weiß, wie Sie sich fühlen. Ich weiß das wirklich!“ Sein Lächeln verschwand. „Wollen Sie meinen Namen wissen, bevor ich Sie töte? Hm? Wollen Sie ihn wissen? Wollen Sie wissen, wer Ihren toten Körper fickt?“ Er legte seinen Kopf etwas quer und sah sie an. „Ich denke, wenn ich dich... Ich darf dich doch duzen, oder? Hm...“ Kopfschüttelnd stand er auf und ging zu der Schrankwand. „Schöne Sachen hast du da stehen. All die Fotos und die kleinen Keramikfiguren... Hübsch! Sehr hübsch... Ach so...“ Er drehte sich zu der auf dem Boden liegenden gefesselten Frau um. „Mein Name ist Danny. Danny Screamer. Und weißt du was? Ha... Da kommst du nie drauf!“ Danny ging wieder zu der Frau und setzte sich vor sie. „Es ist sozusagen... Moment!“ Er legte sich auf den Bauch. „So ist es besser!“ sagte er grinsend. „Weißt du was?“ Danny´s Gesicht war ganz nahe dem der Frau. „Es ist nicht mal mein richtiger Name. Aber ich finde ihn irgendwie... cool!“ Während er die Frau ansah, wie sie gefesselt und geknebelt vor ihm lag... Zitternd... Nackt... Angstschweiß am ganzen Körper... „Wow.“ murmelte Danny und spürte, wie er langsam einen Steifen bekam. „Wie gesagt, ich habe heute Freigang. Und jetzt werde ich dich töten und anschließend ficken!“ Er stand auf. „Und wie ich dich ficken werde!“ Während Danny sich seine Hose auszog, dachte er laut nach. „Trotzdem komisch, oder? Danny Screamer... Ich meine, ich hab den Typen im Knast kennen gelernt. So ein blöder Freak... Jesus und der ganze Scheiß, naja. Aber der Name hat was. Was soll´s.“ Danny setzte sich auf die Frau. „Schlaf gut!“ Er lächelte. „Und träum was Schönes, okay?“ Dann begann er die Frau zu würgen. Minutenlang. „Versprich mir, daß du was Schönes träumst!“ keuchte er, als er in ihre leblosen Augen sah und in sie eindrang...

Es war viel zu warm für einen Freigänger wie ihn. Fuck, dachte Danny. Freigang, und dann so ein Wetter. Viel zu warm. Er stand vor dem Haus, aus dem er gerade gekommen war. Ob du die Spuren nicht hättest beseitigen sollen? „Scheiß drauf!“ sagte er leise. Es ist nicht dein Problem, wenn man dir Freigang gewährt. Es ist nicht dein Problem, daß Leute über deine Psyche entscheiden, die denken, sie könnten in das Innere eines Menschen blicken. Es ist nicht dein Problem. Das ist es einfach nicht! „Scheiß drauf!“ Danny holte tief Luft. Selbst wenn? Du bist Wiederholungstäter. Die werden niemals... Kurz dachte er an Todesstrafe... Mach dich nicht lächerlich, Alter. Er kramte aus seiner Hosentasche das Geld hervor, das er in der Wohnung der Frau gefunden hatte. „Wow!“ Es würde reichen, um sich ordentlich einen anzutrinken...

„Klar!“ bekräftigte Danny und stieß mit einem Typen an, der sich Curt nannte. Er trank das Bier in einem Zug aus und gab dem Wirt ein Zeichen, eine weitere Runde für sich und seinem neuen besten Freund zu liefern. „Curt?“ sagte Danny bewußt lallend...
„Was?“
„Du... Du bist also Polizist?“
„Ein sehr guter sogar!“ sagte Curt. Er griff in die Schale mit den Chips. „Was ist mit dir, Danny? Außer deinem Namen weiß ich nichts über dich.“
Danny nickte. „Was willst du wissen?“ Seit dem zweiten Bier hatte er festgestellt, daß Curt´s Dienstwaffe mehr als leicht erreichbar war. Eine schnelle Bewegung und... „Also?“ Danny sah zu Curt.
„Was ist dein Job?“ wollte Curt wissen und stopfte sich gierig die Chips in den Mund.
„Mein Job?“ Danny winkte ab. „Ich sehe mich als Künstler!“ Seine Hand zeigte nach oben. „Weißt du, ich bin ein sehr guter Künstler. Gott hat mich ausgewählt.“ Er wußte selbst nicht, warum er das gerade gesagt hatte. Es war einfach passiert...
Curt fing an zu lachen. „Du meine Güte. Soll das heißen, ich wurde von einem gottesfürchtigen Künstler zu mehr als drei Bier eingeladen?“ Er nahm sein Glas in die Hand, konnte aber vor Lachen nicht ansetzen.
„Lach ruhig!“ sagte Danny und machte die schnelle Bewegung, über die er vor wenigen Minuten nachgedacht hatte.

„Mach keinen Scheiß!“ stammelte Curt, als er seine Dienstwaffe in der Hand eines anderen vor seinem Gesicht sah. „Wenn ich irgendwie...“
Danny zu dem Wirt, der die beiden ängstlich ansah. „Na los, komm her.“ Was ein Zufall, dachte er. Nur drei Personen anwesend. Ein Wirt. Ein Cop, der sich gerade in die Hosen geschissen hatte... Und er. Danny Screamer. „Superstar!“ flüsterte Danny und zielte auf den Wirt... Irgendwie fühlte er sich mehr als zufrieden. Er hatte Freigang. Und bis auf das verfluchte viel zu warme Wetter war alles perfekt...

„Viel zu warm!“ fluchte Danny. Noch acht Stunden, dann hatte er sich wieder in seiner Heimat einzufinden. Ja... Heimat. So hatte er das Gefängnis genannt. Was war es denn sonst? Vierzehn Jahre hatte er abgesessen, bevor man ihm Zugeständnisse zukommen ließ. Vierzehn Jahre... „Scheiße!“ Er stand vor der in einer Seitenstraße liegenden Bar. Gerade eben hatte er zwei Menschen erschossen. Die Waffe fühlte sich gut an. Kalt. Nicht so wie das Hemd, das völlig durchnässt war. Du solltest eigentlich eiskalt sein, Alter! Total cool! Hast die Frau getötet und gefickt... Die Typen in der Bar erschossen... Warum schwitzt du so? „Viel zu warm!“ Moment mal... Warum sollst du eigentlich wieder zurück gehen? Danny warf die Waffe weg. „Warum eigentlich?“ Zurück in die Heimat... „Warum?“

Die Tauben wußten nichts von dem, was in Danny vorging. Wie auch... Dumme Vögel, die auf der Welt waren, um diese vollzuscheißen. Er saß auf einer Bank und dachte nach. Klar, du bist ein fieses Arschloch. Mehr als das... Er lächelte, als er an die Frau dachte. Wie er sie hatte leiden lassen. Wenn du zurück in die Heimat gehst, bist du tot... Obwohl... „Nein, Alter! Geschlossene Anstalt! Ein Psycho!“ sagte er zu sich selbst. Und dieser Cop? Curt? Okay, du hast sein Hirn über den Tresen verteilt und dem Wirt das weiße Hemd mehr als versaut... Na, wenn schon. Seit vierzehn Jahren das erste Mal Freigang. Du mußt einfach nur so tun, als ob du mit der... Danny lächelte... Du mußt einfach nur tun, als ob du nicht damit fertig wurdest. Plötzliche Freiheit. „Freiheit!“ flüsterte Danny. Und dann noch.... He, du nennst dich nach einem Freak! Nach einem abartigen Freak, der es verdient hat, im Knast zu sitzen, nach all der Kacke, die der Typ veranstaltet hat. Trotzdem... Was soll da noch großartig passieren? Frau getötet. Tote Frau gefickt. Zwei Männer in der Bar erschossen. Du wirst dich freiwillig stellen... Alles perfekt. Seltsam nur... Danny schloß seine Augen und lehnte sich zurück. Die werden dich fragen, warum du nicht einfach abgehauen bist. „Psyche.“ murmelte er. Und wenn doch? Warum sollte er denn nicht einfach verschwinden? Sich das nehmen, was er wollte? „Denk nach, Alter! Denk nach! Ist es das was du willst? Ewig auf der Flucht sein?“ Er war vierundvierzig Jahre alt. „Blöder Screamer!“ schrie er. Die Tauben, die sich bis dahin in ihrer praktisch nur für sie entwickelten Gleichgültigkeit vor der Bank tummelten, flogen angesichts des plötzlichen Lärms aufgeregt wütend davon. Danny seufzte und faßte einen Entschluß. Okay, du hast für einen Freigang viel Spaß gehabt. Hast ihn sogar sinnvoll nutzen können. Er dachte wieder an die Frau, wie er sich an ihrem toten Leichnam vergangen hatte... „Scheiße, das war schon geil!“ Geh einfach zurück in die Heimat und laß dich behandeln, Alter! Er lächelte zufrieden... Als er aufstehen wollte, sah sich Danny Screamer mit einer Situation konfrontiert, die sein Lächeln, welches er eben noch hatte, augenblicklich sterben ließ. „Fuck!“ fluchte er und war vier Sekunden später in einer Hölle, an die er nie geglaubt hatte...

Gardner zuckte mit den Schultern. „Okay, okay. Ruby Trimons ist auf seinem Freigang getötet worden. Na und?“ Er spuckte den Kaugummi aus. „Wen interessiert das?“ Gelangweilt sah er zu den Leuten, die Trimons in den Plastiksack verstauten. „Nach vierzehn Jahren Freigang, und er wird im Park erschossen.“ Gardner verdrehte die Augen. „Simons?“
„Sir?“ rief einer anwesenden Cops.
„Hat der Tod von diesem Trimons irgendwas mit der toten Frau zu tun? Sie wissen schon...“
„Nein, Sir.“ sagte Simons.
Gardner lachte. „Ein Freigänger. Erschossen an seinem ersten freien Tag seit vierzehn Jahren... Verrückt! Da fällt mir ein...“
„Sir?“
„Hat Deckard sich schon gemeldet? Die Sache in dieser miesen Bar... Da ist einer von uns erschossen worden. Hat er sich schon gemeldet?“
„Nein, Sir.“
„Ah...“ Gardner räusperte sich. „Okay, Simons. Machen Sie weiter. Sie kennen das ja...“ Seufzend zündete er sich eine Zigarette an. Mein Gott, dachte er, während er gierig an der Zigarette zog. Es ist Samstag. Können die Wichser nicht ausnahmsweise mal Arschlöcher töten, wenn Sonntag ist? Wenn ich frei habe? „Kacke...“

Der echte Danny Screamer lachte, als man ihm mitteilte, daß ein gewisser Ruby Trimons bei seinem ersten Freigang seit vierzehn Jahren in seinem Namen drei Menschen tötete... Du hast es also noch, dachte er. Den Zauber... Magie... Irgendwann, dachte der echte Danny und fing an zu lachen. Seine Zelle war nicht groß. Mehr als dreckig. Irgendwann... „Ihr Ahnungslosen!“ flüsterte Danny, während er sich an die schmutzige Wand seiner Zelle lehnte. „Ihr ahnungslosen Menschen... Ich ficke euch alle!“ Lachend setzte er sich auf den Boden und wartete auf seine tägliche Mahlzeit. „Ich ficke euch alle!“ kicherte er. Sehr viel Zeit war vergangen, daß er sich wieder einigermaßen gut fühlen konnte. Viel Zeit. Danny Screamer blickte mit zusammengekniffenen Augen zu der Luke, durch die ihm täglich der Napf mit einem undefinierbaren Etwas geschoben wurde. „Ich ficke euch alle!“ Ruby Trimons war der Anfang. Es hatte Jahre gedauert... Die Zeit war reif. „Superstar!“ flüsterte Danny Screamer und lächelte...

Gott, was ein Lächeln!

ENDE

copyright by Poncher (SV)

19.05.2002

 

Hi Ponch! Sieht so aus, als müsste ich das "Prequelt" dieser Story auch mal lesen... :cool:

Zu dieser hier: Dein Hang zu Verrückten und/oder Serienkillern schlägt in diesem Text voll durch. Ein bisserl scheinst du dich am Sadismus zu weiden, wenn ich mal ganz forsch sein darf.
Das Problem, das ich eingedenk dessen mit solchen Texten habe, ist, dass die "Opfer" des Killers null Profil erhalten und wenig mehr denn Schlachtvieh sind.
Leider fehlt es hier auch dem Psycho selbst an irgend einem Charakter - er ist einfach nur ein kranker Arsch, der Leute umbringt.

Ich denke, an der Charakterisierung von Menschen solltest du noch etwas arbeiten. Der Punkt fällt mir in deinen Geschichten immer wieder auf - was sich wiederholt sind die grausigen Verbrechen und der dezitierte Blick darauf. Ebenso leider die fehlende Charakterisierung und, wenn man so will, das "Motiv".
Hoffe, du kannst ungefähr nachvollziehen, was ich dir damit sagen möchte!

Du schreibst nämlich teilweise wirklich gut und könntest zu einem sehr guten Autor werden, wenn du mehr emotionale Tiefe in die Geschichten reinbringen könntest.
Bislang ist es nämlich so, dass ich all deine Geschichten - auch die Guten - fast augenblicklich nach dem Lesen "vergessen" habe, was an den oben angeführten Punkten liegt.

Dass der Polizist Deckard heißt, überrascht mich nicht... ;)

Zwei Kritikpunkte hätte ich: Aus der Szene in der Bar hätte man doch mehr machen können! Ich meine, ein Mörder sauft sich mit einem Bullen einen an!!!
Tja, und ganz lapidar erklärst du, dass er ihn und den Wirt umlegt.

Und: Wenn der Polizist im Dienst ist (und das ist er, wenn er seine Knarre trägt), darf er dann mehr als drei Bier trinken???

PS:

Danny´s Gesicht
Einer der beliebtesten Fehler heutzutage! Nur im englischen schreibt man "Danny´s face" - im Deutschen kommt der Apostroph weg, somit "Dannys Gesicht".

 

Hallo Poncher!

Inhaltlich fand ich die Story leider nicht so toll, aber ich bevorzuge halt eher andere Arten von Geschichten.

Zumindest hast du das geisteskranke Verhalten des Protagonisten recht gut und in einem flüssigen Schreibstil beschrieben, der den Leser bis zum Ende fesselt.

Insgesamt denke ich schon, dass die Geschichte doch ein recht gelunges Werk ist, das gut unter "Seltsam" passt.

Viele Grüße,

Michael

 

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