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Freedom is just another word for...
Freedom is just another word for ...
„Und David?“, fragte seine Mutter zu ihm gewandt, „wie läuft das Studium?“
So plötzlich aus seinen Träumen gerissen, schüttelte David kurz seinen Kopf, gab seiner Mutter ein kurzes, nervöses Lächeln und antwortete dann schnell: „Gut … Gut läuft das Studium!“
Nach einer kurzen Pause, in der seine Eltern ihn anstarrten, um eine etwas genauere Beschreibung zu bekommen, hängte er seufzend hinterher: „Eigentlich weiß ich nicht, ob es gut läuft. Ich habe alle Prüfungen bestanden, aber so gut waren diese nicht und ich frage mich langsam, ob ich hier das Richtige studiere. Ich mein, ich weiß doch gar nicht, was ich machen will! Was ist, wenn ich das Studium abschließe und dann hat kein Job, der mich interessiert, mit den Dingen zu tun, die ich gelernt habe? Aber wie soll man auch so jung wissen, was man will?“
Sein Vater überlegte kurz und gab dann eine Antwort, vor der David Angst gehabt hatte. „Es gibt nicht viele Menschen, die das arbeiten, was sie unbedingt machen wollen. Es gibt zu viele Jobs auf der Welt, die keiner machen will, und zu wenige, die alle machen wollen. Vielleicht findest du etwas was dich erfüllt oder was dir Spaß macht, zumindest für den Moment, aber das muss nicht bedeuten, dass es so bleibt. Am Ende geht es weniger um Selbstverwirklichung, als darum, Geld zu verdienen und Teil der Gesellschaft zu sein."
„Ich hatte so eine Antwort befürchtet", klagte David enttäuscht mit einem Seufzen. Er starrte auf seine Schuhe. Er trug dreckige mit schönen Schleifen gebundene Chucks. Der Boden des Restaurants bestand aus braunen Holzplatten, die auf eine saubere Weise glänzten. Langsam erhob er wieder den Kopf und seine Mutter, versuchte ihn aufzumuntern, doch er unterbrach sie und sagte stattdessen: „Ich muss mal an die Luft!“ Er kämpfte sich langsam von seiner Eckbank an den neben ihm liegenden Klamotten vorbei und schritt Richtung Tür. Aus einem kleinen Lautsprecher schallte Janis Joplins „Me and Bobby Mcgee". Er konnte noch ihre berühmten Worte, „Freedom is just another word for nothing left to loose" hören, bevor sich die Tür hinter ihm schloss.
Die frische Luft tat gut. Vor ein paar Stunden hatte es geregnet, aber nun kam die Sonne wieder heraus und strahlte ihm ins Gesicht. Er schloss seine Augen und genoss die Wärme. Gab es etwas Schöneres als einen warmen Sommertag mit noch feuchter Luft von vorherigem Regen? Langsam beruhigte er sich. Seine Ängste, welche im Restaurant noch so real waren, fielen von ihm ab und er fühlte sich, als würde er endlich frei werden. Seine Füße hoben vom Boden ab und die Luft um ihn herum kräuselte sich, während er langsam in den Himmel flog.
Er öffnete die Augen und sah das kleine Örtchen vor sich, das er so lange seine Heimat genannt hatte. Er wusste nun nicht mehr, was es war. Die kleinen Backsteinhäuser mit den roten Dächern und den kleinen Vorgärten verschwanden langsam und die Welt unter ihm verwandelte sich in unberührte Natur. Wälder, Bäche und Gebirge flogen unter ihm hinweg.
So langsam gewöhnte er sich an das Fliegen und probierte aus, was alles für ihn möglich war. Schnell merkte er, dass er sich eigentlich bewegen konnte, wie er wollte. Ob geradeaus, unten, oben, Schraube oder Salto, alles war möglich und es fühlte sich an, als hätte er sein Leben lang nichts anderes gemacht, als zu fliegen.
Ein Vogelschwarm von kleinen Vögeln zog an ihm vorbei und wirbelte ihn regelrecht auf. Die kleinen Vögel schlugen wild mit ihren braunen Flügeln und David empfand das als Herausforderung. „Na wartet“, rief er lachend und flog, so schnell er konnte, hinter ihnen her.
Der Schwarm flog eine Linksrechtskurve nach der anderen und David hatte Probleme mitzuhalten, aber lachend machte er mit. Das Piepsen der Vögel wirkte auf ihn, als würden die kleinen Tierchen auch an seinen Versuchen Spaß haben. Nachdem diese Verfolgung und Nachahmung schon für eine ganze Weile stattgefunden hatte, setzten sich die Vögel auf einen Klippenvorsprung, um sich auszuruhen. David setzte sich neben sie und genoss den Ausblick aufs wunderschöne Tal. Das Grün und Blau der Wälder und Bäche verschmolz sich bei dem Licht der untergehenden Sonne zu einem ehrwürdigen Gemälde. „Ach“, sagte David fröhlich seufzend, „es ist sooo schön, frei zu sein!“
Der Vogel neben ihm sah ihn daraufhin an und schob seinen Kopf nach links. „Frei? Was meinst du mit frei?“, fragte der Vogel ihn, doch bevor David ihm antworten konnte, machte sich der Schwarm wieder los und der verwirrte Vogel folgte.
Plötzlich fühlte David sich schuldig. Warum fühlte er sich schuldig? Und warum wusste der Vogel nicht, was er gemeint hatte? Langsam und nachdenklich flog er zurück zu seiner Heimat.