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Frau, weisser Mantel

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29.08.2001
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Frau, weisser Mantel

Ich saß schon den ganzen Tag vor dem Computer, die Hausarbeit hätte ich vielleicht doch schon etwas eher beginnen sollen. Zwei Tage vor Abgabetermin erst mit dem Schreiben zu beginnen war wohl eine nicht allzu gut durchdachte Idee. Egal.
Am Ende dieses langen Tages wollte ich nur noch nach Hause. Es war ein schöner Sommerabend, die Sonne war kurz davor unter zu gehen. Da es noch recht warm war, entschied ich mich kurzerhand am Fluss entlang zu gehen, um weniger gestresst zu wirken, wenn ich zu Hause ankäme.
Ich ging nach etwa einhundert Metern über die schöne alte Brücke auf die andere Seite, meine Seite sozusagen. Wie immer summte ich vor mich hin, wahrscheinlich irgendwas von `Motorpsycho´, und bog nach links auf den Uferweg ein. Mit der linken Hand schlug ich geistesabwesend auf die Mauer, die noch zur Brücke gehört. Nach etwa zehn Metern zurückgelegtem Weg meinte ich angesprochen worden zu sein. Also hielt ich an und drehte mich um.
Eine Frau in einem weissen, langen Mantel sah mich an. Da sie mich mit ihrem Blick fixierte, bewegte ich mich nicht und wartete darauf, dass sie etwas sagen würde. Ein paar Augenblicke standen wir uns gegenüber, sahen uns an, ohne dass jemand vorbei gekommen wäre. Sie sagte nichts, sah mich nur schweigend an. Langsam wurde mir unwohl, ich war es nicht gewohnt so lange angestarrt zu werden, und das behagte mir gar nicht. Ich hatte den Eindruck, als würden wir noch in hundert Jahren so dastehen, wenn ich nicht bald etwas sagen würde.
"Hey, schön dich zu sehen. Kennen wir uns von irgendwoher?" Keine Antwort, sie starrte mich weiter an. "Wer bist du? Mir kam es gerade vor, als hättest du etwas zu mir gesagt, stimmt doch, oder? Kann ich dir irgendwie helfen?" Schweigen. "Na gut, wenn du lieber still bleiben willst, ist das okay. Ich geh dann mal weiter. Vielleicht sehen wir uns ja mal wieder. Ciao." Mit dem Versuch, möglichst lässig zu wirken drehte ich mich um und wollte vorwärts gehen, gen Heimat. Doch daraus wurde nichts: Mir wurde schwarz vor Augen, so dass ich ein paar Schritte stolperte, nach links schwankte, rückwärts ging und versuchte mich an der Mauer abzustützen. Ich rutschte mit der rechten Hand an der Mauer ab, fiel hin und schürfte mir dabei die Handfläche auf. Die Mauer war aus Sandstein, zweihundert Jahre alt. Ideal also, um Haut daran hängen zu lassen.
Ich setzte mich auf und stützte den Kopf auf dem angewinkelten rechten Bein ab, atmete tief durch. Das Schwindelgefühl ließ nach, also sah ich nach oben und suchte die Frau in ihrem weissen Mantel. Sie stand nun direkt vor mir. "Geht schon, danke. Mir war nur kurz schwindelig. Ich kann gleich weitergehen, danke." Ich versuchte aufzustehen. "Bleib sitzen, oder dir wird es noch schlechter gehen!" Endlich sagte sie auch mal etwas, allerdings in einer sehr erschreckenden Art und Weise, die man der zierlichen Frau nicht zugemutet hätte. Noch mehr erschreckte mich allerdings die Tatsache, dass sie eine ganz und gar nicht weibliche Stimme hatte, sondern eine sehr tiefe Männerstimme. Damit hätte sie in einem Chor einen vorzüglichen Bass abgegeben.
Sie sah mich streng an. "Du weisst was ich von dir will. Du wirst deine Bestrafung mit Freuden entgegennehmen, auf dass dir verziehen werden kann." Nun erschreckte sie mich irgendwie. "Häää?" Mehr brachte ich nicht hervor. Sie sah mich noch böser an, falls das vorstellbar ist. "Was willst du von mir?" Ich hatte mein Selbstvertrauen zurück gewonnen.
"Sei still, du weisst genau was dir blüht, auch jetzt schon! Also sei vorsichtig in der Wahl deiner Worte. Steh auf, und nehme deine Strafe hin!"
Ich stand auf, konnte aber nicht gerade stehen. "Ich hab keine Ahnung, was du von mir willst. Wenn du dich freundlicherweise etwas deutlicher ausdrücken würdest, könnte ich dir vielleicht helfen." Ich hatte früher schon gelernt: Immer freundlich sein.
Bei ihr half das nicht viel. Mir wurde wieder schwarz vor Augen und ich fiel wieder hin wie ein Betrunkener. "Scheisse..." Ich stützte mich mit den Händen auf den Rasen und stand langsam auf. Das Schwindelgefühl war weg.
"Sünder, spasse nicht mit mir! Das kann ich nicht dulden! Du hast schwer gesündigt, und nun wirst du deine Strafe hinnehmen müssen, ob du willst oder nicht. Steh gerade, steh aufrecht und bitte um Vergebung!"
Langsam wurde es mir zu bunt. Ich hatte absolut keine Ahnung, von was sie sprach. "Häää? Was für eine Sünde? Was für eine Strafe? Wen um Vergebung bitten? Nochmal: Um was geht es eigentlich? Und wer zum Henker bist du eigentlich? Das Aussehen einer Frau und die Stimme eines Mannes... Bist wohl ein umgebauter, was?" Ich war mir nicht sicher, ob sie soviel Spott auf einmal ertragen würde.
Interessanterweise sah sie mich nun etwas zweifelnd an. "Du weisst sehr wohl wer ich bin!" "Neeein! Das sage ich doch die ganze Zeit!" "Aber du bist doch Mark Lanegan, oder?" Nun schien sich das Rätsel zu enträtseln. "Nein, ich bin nicht Mark Lanegan. Den kenne ich nicht mal. Bist du hier richtig? Nürnberg, Franken, Bayern, Deutschland, Europa, Planet Erde?"
Ihr nun folgender Gesichtsausdruck war sagenhaft. Alle Gesichtszüge schienen gleichzeitig entgleisen zu wollen. Ich entschloss mich weiter zu bohren. "Und wer bist du nun? Die Antwort bist du mir schuldig."
"Nürnberg... Verdammt, ich wollte nach... Ach vergiss es. Ich hab dich mit jemand anderem verwechselt." Schnell hatte sie ihre Fassung wieder erlangt. Sie drehte sich um, ging zwei Schritte, drehte sich zweimal im Kreis und verschwand im Nichts. Als wäre sie gar nicht da gewesen. Vor Staunen kriegte ich meinen Mund nicht mehr zu. Ich sah meine rechte Hand an, und unglaublicherweise war da keine Schürfwunde mehr zu sehen. Verheilt, innerhalb Sekunden! Ich drehte mich um und sah in einigen Metern Entfernung einen älteren Herrn auf mich zukommen. Ich wartete ab bis er in meiner Nähe war uns sprach ihn an.
"Entschuldigung, meine Frage mag ihnen etwas komisch vorkommen, aber könnten sie mir sagen, ob sie von dahinten hier bei mir eine weissgekleidete Frau sahen, die einfach so verschwand?" "Guter Junge, das ist bei den Frauen so. Die schlechten hat man ein ganzes Leben lang, die guten kriegt man nur für fünf Minuten und muss teuer dafür bezahlen. Und Hinterher verschwinden sie für immer, ausser man will wieder teuer bezahlen. Das lernen sie auch noch."

 

Tja, ich bin etwas unschlüssig.
Im Grunde gefällt mir die Geschichte, sie ist ganz witzig geschrieben, macht neugierig auf das Ende, aber der Schlußsatz ist einfach nur doof und völlig unbefriedigend.

Auch der Einstieg in die Geschichte hat mich nicht überzeugt. Wenn du damit rüberbringen willst, daß man nach zuviel konzentrierter Arbeit schon anfängt, Gespenster zu sehen, könntest du vielleicht am Schluß der Geschichte diesen Gedanken noch mal manifestieren und so den Kreis schließen.
Das war jetzt nur mein ganz persönliches brainstorming zu deiner Geschichte, es bleibt selbstverständlich dir überlassen, was du damit anfängst. :)

Gruß.....Ingrid

 

Mir war das Ende auch irgendwie zu pauschal...als sollte es so ein "Schmunzelende" werden, was irgendwie weder so richtig funktioniert noch paßt...würde ich noch mal drüber nachdenken, ansonsten hat der Text nämlich ganz gute Ansätze...

Noch was vielleicht, obwohl ich eigentlich nicht superkritisch klingen will...die Dialoge...der Protagonist gefällt mir da besser als die "Frau"...sehe zwar ein, daß ihr Sprachstil irgendwie nach "anderem Stern" klingen soll, fand ich aber ein bißchen zu gekünstelt...

Ansonsten...nicht schlecht...mehr bitte! :)

San

 

Also ich finde das Ende lustig... hihi :D

Alles in allem eine sehr gute Geschichte! Nur wäre es wirklich besser, wenn aufgeklärt werden würde, wer die Frau nun war... War sie eine Art Racheengel? War sie vielleicht sogar der Tod?

Das bleibt offen.

Griasle
stephy

 

hallo, mr.Leviathan

der Text enthält eine gute Spannung, die sich am Ende allerdings in Luft auflöst. Die Ankündigung der Strafe baut im Leser einen Spannungshöhepunkt auf. Immerhin könnte es ja sein, dass es da irgendeine Schuld gibt in der Hauptfigur, deren sie sich erst bewusst werden muss. Dabei spielt es keine Rolle, wer die magische Frau in Wirklichkeit ist, ob Racheengel oder sonst irgendeine mystische Figur aus dem Jenseits.

Schuld und Strafe jedenfalls scheinen das Thema der Geschichte zu sein. Oder vielleicht sind es auch verdrängte Schuldgefühle, die die Erscheinung auslösen. Vielleicht hat das Klopfen auf der Mauer eine symbolisch auslösende Funktion (ähnlich wie bei Kafka). All das sind Motive, die etwas Bedeutungsvolles vorzubereiten scheinen, das dann aber nicht eintrifft.

Ich meine, die Erzählidee ist originell und fruchtbar,sie ist aber nicht ganz verwertet. Die banale Lösung, dass der Engel sich in der Adresse geirrt hat, kann den Leser nicht befriedigen. Dieses mutwillige Spielen mit dem Leserbewusstsein könnte man als eine Form von Ironie bezeichnen, ein bewusster Verstoß gegen die Logik des Erzählens. Ist das gewollt?

Viele Grüße

Hans Werner

 

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