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Frau Hummel
Frau Hummel brummte vergnügt über die Wiese. Die Sonne schien, die Pflanzen überschlugen sich geradezu mit ihrer Blütenpracht. Ihre Königin hatte eine wunderbare Nisthöhle gefunden und ihr Volk wuchs zusehends.
Vor lauter Freude hatte Frau Hummel überlegt, ein Fest zu geben. Ihr Mann war begeistert und wollte einige wilde Hummeln einladen. Das sagte Frau Hummel allerdings nicht so zu. Sie strich die Namen und beschloss vorsichtshalber, auch die Drohnen aus dem benachbarten Bienenstock gar nicht erst einzuladen. Das waren Gesellen, die den ganzen schönen Tag nur faulenzten, vergorenen Honig schlürften und den fleißigen Bienchen hinterherpfiffen.
Damit stand ihr bereits die nächste Schwierigkeit vor Augen. Die Bienen hatten sich zwar über die Einladung gefreut, aber dankend abgelehnt. Sie standen unter Termindruck bei der Fertigstellung der neuen Stockwerke für die Brutkammern.
Mit den Ameisen ging es Frau Hummel leider nicht anders. Es war ohnehin nicht so einfach mit ihnen zu reden: Abgesehen von der fremden Sprache konnten sie anscheinend nie still stehen. Sie schlugen dann als Kompromiss vor, nach der Party die Reste zu entsorgen. Das würden sie gerne tun, aber sonst schien ihnen die Party zu unbeweglich.
Frau Hummel ärgerte sich über diese abfällige Einschätzung, schließlich brummte sie auch den lieben langen Tag durch die Gegend. Da sollte eine kleine Pause zum Ausruhen und Feiern doch erlaubt sein.
Als sie an die Wespen und Hornissen dachte, hatte Frau Hummel ein ungutes Gefühl. Schließlich waren ihre entfernten Verwandten Fleischfresser und bei der Vorstellung, sie könnten bei der Party anfangen, an ihren Nachbarn zu knabbern … Nein, das Risiko war ihr etwas zu groß.
Vögel oder Lurche kamen schon gar nicht in Frage. Die verschluckten alles, was ihnen vor den Schnabel kam. Doch es gab ja noch viele kleine Tiere, die sie einladen konnte: Käfer und Fliegen, Mücken und auch Hundertfüßler und Raupen.
Dass sich die Eintagsfliegen den Termin der Party nicht merken konnten, hatte Frau Hummel schon erwartet. Aber auch die Raupen erschienen nicht. Sie hatten sich längst verpuppt. Aber einige wunderschöne Schmetterlinge flatterten über der Party.
Die meisten der eingeladenen Gäste erschienen und vergnügten sich im Wiesengrund. Da auch der stattliche Hirschhornkäfer mit seiner Frau und einem ganzen Gefolge kleinerer Käfer gekommen war, wurde die Party das gesellschaftliche Ereignis des Frühlings in der Käferwelt.
Frau Hummel war es außerdem gelungen, die Ameisen als Caterer zu gewinnen. Sie bauten ein wahrhaft opulentes Buffet auf, an dem jeder Gast zu trinken und zu essen fand, was schmeckte - bis hin zu dem halben Pferdeapfel für die Mistkäfer, die sich gleich nach ihrem Eintreffen mit begeistertem Jauchzen auf diesen Leckerbissen stürzten.
Es war zu erwarten gewesen, dass die ausgelassene Feier nicht unbemerkt bleiben würde. Zuerst versuchten die Drohnen und die wilden Hummeln, in die Gesellschaft einzudringen. Ihr Vorhaben war aber den Bienen aufgefallen, die den ganzen Tag von Blüte zu Blüte summten. Eine Oberbiene eilte zum Stock und erteilte einige Anweisungen an die Wächterinnen am Eingang. Umgehend startete ein großer Bienenschwarm in Richtung Party. Die Drohnen waren noch gar nicht angekommen, da wurden sie aus heiterem Himmel von Bienen attackiert, die im Sturzflug auf sie herniederprasselten. Mehrere schwerfällige Hummeln stürzen mit zerfetzten Flügeln ab und die Drohnen gerieten gefährlich ins Trudeln. „Nichts wie weg hier!“, schrien sie und versuchten zu entkommen. Die Partygäste verfolgten das himmlische Geschehen und hielten es für eine kunstvoll inszenierte Luftschau. Und sie merkten nicht, dass sich ihnen eine viel größere Gefahr näherte:
Auch die Kröten und Frösche der Umgebung hatten von der Party gehört und beschlossen, sich einen so reich gedeckten Tisch auf keinen Fall entgehen zu lassen. Alles, was hüpfen konnte, machte sich auf den Weg und eine wahre Krötenflut rollte auf die Party zu.
Die Störche bemerkten bald, was da vor sich hüpfte. Aber obwohl sie pickten und schluckten so schnell sie nur konnten, rollte die Froschlawine unaufhaltsam weiter. Die Partygäste feierten völlig ahnungslos.
Überraschend wurde die laue Frühlingsluft mit Würgen und Ächzen erfüllt, auch einige Wehlaute waren zwischendurch zu hören. Was war geschehen? Frau Hummel hatte, als sie ihre Einladungen verteilt hatte, auch eine ansehnliche Kolonie von Stinkkäfern besucht. Sie war diesen Wanzen noch nicht begegnet, merkte aber sehr bald, dass sie wahrscheinlich jede Party zum Erliegen bringen würden. Aber die Käfer freuten sich so auf das Fest und da kam ihr eine tolle Idee.
Die Stinkkäfer hatten einen Ring um den Partygrund gebildet - so weit ab, dass sie von den Gästen nicht gerochen werden konnten. Und während die Vögel sofort abdrehten, wenn sie diese ekligen Viecher nur sahen, kam die Kröteninvasion immer näher. Als die Stinkwanzen die Feinde auf sich zukommen sahen, bekamen sie Angst und schon erlebten die Angreifer, warum Stinkwanzen auch Pupskäfer genannt werden. Sie vernebelten die Kriechtiere mit ihren grausamen Düften. Da sich die Frösche und Kröten gegen den Wind angepirscht hatten, sahen die Partygäste zwar eine graue Wolke und hörten schmerzliches Gequake, aber sie rochen nur die frische saubere Frühlingsluft.
Alle bekräftigten beim Abschied, es sei eine wunderbare Party mit tollen Überraschungen gewesen. Kein Frosch, kein Vogel und keine Kröte hatte das gesellige Treiben stören können. Frau Hummels Bemühungen waren erfolgreich gewesen und die Gäste hatten nicht einmal etwas von den drohenden Zwischenfällen bemerkt.
„Das habe ich doch wunderbar hinbekommen“, seufzte Frau Hummel, als sie erschöpft in ihr Bett sank. „Und ein wenig Ausspannen und Feiern ist einfach …“ Aber da war Frau Hummel auch schon eingeschlafen.