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Frau D. und ich

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13.03.2002
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Frau D. und ich

„Ja, und jetzt?“, fragt mich die Frau D. aus dem Fachhochschulsekretariat, als hätte ich die letzten fünf Minuten nur die Lippen bewegt ohne etwas zu sagen.
„Na, jetzt will ich wissen, warum ich exmatrikuliert bin.“
Sehr freundlich hab ich ihr das noch gesagt, weil ich ja ihre Hilfe benötige, diesen außerordentlich unangenehmen Vorfall aus der Welt zu schaffen. Nicht ganz versteckt hab ich einen drohenden Unterton in meine Antwort gelegt, die Freundlichkeit einzustellen, falls sie weiter so gelangweilt über mein Schicksal richtet.
„Sie haben doch den Fünfer-Bescheid bekommen, oder?“
Herrgott im Himmel, natürlich hab ich ihn bekommen, sonst wäre ich doch nicht hier. Denkt sie vielleicht ich würde Mürbteigplätzchen verkaufen?
„Ja, hab ich doch gesagt. Das Problem ist ich verstehe ihn nicht. Seit wann ist man exmatrikuliert, nur weil man eine Prüfung beim ersten Anlauf nicht bestanden hat? Außerdem ist das doch nur ein allgemeines Wahlpflichtfach, völlig unwichtig.“
„Steht alles auf dem Bescheid.“
Unglaublich, ich stehe gerade vor den Ruinen meines ach so jungen Lebens und Frau D. verhält sich wie die Kettensäge in der Fichtenschonzucht.
Blockflöte, Blumenwiese, Maikäfer, spielende Kinder, Ghandi...
„Gute Frau, ich verstehe ihn nicht! Warum bin ich Exmatrikuliert?“
Frau D. steht auf, geht zu einem Aktenschrank.
„Name?“
Eine Unverschämtheit, mein Problem zu ihrem machen zu wollen.
„Peter R.“
Frau D. macht den Aktenschrank auf, entnimmt eine Akte, legt sie auf den Tisch, öffnet sie und bringt einen Zettel zum Vorschein. Alles ganz langsam, alles ganz demonstrativ genervt, als wäre ich der Grund für die Vertreibung aus dem Paradies, wo sie nie hätte Arbeiten müssen, und wo die Tauben Zigarettenfünfer scheißen und die Spatzen die fehlende Mark.
„Haben sie diesen Bescheid bekommen?“
Ihr Blick verliert sich in den augenscheinlich leeren Weiten meines Gehirns, während sie mir die Kopie des Fünfer-Bescheids vor die Augen hält.
„Ja.“
„Da steht alles wichtige drin.“
Es ist lustig in der Hölle: Alle sprechen Deutsch, aber keiner versteht den anderen.
„Ich verstehe ihn nicht! Der Sinn bleibt mir verborgen! Der Inhalt ist mir unbegreiflich!“
Dann bleib ich halt meine Leben lang hier und versuche Satzsynonyme zu bilden mit Nuancenverschiebung in der Betonung, bis sie mich versteht.
„Da steht, dass sie die Note fünf in „moderner deutscher Literatur“ erhalten haben und laut Paragraf was weiß ich exmatrikuliert sind. Herr Peter R., Matrikelnummer 1490443. Was bitte ist da unverständlich? Hätten sie halt besser gelernt.“
Idiot hat sie wohl nicht gesagt, ich habs aber gehört.
Ich bin dann Heimgegangen, weil Frau D. Mittag gemacht hat, hab meinen Bruder angerufen, um ihm zu gratulieren, dass er wahrscheinlich das Familienhaus erben wird und habe dann den Herrn Rausch besucht, wo ich dann die ganze Nacht blieb.
Am nächsten Tag bekam ich einen Anruf, dass es innerhalb der FH eine Verwechslung gegeben hätte, mit den Matrikelnummern oder so. Natürlich bin ich nicht Exmatrikuliert, sondern nur verwarnt. Ein anderer sollte diesen Brief bekommen.
Verlierer. Hätte er wohl besser lernen sollen.

[Beitrag editiert von: wertherlebe am 21.03.2002 um 10:54]

 

Nette kleine Geschichte, das Ende ist vielleicht ein wenig überstürzt. Aber das Du den Herrn Rausch miteinbeziehst, finde ich schön, den kenne ich nämlich auch.

[Beitrag editiert von: franki am 13.03.2002 um 15:58]

 

Eine sehr nette Glosse. Auch "Rainer und ich" hat mir sehr gut gefallen. Mißfallen haben mir jedoch "gehöhrt" (Frau D.) und "gehohlt" (Rainer).

Alltäglicher Kampf mit der eigenen Männlichkeit und der Hochschulverwaltung - kenne ich, hätte ich aber selbst nicht so treffend beschreiben können.

Wenn die Texte auch an manchen Stellen ein wenig mehr Sorgfalt erfordert hätten: sehr humorvoll, originell in der Sprache und unterhaltsam.

Claus.

 

Ja, in der Tat ganz nett.
Hat mir auch gut gefallen, insbesondere wegen der humorvollen Sprache.
Du hast die Kehrseite der Konfrontation mit der Hochschulverwaltung gut beschrieben. :thumbsup:


Hendek

 

@cbrucher:

Nun, Kehrseite, weil im Uni-Leben auch nicht alles

1) Friede-Freude-Eikerkuchen ist;
2) Nicht alle Angestellten in den Uni-Verwaltungen unbedingt entgegenkommend sind;

wobei in Punkt 2 Erwähntes ohne Weiteres den Ausnahmefall implizieren kann.

 

Moin Wetherlebe.

Nun, nach "Rainer und ich" wollte ich auch diese Kg lesen. Hat mir ebenfalls supi gut gefallen. Schön satirisch "angetouched".
Ich bin kein Rechtschreibprofi, aber ich glaube, da sind ein paar Fehler drin. Nochmal durchgucken, oder vielleicht meldet sich noch jemand.

Die Stelle:

Eine Unverschämtheit, mein Problem zu ihrem machen zu wollen.
ist richtig klasse.
Sollte man so mancher unfreundlichen Sekretärin mal an den PC heften!

Lieben Gruß
Maya

 

Hi wertherlebe!

Tolle Geschichte! Vor allem deine Vergleiche und Metaphern waren sehr unterhaltsam!

Beispiele:

Denkt sie vielleicht ich würde Mürbteigplätzchen verkaufen?

hehe

...und Frau D. verhält sich wie die Kettensäge in der Fichtenschonzucht.

<img src="graemlins/fettgrinz.gif" border="0" alt="[ben]" />

...und wo die Tauben Zigarettenfünfer scheißen und die Spatzen die fehlende Mark.

:lol:

Es ist lustig in der Hölle: Alle sprechen Deutsch, aber keiner versteht den anderen.

:rotfl:

Ich will mehrere solcher Vergleiche und Synonyme lesen! Schreib also so schnell es geht mehr Geschichten...

cu_christoph

[Beitrag editiert von: Christoph am 03.04.2002 um 00:43]

 

:rotfl:

Ich hab mir die Geschichte jetzt mal angetan und musste spontan erst mal grob lachen :D

Großes Lob! Vor allem die Vergleiche sind so beinhart.

Es ist lustig in der Hölle: Alle sprechen Deutsch, aber keiner versteht den anderen.

Ist mein persönlicher Favorit. *gg*
Allerdings finde ich, daß die Geschichte wesentlich besser unter "Humor" aufgehoben wäre :)

Grüße

Camaun

 

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