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Frühstück

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19.08.2015
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Frühstück

„Verfickte Hurenscheiße!!!“ Das Glas zerschellte am Boden. Nicht irgendein Glas. DAS Glas! Es war sein verdammtes Lieblingsglas. Nicht weil es besonders teuer gewesen war. Nein, es war so eine kostenlose Dreingabe einer großen Burgerbraterkette. Aber es war blau und stand im Weg. Außerdem kann man sich doppelt aufregen, wenn Lieblingssachen kaputt gehen. Es hätte also jedes andere beschissene Stück Geschirr sein können. Natürlich, es war Montag. Montagmorgen und zum ersten Mal seit Wochen, wollte er vor der Frühschicht ausnahmsweise zu Hause frühstücken. Nicht weil er es sich vorgenommen hätte. Er konnte eh nicht pennen bei dieser scheiß Hitze. Vor einer halben Stunde hatte er sich noch verschwitzt hin und her gewälzt, auf der Suche nach optimalem WLAN-Empfang, kostenlose Internetpornos waren ein Segen.

Fast melancholisch erinnerte er sich an früher, an die alten Blitz-Illus unter seinem Bett. Als einsamer Landonanist hatte er die klassische Karriere erotischer Anschauungskunst hinter sich: die Unterwäscheseiten der Bader- und Otto-Kataloge seiner Oma, die Bravo, die keine Sau wegen der tollen Stories kaufte, die Illustrierten mit Nackedeis, um die er in der Tankstelle stets eine halbe Stunde herumschlich, so tuend, als interessiere er sich für Autozeitschriften. Später dann der große Sprung ins Pornobusiness: als er herausfand in welcher Ecke der Werkstatt der perverse Altgeselle die Happy Weekend versteckte wenn er wieder ne halbe Stunde auf dem Klo verschwand. Lange Zeit stagnierte der Konsum der Printmedien, bis zum Glück eine Videothek in der kleinen Stadt eröffnete. Er erinnerte sich an sein erstes Modem und daran, wie lange die Einwahl in diese scheiß Onlinewelt dauerte. Genug Zeit um die Tempobox und das Spezialmassageöl bereitzustellen. Erst viel später begriff er, dass Babyöl den gleichen Zweck für den Bruchteil des Preises erfüllte, ohne dass er verschämt und mit rotem Kopf an der Kasse hätte stehen müssen. Es begann die Zeit des Diskettentauschens. 3,5 MB geballte Erotik passten seinerzeit auf die kleinen Plastikscheiben. Über die Jahre wich die VHS der DVD und dank Highspeed-Internet und WLAN, war selbst das irgendwann obsolet. Für Sex musste er das Haus nun nicht mehr verlassen. Außer für diese Art Sex, zu der man eine Frau benötigt; Die aber viel Geld dafür haben wollte. Er dachte gerade an Sandy aus der Eichhörnchenbar, die ihn damals mit 18 entjungfert hatte. Dachte schmerzlich daran, was „bis zum Schuss danach ist Schluss“ bedeutete und wie viel Pornos und Gleitcreme er für die 150 Mark wohl bekommen hätte. Damals war er stolz darauf, dass es stundenlanger zäher Kampfmasturbation bedurfte, ehe er grunzend ins Laken laichte. Bei Sandy dauerte es 2 Minuten bis sie lächelnd von ihm abließ, um die Rolle mit den Zellstofftüchern zu holen. Vielleicht war es in den Landbordells so üblich. Vielleicht hatte Sandy aber auch einfach keine Lust, weiter an diesem ungeduschten dicken Versager herum zu lutschen, der stammelnd und schwitzend und schüchtern auf dem Laken zuckte. Wie auch immer. Er war damals ein Mann geworden, er hatte eingelocht, schaffte den Aufstieg vom Wichser zum Ficker...

Der Feuermelder unterbrach jäh diese späte, aber dennoch plausibel klingende Erkenntnis und heiße Fettspritzer unterstrichen diese Rückrufaktion in die Gegenwart. Das Öl war viel zu heiß und die Fischstäbchen viel zu kalt. Nun sind sie schwarz. Und während er den siedenden Tröpfchen auswich fiel ihm ein, dass er die Reste seines Lieblingsglases aufkehren wollte. Er musste aufpassen, nicht auf seinem eigenen Blut auszurutschen, als er die qualmende Pfanne quer durch seine Wohnung balancierte um sie im Badezimmerwaschbecken zu löschen. Die Spüle in der Küche lieferte zwar (stets und ausnahmslos) kochend heißes Wasser, was zum abkühlen der auf dunkle Rotglut erhitzten Billigteflonpfanne nach physikalischen Maßstäben ausgereicht hätte, aber dort stapelte sich das Geschirr der letzten drei bis zwölf Tage. Warum kam seine Oma auch immer so unregelmäßig zu Besuch?

Gedankenverloren stopfte er sich seine Ration Citalopram in den Hals, als er die ölige Jauche den Abfluss hinunter rinnen sah... Nein, er war einfach kein Frühstücksmensch. So schlecht waren die Schokocroissants von der Tanke auch gar nicht. Immerhin, im Fußraum auf der Beifahrerseite war noch ein halber Becher koffeinhaltigen Milchmischerzeugnisses mit Geschmacksrichtung „Latte“. Die gelben Finger drehten hastig eine Zigarette aus schwarzem Tabak. Wenn er doch nur alles so gut konnte wie beim Autofahren drehen. Aus dem letzten funktionierenden Lautsprecher knarzte der WDR2-Wichser mit seiner Gute-Laune-Attacke. Eher unterbewusst nahm das rostige Auto den Weg zum Krankenhaus. Aufgeschnittene Füße und ölverbrannte Füße reichten für mindestens eine Woche gelben Urlaub. Ganz so übel fing die neue Woche gar nicht an.

 

Hallo Flakey!

Willkommen bei den Wortkriegern!
Folgender Kommentar bezieht sich nur auf deinen Text; ich versuche dir mitzuteilen, wie ich ihn gelesen habe, und was meine Meinung dazu ist. Meine Meinung, nichts weiter. Ist auf keinen Fall persönlich zu nehmen; ich will dir nichts Böses.

Ja, ich weiß, es heißt: Sex sells, aber Leser wie ich verdrehen bei derartigen Themen die Augen und klicken schnell zu einem anderen Text.

Jetzt bin ich aber nicht zum Lesen sondern zum Kommentieren da. Okay, was haben wir hier? Einen Text, der "Frühstück" betitelt ist und laut Tag eine Satire sein soll.
Den Titel finde ich nicht passend, weil (auch wenn es zur Frühstückszeit spielt) es ja kaum um Frühstück geht. Der Titel sollte den Leser auf den Inhalt des Textes vorbereiten. Zugegeben, "Wichser" würde vermutlich eher Leser abschrecken, aber um was anderes geht es doch nicht, oder?
Eine Satire sehe ich hier auch nicht. Welches Thema wolltest du hier satirisch verarbeiten? Sollen wir uns über deinen Protagonisten amüsieren?

Ja, sorry, aber das ist nun wirklich nicht mein Fall. Für mich braucht eine Geschichte mehr als einen blöden Protagonisten (der nur an das Eine denkt).

Grüße,
Chris

 

Hey Flakey

Ich finde den Text nicht ganz so schlecht wie mein Vorredner Chris Stone, muss ich sagen :) Den Titel finde ich gerade deswegen passend, weil er nicht zu passen scheint. Aber er passt eben doch, denn es geht schliesslich um die Situation des Protagonisten beim Frühstück und seine Gedanken - auch wenn diese Situation anders aussieht als "die" typische Frühstückssituation. Klar, der Protagonist ist ein schmieriger Typ. Aber wieso sollte man nicht versuchen, eine Geschichte aus der Perspektive eines solchen Menschen zu schreiben, der null Sympathie ausstrahlt? Es ist natürlich alles ein wenig zu überspitzt. Vielleicht wäre etwas weniger Dreck und Sex hier mehr gewesen. Sprachlich finde ich es eher ausbaufähig, aber okay.

Cheers, nevermind

 

Hallo Chris und nevermind,

Vielen Dank für Eure Rückmeldungen.
Chris:
Bei mir musst Du keine "Ist nicht böse gemeint"-Disclaimer anbringen, wenn ich gebauchpinselt werden möchte, frage ich meine Partnerin. Ich möchte ja eine ehrliche Kritik haben um mich weiterentwickeln zu können. Mit den Tags habe ich mich etwas schwer getan. Es ist eine von mehreren Geschichten, die ich aufgrund einer Initialzündung geschrieben habe. Hintergrund sind oft eigene Erinnerungen, diese dann verquickt mit Erlebnissen Anderer und bis zur Spitze überhöht. Beim Schreiben hatte ich den durchschnittlichen Antihelden im Kopf, der im Grunde nichts Besonderes kann, aber durch seine Gedanken und sein Verhalten allein zur Provokation reizen soll. Ob man sich über ihn amüsieren oder gar ekeln soll, bleibt dem Leser überlassen. Es ist auch das erste Mal, dass ich eine Geschichte öffentlich zur Kritik stelle, daher finde ich Deinen persönlichen Eindruck seht interessant, danke Dir.
nevermind:
Der Titel mag tatsächlich etwas irreführend sein. Ich wählte ihn aufgrund des äußerst untypischen Konsumverhaltens, sich morgens Fischstäbchen zu machen. Vielleicht weil er so "pervers" ist, vielleicht aber auch, weil er sonst nichts Essbares im Haus hat. Ist es also ein Typ der sich bewusst asozial verhält, oder verhält er sich so weil er in einer schweren Lebensphase steckt? Ich finde Deine Bemerkung über die Perspektive des schmierigen Typen toll, denn der Protagonist erinnert mich tatsächlich an Lebensereignisse von mir selbst und wie ich in diesen Zeiten auf Andere gewirkt habe. Weniger Dreck und Sex ist ein guter Hinweis, ich taste mich an das richtige Verhältnis nach und nach heran. Es gibt wiederkehrende Themen in meinen Geschichten, vielleicht werde ich mal ein paar Ältere entsprechend Eurer Kritik überarbeiten und hier nach und nach zur Diskussion stellen. Mich würde noch interessieren, wie Du es sprachlich ausbauen würdest.

Danke und Grüße
Flakey

 
Zuletzt bearbeitet:

Hola Flakey,

ich möchte mich in aller Form verwahren gegen Deine Androhung:

... vielleicht werde ich mal ein paar Ältere entsprechend Eurer Kritik überarbeiten ...

Pfoten, hätte ich beinahe geschrieben - also: Hände weg von uns Alten!
Lass uns in Ruhe das Gnadenbrot aufzehren. Und Dir zur Warnung: Unterschätze die 'Grauen Panther' nicht! Wir könnten Dich zerfleischen.

Trotzdem schöne Grüße
von José

 

Mit 34 habe ich meinen Drops auch schon halb gelutscht und ich denke dass Du weißt dass ich ältere Geschichten von mir meinte ;-)

Danke und Grüße zurück
Flakey

 

Hola Flakey,

wir haben uns ja nur ganz kurz touchiert, aber Deine Antwort hat mir gefallen. Deshalb habe ich Dein Profil gelesen. Das hat mich beeindruckt. Und Deine Antwort auf die Kommentare war auch niveauvoll. Ein rundes Ding.
Also muss ich Deine Geschichte lesen.
Pardauz! Da liegt er auf der Nase!

„Verfickte Hurenscheiße!!!“
Zwei Ausrufezeichen zuviel, ‚verfickt’ ist ein Übersetzungsfehler und im Zusammenspiel mit ‚Hurenscheiße’ nicht der große Knaller. Der Autor bist Du - ich würde meine Leser nicht so unterirdisch anbaggern. Ich lese weiter.

Es bleibt dabei, ich kann kein einheitliches Bild erkennen. Du in der Korrespondenz: charmant, heiter-flockig; auf der anderen Seite eine Geschichte, die für mein Empfinden purer Quark ist. Da wird auf billige Effekte gesetzt, die Sorge um die beste Wichsvorlage macht den Hauptteil aus und dann fährt er mit einem rostigen (haha) Auto ins Hospital.
Menschenskind, Du kannst doch schreiben! Servierst uns aber olle Kamellen:

... wie viel Pornos und Gleitcreme er für die 150 Mark wohl bekommen hätte.
Ein ‚ha’ mehr – also hahaha.

Jetzt besinne Dich mal Deiner Qualitäten und bedrohe uns nicht:

... vielleicht werde ich mal ein paar Ältere entsprechend Eurer Kritik überarbeiten

So what? Das willst Du uns vorsetzen?
Ich bitte Dich inständig – tu’ es nicht! Schreib neu. Hau alles rein, was geht. Sonst kannst Du Dich gleich mit in die Mottenkiste begeben.

Ich hoffe, wir bleiben in Kontakt!
José

 

Hallo José,

Es bleibt dabei, ich kann kein einheitliches Bild erkennen. Du in der Korrespondenz: charmant, heiter-flockig; auf der anderen Seite eine Geschichte, die für mein Empfinden purer Quark ist.

HA! Damit kann ich doch arbeiten, schöne Rückmeldung auf der Metaebene. Selbstverständlich ist diese Geschichte für Dich purer Quark, wie für viele andere Menschen wahrscheinlich auch. Aber das ist ein guter Hinweis, denn freilich habe ich vergessen, dass andere Leser diese Dinge nicht durch meine Augen sehen. Das bedeutet für mich nun: Versuche die "Message" so zu transportieren, dass sie auch unbeschadet ankommt.

Die billigen Effekte waren in meinen Gedanken tatsächlich überaus lustig, weil in meinem Kopf auch klar war, was der Protagonist für jemand ist und wie seine Gedankenwelt aussieht. Das Alles bleibt Euch verborgen, klassischer Anfängerfehler würde ich sagen. In diesem Kontext eignet sich mein Text dann wohl eher als Blogeintrag denn als Kurzgeschichte.

Ehrlich: Ich habe so viel geschrieben in meinem Leben und immer alles heruntergeschluckt, ich bin froh dass ich endlich mal etwas zur Diskussion gestellt habe, das hilft mir weiter. Ob mir die Gratwanderung gelingt, deutlich zu machen was ich aussagen möchte, aber dennoch dabei nicht gänzlich auf den Griff in die Zotenkiste verzichten muss? Ich bin mal gespannt. Meine Texte schreibe ich tatsächlich nicht um des Schreibens willen, sie dienen mir oft der Katharsis. Andere spielen Ballerspiele oder hauen sich im Stadion auf die Backen (ja, im Winter soll es hier im Sauerland Menschen geben, die aus dem gleichen Grund vor die Fichten treten).

Ich hoffe, wir bleiben in Kontakt!

Aber gern, warum nicht? Der erste Schritt ist gemacht!

Viele Grüße
Flakey

 

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