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Frühstück vs. Streß
Wie jeden Morgen mache ich mich nach dem Frühstück zielstrebig auf den Weg ins Büro. Und natürlich habe ich wieder einmal eine ziemliche Hektik.
Sie fragen sich sicher, wieso denn wieder. Nun, lassen Sie mich das kurz erklären: Der ruhigste Moment in meinem Leben ist das Frühstück. Dafür lasse ich mir viel Zeit. Alle anderen Mahlzeiten und Tätigkeiten werden in genau der ungesunden Schnelligkeit erledigt, die in den hektischen Büroalltag passt. Beim Frühstück sind wir Deutschen mit einer durchschnittlichen Frühstückszeit von 26 Minuten „Weltspitze“ – wenigstens beim Frühstück. Wir dehnen damit diese Mahlzeit sogar um 10 Minuten weiter aus, als die nach uns platzierten Briten. Wobei ich eigentlich kaum verstehen kann, dass man überhaupt frühstückt, wenn Fisch & Chips auf der Karte stehen. Egal, das Frühstück ist eine herrliche Ausnahme meines von Stress durchweichten Tages.
Das Mittagessen muss in 10 Minuten gegessen sein. Manchmal müssen auch 5 Minuten reichen. Schließlich braucht man noch etwas Zeit für sich selbst, um wenigstens etwas zur Ruhe zu kommen, sage ich immer. In Wirklichkeit kann ich in der kurzen Mittagspause nicht so weit abschalten, dass ich ein geruhsames Mittagsmahl zulassen kann. Auch das Abendessen verschwindet so ganz nebenbei in meinem offenen Mund, ohne viel Aufhebens darum zu machen, wie viel Speichel bereits am Brot klebt. 40 Mal kauen. Gilt das eigentlich pro Bissen oder für das ganze Mahl? Jemand nannte mich sogar schon mal Staubsauger. Daran können Sie vielleicht schon erkennen, dass mir die anderen Mahlzeiten neben dem Frühstück nicht so viel bedeuten (warum weiß ich eigentlich selber nicht so richtig).
Ich trinke auch keinen Kaffee, Milch oder Kakao zum Frühstück. Ich trinke Tee. Den aber mit Genuss und was Gesundes muss es sein. Am Liebsten einen schadstofffreien Tee aus dem Hochland von Darjeeling. Man muss seinem Körper schon mal was Gutes tun, deshalb bestelle ich diesen Tee auch immer kiloweise. Zu diesem morgendlichen Hochgenuss blättere ich meistens die Tageszeitung durch. Die Zeitung am Abend zu lesen will ich mir nicht vorstellen, denn nichts ist so alt wie die Neuigkeiten des vorangegangenen Tages, insbesondere dann, wenn Sie diese erst erfahren, nachdem alle schon Bescheid wissen.
Der große Nachteil der Frühstückszeit ist eigentlich nur, dass während ich die Zeitung lese und meinen Tee genieße, die Zeiger der Uhr nicht stehen bleiben. Wie das so üblich ist mit den Uhren, drängen diese mich dazu, die Beine in die Hand zu nehmen und ins Bad zu marschieren. Gegenüber dem Spiegel begegnet mir dann das ganze Elend, für das ich eigentlich keine Zeit eingeplant hatte. Es ist dringend notwendig, dass ich mich heute rasiere. Und auch die Haare könnte ich wieder waschen. Das habe ich zwar erst gestern getan, aber irgendwie sind meine Haare heute wieder reif. Sie müssten mich sehen.
Eigentlich sollten mir meine Haare nicht so wichtig sein, denn so viele sind davon nicht mehr da. Mein Pony zieht sich langsam zum Hinterkopf zurück und verbündet sich dort mit einer beginnenden Platte. Manchmal, wenn ich mich so anschaue, vermute ich, dass vielleicht nur mein Kopf wächst und die Haare einfach nicht mitkommen. Aber solange ich mir nicht im Spiegel begegne, denke ich eigentlich gar nicht an meine Haare, weswegen diese wohl beleidigt sind und sich durch den Abfluss der Dusche in irgendwelche Abenteuer stürzen. Erschreckend wirken auf mich vor allem Fotografien. Geht es Ihnen genauso?
Insbesondere dann, wenn ich durch das Geschick eines angehenden Hobbyfotografen so leicht von hinten, schräg oben aufgenommen werde. Eine Perspektive, wie sie im Spiegel nie erscheint. Noch heute behaupte ich beim Begutachten mancher Bilder, dass ich die Person, die dort abgelichtet ist, nicht kenne. Niemand glaubt mir, obwohl ich darauf sogar einen Eid leisten könnte. Vor allem einzelne Urlaubsfotos haben es mir angetan. Ganz toll, wenn dann jemand sagt: „Deine Haare sind wohl nicht mitgekommen in Urlaub, was?“. Haha – alter Witz. Sie kennen das? Ich nenne solche Witze immer ZZ-Top-Witze, weil die Witze so lange Bärte haben, wie die Musiker der texanischen Rockgruppe und mindestens schon so lange existieren.
Wie auch immer. Ich shampooniere mich unter einer entspannend wirkenden, warmen Dusche, unter der ich die Zeit abermals vergesse. Ein fataler Fehler, wie sich immer dann herausstellt, wenn ich mich abtrockne und mir das Radio mitteilt „Es ist 7.55 Uhr, fünf Minuten vor Acht. Ich verabschiede mich für heute - und bloß kein Stress.“ Schöne Worte. Ich bin noch nicht richtig abgetrocknet, habe nasse Haare und weiß noch nicht, was ich heute anziehen möchte und soll sogar noch versuchen, keinen Stress aufkommen zu lassen? Die Leichtigkeit, mit der ich diese Probleme in kürzester Zeit löse, sollten sich andere als Vorbild nehmen. Schnelle Kompromisse und nicht mehr darüber nachdenken.
So, nun ist es eine Minute nach Acht und ich hetze aus dem Haus. Meine Arbeitszeit beginnt um 8.00 Uhr. Zum Glück bin ich mit dem Wagen in fünf Minuten im Büro. Sicherlich wäre es gesünder, mit dem Fahrrad ins Büro zu fahren oder gar dorthin zu laufen. Aber würde ich das in fünf Minuten schaffen?