Frühlingskälte
Frühlingskälte
Es ist kalt. Zu kalt, ein Tag um einfach mal zuhause zu bleiben und nichts zu tun. Ich würde das auch tun. Aber ich tue es nicht.
Ich stehe hier in der Eiseskälte auf dem Sportplatz und gucke den Jungs beim Training zu. Dabei hasse ich Fußball. Und das alles nur wegen meiner besten Freundin. Mona. Die steht nämlich auf Tom und der spielt Fußball. Er hatte sie heute gefragt, ob sie zuguckt und sie sagt ja. Bei diesem Wetter. Es ist Frühling, hatte sie gesagt, als ich gesagt habe ich hätte keine Lust. Ja habe ich da geantwortet, kalter Frühling. Ich konnte mich also nicht heraus reden und jetzt stehe ich hier und wünschte ich hätte meine Winterjacke an. Ich gucke auf die Uhr. Zehn Minuten, in zehn Minuten kann viel passieren. Meine Füße könnten einfrieren, meine Hände könnten einfrieren, Tom könnte herüber kommen und Mona seine Liebe gestehen.
Ich weiß das wäre nicht so romantisch, aber ich müsste nicht mehr in dieser Eiseskälte stehen. Naja wahrscheinlich doch, nur dann noch länger. Die ganze Zeit, während unser neues Traumpaar sich gegenseitig die Zunge in den Hals steckt, müsste ich auch noch hier stehen. In diesen zehn Minuten könnte Mona auch die Lust verlieren und wir könnten gehen, was so wahrscheinlich ist, wie, das jemand, hier und jetzt, heißen Kakao aus der Luft zaubern könnte. Aber natürlich passiert nichts von all dem.
Nein stattdessen spüre ich einen Schmerz am Kopf, bevor ich umfalle. Ich hatte ja gesagt ich hasse Fußball. Nein, ich hasse Bälle und Jungs die mit Bällen spielen und ja, eigentlich alle Jungs, denn nur wegen ihnen steht man stundenlang in der Kälte auf Fußballplätzen und bekommt Bälle an den Kopf. Mona sagt meinen Namen, doch jetzt bin ich sauer und habe gar keine Lust meine Augen zu öffnen. "Sophie.", sagt da eine andere Stimme. Und mein Herz bleibt stehen, es ist die wunderbarste Stimme aller Zeiten. Ich öffne langsam die Augen und sehe ihn. Nicht nur die Stimme ist wunderbar. Der ganze Typ ist es. Seine Haare sind braun und leicht verwuschelt. Aber am meisten fallen seine grünen Augen auf. Er sieht mich besorgt an. "Geht’s dir gut?", fragt er. Mir geht es gut, wunderbar geht es mir. Mir ist nicht mal mehr kalt und das obwohl ich auf dem kalten Boden liege. Ich überlege eine halbe Sekunde ob ich die Leidende oder die Starke mimen soll. Ich entscheide mich für die Starke. "Geht schon", sage ich deshalb und versuche aufzustehen, doch plötzlich dreht sich alles und ich drohe, schon wieder umzukippen, aber der Typ, das wahre Prachtexemplar von Typ, schlingt schnell den Arm um meine Taille und hält mich fest. Kurzerhand entscheide ich mich dafür, dass es mir sehr schlecht geht.
"Das sieht aber nicht so aus.", sagt ER. "Anscheinend."; murmele ich und lehne mich ein bisschen doller gegen ihn. Und plötzlich finde ich Fußball gar nicht mehr blöd und kalte Frühlinge auch nicht mehr und auch Stundenlang beim Training zu gucken, kommt mir plötzlich wie ein sechser im Lotto vor.
"Vielleicht sollte ich mich setzen.", sage ich. Er nickt und lenkt mich zu einer der Bänke am Rand. "Wie heißt du?", frage ich ihn, ohne auch nur einmal den Blick von ihm zu wenden. "Lukas. Und du Sophie, oder?"; sagt er und lächelt, wobei er eine Reihe strahlend weißer Zähne entblößt. Ich nicke. "Tut mir übrigens Leid.", sagt er. Ich sehe ihn stirnrunzelnd an. "Das ich dich getroffen habe, mit dem Ball. Das war ich. Tut mir echt leid.", sagt er und wird dabei leicht rot. Das hatte ich schon wieder vergessen. Ich war wohl zu abgelenkt. "Macht nichts. Das einzige was dabei irgendwie einen Schaden abbekommen hat ist mein Herz.", sage ich und werde auch rot. Er sieht mich fragend an. Ich zucke nur mit den Schultern, dass kann ich nun wirklich schlecht erklären. Er sieht zu den Jungs rüber, die wieder angefangen haben zu spielen. Gleich ist mein Märchen vorbei denke ich, denn so kommt mir das ganze hier langsam vor. Er steht auf. "Na denn...", sagt er. Gleich geht er, mein Märchenprinz und ich habe ihn für immer verloren. Ich überlege kurz ob ich von der Bank fallen soll, so als Nachwirkung des Sturzes, entscheide mich jedoch dagegen. "Krieg ich keine Entschädigung?", sage ich und sehe ihn ernst an. "Entschädigung?", fragt er. "Ja, zum Beispiel deine Handynummer.", schlage ich grinsend vor. Er grinst zurück. "Klar." Und in dem Moment ist mir klar mein Märchen ist noch lange nicht zu Ende.