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Forelle a la Bordelleise...

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26.02.2004
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Forelle a la Bordelleise...

Forelle a la Bordelleise...

Wann hatten Sie das letzte Mal Hunger? So richtigen Hunger meine ich. Mich überfiel er vor kurzem in Hamburg - abends um halb elf auf meinem Hotelzimmer. Was machen Sie in einer solchen Situation? An den Kühlschrank gehen? Der Kühlschrank in einem Hotelzimmer ist ziemlich klein und enthält nicht gerade Dinge, die einen satt machen. Den Zimmerservice rufen? Ehrlich gesagt, ich habe für solche Späße nicht das nötige Kleingeld.

Ich fuhr mit der U-Bahn zum Hauptbahnhof, in der Hoffnung, dort noch einen ansprechenden Imbiß zu finden. Ansprechend heißt in diesem Fall, daß ich mich in solchen Situationen von einem gewissen Instinkt leiten lasse, der mir beim Anblick einer bestimmten Speise deutlich zuraunt: "iß mich!"

Leider sagte mir während des ganzen Ganges durch den Hauptbahnhof mein Instinkt rein gar nichts. Mir gelüstete es nicht nach dem Schottischen Spezialitätenrestaurant und die Bäckereistände mit ihren wiederholt aufgebackenen Pizzabaguettes reizten mich auch nicht. Nachdem ich das Bahnhofsgebäude durchschritten hatte, machte ich mich auf den Weg durch die Fußgängerzone, aber fand auch dort nicht das Richtige. Immerhin sprach leise mein Instinkt zu mir, indem vor meinen Augen ein liebevoll arrangiertes Fischbrötchen hin und hertanzte.
Da die Fußgängerzone nicht den gewünschten Erfolg brachte, versuchte ich es auf der anderen Seite des Bahnhofs, wo mir eine Vielzahl von Leuchtreklamen ein um diese Uhrzeit noch etwas lebendigeres Straßenbild prophezeite. Beim Näherkommen stellten sich die vielen Lichter in erster Linie hauptsächlich rot und zweitens recht zwielichtig dar. Mich trieb das vor mir schwebende Fischbrötchen voran.

"Hallo!" wurde ich von einer freundlichen und durchaus angenehmen Frauenstimme angesprochen. Die Augen von meinem imaginären Ziel mit Gewalt abwendend, erkannte ich eine ebenso angenehme und durchaus sympathisch wirkende junge Dame.

"Hallo" erwiderte ich freundlich und wurde mir sogleich gewahr, daß es sich wohl um eine Dame des horizontalen Gewerbes handeln mußte, die jedoch wiederum nicht so recht in das billige fleischpräsentierende Klischee passen wollte. Sie war eher büromäßig mit einem schicken Kostüm gekleidet und präsentierte auf diese Weise zumindest einen guten Geschmack.

Dann kam der Satz, der mir den ganzen Abend versüßte: "Es wird Zeit, daß es bald Frühling wird." Das war die routinierte Gesprächseröffnung, die wohl bahnbrechen sollte für die folgenden Preis- oder Lokalitätenverhandlungen. Dieser Satz jedoch hatte auch mich eine fatale Wirkung. Zugegebenerweise habe ich in solchen Verhandlungen nicht wirklich viele Erfahrungen, genauer gesagt eigentlich gar keine, und so mutete mir der Satz so unpassend an, daß ich vor der Dame stand und laut loslachte.

Als ich mich wieder etwas gefangen hatte und zu Luft kam antwortete ich sehr freundlich: "Ja wirklich, sie haben Recht. Es wird wirklich Zeit." Dabei hatte ich ja ein ganz anderes Problem. Mir war nicht nach Preisverhandlungen zumute und das Frühlingswetter war mir um diese Uhrzeit auch nicht so furchtbar wichtig, denn immerhin regnete es ja nicht. Statt dessen rückte sich das besagte Fischbrötchen immer wieder in mein Gesichtsfeld.

"Wissen Sie", fing ich etwas unbeholfen und immer noch lachend an, "Sie können mir ganz anders helfen".

"Ja bitte?" Nun war es an ihr, etwas verdutzt bis verunsichert dreinzuschauen.

"Fisch" sagte ich. "Ich habe Hunger und sehe die ganze Zeit Fisch vor mir. Sie können mir da nicht zufällig helfen?"

Die Frage schien sie zu verwirren. Sie wußte wohl nicht recht, wie ernst es mir war. Sie hatte übrigens ein bezauberndes Lächeln. Es schien, als käme sie langsam zu der Überzeugung, daß ich eher unbeholfen und hungrig sei, als sie mit meiner Frage durch den Kakao ziehen zu wollen. Dieses freundliche Lächeln machte sie mir richtig sympathisch.

"Fisch?" fragte sie mich noch einmal zurück.

"Ja", erwiderte ich. "Leider finde ich kein Lokal oder keinen Imbiß, der mir den jetzt bieten könnte und sie kennen sich doch hier viel eher aus."

Die Rettung kam um die Ecke in der Gestalt von Elim. Keine Sorge, ich kannte Elim bis dato auch nicht, aber die Schönheit vor mir dafür kannte ihn wohl um so besser. "Elim!" rief sie ihn herbei, "Kannst Du dem Herrn hier nicht Fisch machen? Du machst doch leckeren Fisch. Und er möchte so gern Fisch." Dann wandte sie sich wieder mir zu. "Elim macht Ihnen jetzt Fisch. Gehen Sie einfach mit." Ihr Lächeln war bezaubernd. Das Fischbrötchen schwebte derweil wie ein Heiligenschein über Elim.

Ich versuchte mich noch, so lieb ich das in der Eile konnte, von diesem freundlichen Engel zu verabschieden und folgte Elim samt dem über ihm schwebenden Brötchen. Die Rettung war nahe. Es hätte natürlich auch mein Untergang sein können. Schließlich war ich wahrscheinlich in einer der etwas dubioseren Ecken Hamburgs geraten und hatte mit den dortigen Gepflogenheiten und gewerbsmäßigen Diensten keinerlei Erfahrungen. Ein Wenig mulmig war mir also schon, aber der Hunger trieb mich hinter Elim her.

Nur drei Häuser weiter war Elims Lokal, eine Mischung aus türkischen Restaurant und Imbiß. Ein Lokal, um schnell und für wenig Geld ein kurzes orientalisches Essen zu erhalten.

Nicht so für mich. Schließlich war ich ja auch auf besondere Empfehlung hier. Mir wurde also schon eine gewissermaßen gehobene Behandlung zuteil. Mir wurde aus dem Mantel geholfen. Mir wurde extra der Tisch fein gedeckt. Mir wurde ein ausgesprochen leckerer Wein kredenzt. Ansonsten wurde ich nur noch um ein kleines Bißchen Geduld gebeten.

Nun gut, es dauerte ein Wenig. In der Zeit, in der Elim mir den Fisch zubereitete, kamen mehrere andere Gäste, erhielten auf die Schnelle ihr Gericht, verspeisten es hastig und gingen auch wieder, ohne nur ihren Mantel abgelegt zu haben. Aber ich war ja schließlich auf besondere Empfehlung hier.

Nachdem Elim unterschiedliche Gemüsesorten und Salatelemente fein säuberlich mit dem Messer in feine Streifchen geschnitten und auch die restlichen Zutaten ausgesprochen sorgsam zubereitet hatte, nachdem der nun mit einem ausgesuchten Teil dieser Zutaten gefüllte Fisch in Folie gegart wurde, nachdem das alles kunstgerecht auf einem Teller arrangiert worden war, wurde mir nun diese Köstlichkeit serviert. Die Serviette über den Arm geschwungen, den Teller in einer eleganten Bewegung an meinem Platz abgestellt und noch etwas Wein nachgeschenkt, so wurde ich also bedient wie in einem exquisiten Nobelrestaurant. Ich muß zugeben, das Warten hatte sich gelohnt. Die Forelle schmeckte wirklich vorzüglich! Zudem stellte ich, als ich die Rechnung bekam, erstaunt fest, daß mir wohl ein Freundschaftsrabatt eingeräumt worden war. Nun ja, ich war ja auf Empfehlung hier.

Es war eine Erlebnisgastronomie der besonderen Art. Vor der Tür des Lokals hielten immer wieder Fahrzeuge, die dann zielstrebig von der jeweils sich gerade vor dem Lokal aufhaltenden Dame angesteuert wurden. So wurde mir auch während der Wartezeit und beim Essen nicht langweilig. Schließlich gab es ja genug zu beobachten.

Ich hätte mich ja nach dem Essen gerne bei meiner Fürsprecherin bedankt, aber dann dachte ich mir, sie wäre wahrscheinlich nicht mehr im gleichen Bordsteinabschnitt anzutreffen und ich wollte sie auch nicht weiter von ihrem Verdienst abhalten.

Nun, auch Werbung klappt normalerweise nur auf Gegenseitigkeit und während mir Elim in den Mantel half, sprach er mich noch mal auf die freundliche junge Frau an und pries mir vor allem ihren glorreichen und makellosen Körper. Einen glorreichen Körper wollte ich an diesem Abend aber nicht mehr. Ich hatte ja meinen Fisch.

 

Hallo Gregor!

ersteinmal herzlich willkommen! :)

Zur Geschichte: hatte ich am Anfang noch den Eindruck, es handele sich um einen etwas ungeschickt umvormulierten Tagebucheintrag, so bist du stilistich immer sicherer geworden, bis zum Schluss eine Geschichte herausgekommen ist, die mir sehr gut gefallen hat. Ein kleiner Schmunzler am Schluss, lebendig und geradliniger Mittelteil, sehr gerne gelesen.
Wie gesagt, der Anfang wirkt noch etwas unbeholfen, so als hättest Du nicht recht gewusst, wie Du die eigentliche Geschichte eben anfangen solltest. Weswegen Du besipielsweise dort warst, sit mir als Leserin eigentlcih total egal.
Wie man Lust auf Fisch haben kann ist mir zwar schlicht ein Rätsel, dennoch habe ich Deine erste Geschichte heir sehr gerne gelesen!
Und wieder eine nette Bekanntschaft... :)

schöne Grüße
Anne

 
Zuletzt bearbeitet:

Nachdem ich mir das nochmal durch den Kopf gehen ließ, habe ich den Anfang der Story neu geschrieben.

Er lautete ursprünglich:

Vor kurzem war ich in der alten Hansestadt Hamburg. Eine Woche Lehrgang zur Administration eines Betriebssystems. Die Schulung ging jeden Tag bis fünf Uhr am Nachmittag und man kann schon sagen, daß es ziemlich anstrengend und ungewohnt ist, wieder die Schulbank drücken zu müssen. Also lag ich meistens direkt, wenn ich ins Hotel kam, schon auf dem Bett und begnügte mich damit, ein Wenig zu dösen oder Fernsehen zu schauen.

Am Mittwoch abend jedoch hatte ich ganz banal Hunger. Das Mittagessen war an diesem Tag nicht so heftig ausgefallen wie an den anderen Tagen und so trieb mich mein Magen abends gegen halb elf nach einem amüsanten Spielfilm aus meinem Domizil. Ich wollte ja nicht für teueres Geld in einem Hotelrestaurant speisen und mir war auch nicht danach, mich noch besonders fein anzuziehen. Also brachte ich mich in einen halbwegs passablen Zustand und fuhr mit der Ubahn zum Hauptbahnhof, in der Hoffnung, dort noch einen ansprechenden Imbiß zu finden. Ansprechend heißt in diesem Fall, daß ich mich in solchen Situationen von einem gewissen Instinkt leiten lasse, der mir beim Anblick einer bestimmten Speise deutlich zuraunt: "iß mich!"


Dies nur zur Nachvollziehbarkeit der Antwort.

Danke für den Denkanstoß!

Gregor

 

hallo gregor & willkommen.

ich habe bereits die korrigierte fassung gelesen und sehe in deinem nachtrag den ursprünglichen anfang. ich kann dir sagen, du hast gut daran getan, diesen auf das notwendigste zu reduzieren.
deine geschichte ist eine solide erzählung. lebhaft und flüssig.
ich habe sie gerne gelesen.
bis dann

barde

Wann hatten Sie das letzte mal Hunger?

"mal" gross

Ich fuhr mit der Ubahn zum Hauptbahnhof,

"Ubahn" >> "U-Bahn"

die jedoch wiederum nicht so recht in das billige fleischpräsentierende Klischee passen wollte.

ein komma hinter "billige"

sprach er mich noch mal auf die freundliche junge Frau an

hinter "freundliche" ein komma

 

Hallo Barde,

danke für den Kommentar und die Tips. Die Kommata lasse ich allerdings raus, da ich das "fleischpräsentierende Klischee" billig finde und nicht das Klischee fleischpräsentierend und billig und ich entsprechend auch die "junge Frau" freundlich beschreiben wollte und nicht die Frau jung und freundlich.

Vielen Dank und freundliche Grüße

Gregor

 

Hallo Gregor!

Nochmal Rückmeldung: so gefällt mir der Anfang deutlich besser. :)

Grüße
Anne

 

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