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Folgenschwere Freundschaft

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09.06.2012
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Folgenschwere Freundschaft

Warschau 1942. Familie Schmitt war gerade dabei, ein paar Umzugskartons auszuräumen. Vorher hatten sie in Berlin gewohnt, doch der Sohn der Familie, Adolf, wurde nach Polen versetzt. Ihr neues Zuhause war in Warschau, direkt neben dem Ghetto. Das war nötig, weil der 20 Jährige dort arbeitete. Seine Aufgabe war es, aufzupassen, dass niemand das Ghetto betrat oder verließ, ohne ausdrückliche Erlaubnis. Diese Arbeit war ihre einzige finanzielle Einnahmequelle, da der Vater keine Arbeit besaß. Adolfs Meinung nach, lag das daran, dass die Juden ihm seinen Arbeitsplatz weggenommen hatten. Somit fand er auch die Idee einer Judenfreien Welt sehr gut und war auch stolz darauf so heißen zu dürfen, wie der Führer. Aus diesen Gründen hatte er sich vor drei Jahren der Gestapo angeschlossen. Deshalb hätte er auch alles für eine Beförderung getan, doch bis jetzt hatte sich noch keine Gelegenheit dazu geboten. Seine Eltern Gertrude und Karl waren ebenfalls Anhänger von Hitler und standen voll hinter ihrem Sohn. Sie waren sehr stolz auf ihn, auch weil er sehr ehrgeizig war und seiner Arbeit immer hundertprozentig nachging. Familie Schmitt hatte auch noch eine Tochter. Die vierzehnjährige Sigrid. Sie war ein liebes Mädchen und immer strebsam und gut in der Schule. Dort hatte sie auch jüdische Freundinnen gehabt und verstand nicht, wieso alle einen so großen Hass auf sie hatten. Ihre damals beste Freundinn Sarah zum Beispiel, sie konnte so toll Klavier spielen. Sigrid hätte auch sehr gerne Klavier gespielt, doch ihre finanzielle Lage erlaubte ihnen dies nicht. Sarahs Vater war ein Bankier und hatte immer gut verdient. An einem Morgen kam Sarah einfach nicht mehr in die Schule. Sigrid hatte nie wieder etwas von ihr gehört. Das machte sie sehr traurig. Da gab es noch ihren Hausarzt Dr. Rosenbaum, er war immer lustig und freundlich gewesen. Sigrid mochte ihn wirklich gerne, doch ihr Vater Karl sagte zu ihm einmal, dass er nicht mehr kommen dürfe und dass es ihm Leid täte. Erst später erfuhr Sigrid, dass es daran lag, dass er Jude war. „So jemanden dürfen wir nicht mehr in unser Haus lassen“, hatte er damals zu seiner Tochter gesagt. Und sie hatte ihm einfach geglaubt. Damals war sie zehn Jahre alt, heute hätte sie ihrem Vater nicht mehr alles geglaubt, denn sie war sehr neugierig und wollte sich von allem immer ihre eigene Meinung bilden. So war es auch am Tag des Umzugs, nachdem alle ihre Habseligkeiten wenigstens halbwegs verstaut waren, wollte sie auf Erkundungstour gehen. Sie wusste zwar nicht, was sie da erwartete, aber ein bisschen interessanter hätte sie sich die Gegend schon vorgestellt. Das einzige was man Kilometerlang sehen konnte, war die Mauer des Ghettos, die die arische Seite abgrenzte. Enttäuscht ging sie wieder nach Hause. Trotzdem spazierte sie in den darauffolgenden Tagen immer wieder dort entlang, weil niemand für sie Zeit hatte und sie in der neuen Heimat noch keine Freunde gefunden hatte. Knapp zwei Wochen nach ihrem Umzug traf sie an der Mauer ein etwa gleichaltriges Mädchen. An der Kleidung, die sehr alt, verschmutzt und teilweise auch kaputt war, erkannte sie, dass das Mädchen von der „anderen Seite“ kam. Sie war sehr blass und dürr wie ein Skelett. Auch hatte sie angeschwollene Augen, als ob sie den ganzen Tag geweint hätte. Sigrid, die ein großes Herz hatte, fragte sofort, wie sie hieße und was passiert wäre. Das Mädchen war eine Jüdin und hieß Rachel. Es stimmte was Sigrid geahnt hatte. Das Kind hatte den ganzen Tag geweint, denn es stellte sich heraus, dass es am vorigen Tag bereits einmal aus dem Ghetto geflohen war. Während dieser Zeit war ihr ganzer Sektor mit ihren Eltern, Großeltern und Geschwistern verschwunden. Sie wurden deportiert, aber niemand wusste wohin. Jetzt war Rachel ganz alleine, niemand war mehr für sie da, der ihr helfen konnte oder mit ihr das durchstehen, was sie täglich im Ghetto erlebte. Natürlich war es verständlich, dass sie sich da Sigrid anvertraute, auch wenn sie keine Jüdin war und sie jederzeit verraten konnte, was dann ihren Tod bedeutet hätte. Sie

muss wohl gedacht haben, dass sie eh schon alles verloren hatte. Was wäre also jetzt noch schlimm daran, wenn sie auch sterben würde? „Warum wurde denn deine Familie weggebracht?“, fragte Sigrid verwirrt. „Ich weiß es doch auch nicht“, antwortete Rachel und schon wieder lief eine Träne ihre Wange herab. Irgendwie musste Sigrid das Gefühl gehabt haben, dass sie Rachel die ganze Wahrheit über ihre Familie sagen musste und das tat sie dann auch. Natürlich war Rachel sehr entsetzt. „ich dachte du wärst anders, anders als all die anderen Menschen hier, aber du und deine Familie, ihr seid doch alle gleich. Ihr gehört alle zur selben Sorte Mensch!“. Sie warf Sigrid noch einen letzten Blick zu, dann rannte sie davon. Verstört und traurig ging diese nach Hause. Sie dachte nun endlich eine Freundin gefunden zu haben, aber dem schien wohl doch nicht so. Als sie nach Hause kam, sperrte sie sich einfach in ihr Zimmer ein und wollte mit niemandem mehr sprechen. Sie war tief in Gedanken. Einerseits machte es sie natürlich sauer, dass jemand ihre Familie derart beleidigte, andererseits dachte sie, dass es ja stimmen könnte was Rachel gesagt hatte, dass Leute wie Sigrids Bruder, Rachels Familie umgebracht haben sollen? Also beschloss sie, sich selbst davon zu überzeugen. Am nächsten Morgen stand sie früh auf, da Rachel ihr erzählt hatte, dass die Deportationen immer morgens stattfanden, und ging zu den Bahngleisen. Tatsächlich sah sie tausende von Menschen, die alle dicht aneinandergedrängt standen und wild herumirrten. Mütter, deren Kinder ihnen aus den Armen gerissen wurden. SS Leute, die brutal Familien voneinander trennten. Und mittendrin ein christliches Mädchen, das so viel Trauer, so viel Angst, noch niemals in seinem Leben gesehen hatte. Plötzlich sah sie Rachel. Sie stand dicht an die Wand gepresst und starrte voller Entsetzen auf das Schauspiel, dass sich ihr dort bot. Und dann trafen sich die Blicke der Mädchen. In dem Durcheinander merkte sowieso niemand, dass sich Sigrid und Rachel mit einem Blick, der soviel hieß wie „Komm, lass uns verschwinden. Wir haben genug gesehen“, berieten. Sie rannten davon, wieder in die Nähe der Mauer, wo sie sich schon vorher begegnet waren. Rachel weinte wieder, sie kam auf Sigrid zu, diese nahm sie in den Arm. So standen sie etwa fünf Minuten, bis Rachel sich plötzlich entschuldigte, für das, was sie gesagt hatte. Schließlich wusste Sigrid nichts davon und konnte ja auch nichts für ihre Familie. Dieses Erlebnis hatte die beiden noch enger zusammen geschweißt. Sie trafen sich jetzt jeden Tag und immer nahm Rachel das Risiko auf sich, aus dem Ghetto zu fliehen, nur um Siggi, wie sie sie inzwischen nannte, zu sehen. Sigrid hatte angefangen, Butterbrote für die neue beste Freundin mitzubringen, da diese immer dünner wurde, soweit das überhaupt noch möglich war. Trotz der Kleidung sah man bei jeder Bewegung ihre Rippen hervorstechen. Immer, wenn sie sich trafen, hatte Sigrid Angst, dass Rachel einfach umkippen würde, weil die dürren Beine sie nicht mehr tragen konnten. Doch das passierte nicht. Stattdessen sah Adolf, Siggis Bruder, die beiden Mädchen einmal zufällig. Natürlich erkannte er auch sofort, dass es sich um eine Jüdin, neben seiner Schwester, handelte. Der Schock saß tief. Was sollte er tun. Was würde mit seiner Arbeit passieren, wenn jemand dahinter käme, dass seine Schwester, gerade seine, wo er doch immer alle Leute herumkritisierte, was sie alles falsch machen würden, wenn gerade sie erwischt werden würde? Nicht auszudenken auch, was man mit ihr machen würde. Würde man sie, weil sie eine Verräterin war, zusammen mit diesem Judenkind nach Treblinka deportieren??? Diese und tausend andere Fragen wirbelten ihm zu diesem Zeitpunkt im Kopf herum. Er wusste, dass er jetzt schnell handeln musste. Das erste was im einfiel, war nach Hause zu rennen und die Lage mit den Eltern zu besprechen. Gesagt getan. Wie zu erwarten, waren sie sehr schockiert über diese Nachricht. „Unsere Sigrid? Was haben wir nur falsch gemacht mit unserem Kind?“, fragte sich der Vater entsetzt. Und auch die Mutter reagierte nicht minder unglücklich: „Unser Kind, was hat sie nur mit einer Jüdin zu tun und

überhaupt, was will sie denn von diesem Mädchen?“ diese Frage beschäftigte alle und so beschlossen sie, Sigrid darauf anzusprechen. Als diese am Abend glücklich und zufrieden zuhause auftauchte, konfrontierten sie die Eltern mit den heimlichen Treffen. „Glaubst du etwa, dass wir jemanden in der Familie gebrauchen können, der sich mit Juden trifft. Ist dir eigentlich klar, dass du meine Arbeit, die Arbeit, die uns alle ernährt, gefährdest, indem du so etwas tust? Ich glaube dir ist das überhaupt nicht bewusst!“, sagte Adolf wütend. „Du darfst dich nie wieder mit diesem Mädchen treffen und überhaupt, woher kennst du sie denn?“, schnaubte Vater Karl. „Sie ist von der anderen Seite der Mauer und ist nicht, wie ihr alle denkt“, antwortete Sigrid „und außerdem, hat sie mir gezeigt, was Leute wie Du, sie zeigte auf ihren Bruder, mit ihrer Familie gemacht habt. Sie sind wahrscheinlich alle tot,“ schrie sie jetzt und sah ihren Bruder an. „Und wenn schon, wär ja nicht schade drum“, murmelte Adolf. „wie kannst du nur? Wir sind Geschwister, aber so unterschiedlich. Du bist nicht mehr mein Bruder!“ schrie Sigrid, schaute ihre Eltern noch einmal an und rannte dann weinend aus dem Haus. Sie lief so schnell und weit sie konnte. Natürlich war ihr klar, dass ihre Eltern sie suchen würden, wenn sie nicht bald auftauchte. Also suchte sie sich ein geeignetes Versteck für die nächtliche Unterkunft. Am nächsten Morgen wartete sie einem günstigen Zeitpunkt ab, um sich mit Rachel zu treffen. Bis jetzt hielt sich ihr Hunger noch in Grenzen, sie hatte noch nie viel gegessen, doch irgendwann musste sie was essen und sie stellte sich das so vor, dass sie Rachel sagten würde, wie gerne sie auf die andere Seite gehen wolle. Rachel würde schnell ein paar ihrer alten Klamotten holen, damit Sigrid nicht auffiel, und dann würden sie rübergehen, zusammen und für immer dort wohnen bleiben. Allein daran war schon zu sehen, dass Sigrid keine Ahnung davon hatte, dass ihre Freundin dort jeden Tag die Hölle auf Erden erlebte. Sie wusste zwar, dass das Leben dort kein Zuckerschlecken war, aber sie konnte sich immer noch nicht so richtig vorstellen, dass ihr Bruder dazu im Stande sei, solche grässlichen Dinge mit Menschen anzustellen, wie es Rachel ihr erzählt hatte. Ihr Bruder war früher immer der Schwächling, er war es, der immer verprügelt wurde und sich nicht wehren konnte, umso schwerer fiel es ihr, Rachel zu glauben. Deshalb wollte sie sich ein eigenes Bild machen. Außerdem sollte das ein bisschen die Rache an ihrer Familie sein, für das, was sie über ihre beste und einzige Freundin gesagt hatten. Also traf sie sich mit Rachel und erzählte dieser von ihrem Wunsch. Sie war aber alles andere als begeistert und versuchte Sigrid davon zu überzeugen, ihr Vorhaben nicht in die Tat umzusetzen. Doch sie hatte keine Chance. Siggi wollte es unbedingt und Rachel konnte ihr schlussendlich den Wunsch nicht abschlagen, also ging sie los, um Kleidung zu holen, während Sigrid sich verstecken sollte. Zeitgleich hatte die Mutter Gertrude, einen teuflischen Entschluss gefasst, den sie sofort ihrer Familie erzählen musste. „ich habe eine Idee“, fing sie an, „wie wäre es, wenn Adolf meldet, dass ein Mädchen immer wieder auf die arische Seite geht. Dann würde sie doch bestimmt deportiert werden und du, mein Schatz, du würdest ganz sicher befördert werden, weil du immer so aufmerksam und korrekt bist. So hätten wir zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Wäre das nicht genial?“ schloss sie. „Ja du hast recht, das könnte klappen“ , stellte Adolf zufrieden fest. „Mama, das ist eine grandiose Idee, du bist ja fast noch ehrgeiziger als ich!“, sagte er lächelnd. „ Danke, aber du weißt doch, ich will nur das Beste für meinen einzigen Sohn!“, bemerkte sie stolz. Sofort machte Adolf Meldung. Die insgeheime Hoffnung aller war, dass Sigrid, wenn ihre Freundin nicht mehr käme, dachte, dass sie sie nicht mehr sehen will. Dann könnten sie ihr sagen, dass Juden eben keine Freunde sein könnten, weil sie immer nur an sich selber denken. Sigrid würde das verstehen und sich nicht mehr mit ihnen treffen. Dass ihre Tochter aber gerade auf dem Weg war, mit Rachel ins Ghetto zu gehen, hätten sie sich in ihren kühnsten Träumen nicht vorstellen können. Dass


da jemand freiwillig reingeht… doch genau das tat Sigrid gerade. Sie waren schnell und unauffällig durch ein kleines Loch in der Mauer hineingeschlüpft. Als erstes wollte Sigrid sehen, wo ihre Freundin wohnte. „Milastraße 14“. „Hört sich doch gar nicht so schlecht an“, sagte sie aufmunternd zu der dünnen Jüdin. „ja, wie es sich anhört, so ist es aber nicht“, bemerkte diese spitz. Schnell stellte sich heraus, dass sie recht hatte. Es war eigentlich kein richtiges Haus, mehr eine feste Hütte, Betten oder ähnliches waren nirgends zu sehen. Überhaupt, hier standen weder Möbel, noch sonst irgendwas. Sigrid war entsetzt. Obwohl sie kein Geld zuhause hatten, lebten sie im Gegensatz zu dem, was sie hier zu sehen bekam im puren Luxus. „Komm, lass uns raus gehen“, sagte sie deswegen angewidert. Sie gingen draußen spazieren. Dort lernte Sigrid Bekannte von Rachel kennen. Sie waren zwar nicht begeistert darüber, dass eine „Arierin“ bei ihnen im Ghetto war, dachten aber, dass sie vielleicht etwas an ihrer Situation ändern könnte, so wie es Hilfsorganisationen, zum Beispiel das Rote Kreuz tun sollten. Am Abend gingen Sigrid und Rachel müde und erschöpft wieder zur Mauer, doch dieses Mal hatten sie kein Glück. Die Meldung Adolfs hatte dafür gesorgt, dass die Ghettowächter alles strenger kontrollierten und so wurden die beiden Mädchen erwischt. Sie wollten zwar wegrennen, doch das war zwecklos. Überall standen plötzlich Männer in Uniform und packten die beiden Kinder. Sofort wussten sie wo es langging: zu den Bahngleisen… Im Hause Schmitt wartete man währenddessen gespannt auf die Nachricht, die ihnen sagte, dass sie Recht gehabt hatten und dass das Mädchen auf dem Weg nach Treblinka war. Sie sollten auch nicht mehr lange warten müssen, denn die Nachricht kam. Glücklich gingen sie alle ins Bett, denn es war inzwischen recht spät geworden. Über ihre Tochter machten sie sich in diesem Moment keine Sorgen, denn sie waren sich sicher, dass Sigrid am nächsten Morgen wieder auftauchen und sich entschuldigen würde. Damit wäre die Sache erledigt gewesen. Am Tag darauf war jedoch immer noch kein Lebenszeichen von ihr gekommen. Während Adolf an nichts anderes als an seine eventuelle Beförderung denken konnte, machten sich die Eltern nun ernsthafte Sorgen. Warum sollte ihre Tochter nun noch einen Grund haben, nicht nach Hause zu kommen? Sie ließen das Gebiet rund um ihr Haus großräumig absuchen und tatsächlich, man fand einen kleinen Berg Kleidungsstücke, der zweifelsfrei von Sigrid stammte. Nun gab es einiges zu klären. Sie fragten den Wächter, der Rachel verhaftet hatte. Zu ihrem Entsetzen sagte er ihnen, dass noch ein anderes Mädchen dabei gewesen wäre, doch sie hätte dieselbe Kleidung angehabt und sähe auch sonst aus, wie eine Freundin Rachels. Man versuchte noch alles erdenklich mögliche, um herauszufinden, was mit Sigrid passiert war, wo sie war und, ob sie überhaupt noch lebte. Man fand heraus, dass sie nach Treblinka deportiert wurde. Doch niemand, der aus dem Zug aus dem Warschauer Ghetto kam, lebte noch. Sie alle waren durch die tödliche Wirkung des Zyklon b umgekommen. So auch Sigrid. Vier Tage später erfuhr Adolf dann, dass er befördert wurde…

 

Hallo und herzlich willkommen hierorts,

liebes Schreiberlein.

Vielleicht hastu gerade in der Schule vom Nationalsozialismus und / oder dem Zweiten Weltkrieg gehört, vielleicht sogar Reich-Ranickis Autobiografie gelesen (Berlin, Warschau verführen mich zu der Annahme). Aber Deine Geschichte krankt an allem, an dem eine Geschichte nur kranken kann und wäre selbst als Schulaufsatz - so wirkt der Stil - eher sehr bemüht. Vor allem sachliche Fehler sind zu bemängeln, wenn es etwa heißt

Diese Arbeit war ihre einzige finanzielle Einnahmequelle, da der Vater keine Arbeit besaß.
In der Kriegswirtschaft gab es keinen ohne Arbeit. Es herrschte nicht nur Voll-, sondern Überbeschäftigung und die Produktion konnte auch nur mit Zwangsmaßnahmen wie Arbeitslager und KZ bewältigt werden, dass jedem Arbeitsfähigen Lagerinsassen eben seine Leistungskraft das Überleben sicherte – bis eben zur „Endlösung“.
Lies einmal von Eugen Kogon den SS-Staat, der bereits 1946 erschien und bis heute als Standardwerk gilt. Kogon war von 1936 bis 1945 im KZ Buchenwald.

Zudem übernimmstu eine eh unsinnige Falschaussage,

Adolfs Meinung nach, lag das daran, dass die Juden ihm seinen Arbeitsplatz weggenommen hatten,
dass „die“ – wer immer das sein mag - uns die Arbeit wegnähmen – was schon nach dem vorherigen Absatz gar nicht sein kann.

Damit transponierstu - ich wähl bewusst den Begriff aus der Musik, da ein falscher Klang entsteht - diese Aussage aus dem bundesdeutschen Alltag siebzig Jahre zurück und beziehst sie nicht auf „Einwanderer“, sondern auf „Einheimische“, die der Religion des Vaters und nicht des Sohnes (Christen) anhängen. Selbst ein Ahnungsloser hätte wissen müssen, dass Religion und Biologie (Blut) nicht zusammenpassen, nichts gemein haben. Vor allem war es eine Methode, Vermögen einer stigmatisierten Bevölkerungsgruppe umzuverteilen, was wir heute mit Recht Diebstahl und Raub nennen. Es galt, den Juden (incl. „Halb“Juden, als könnte man halb dem mosaischen und zu andern Teilen christlichen oder anderen Glaubens sein!) die Existenzgrundlage zu entziehen, also genau das, was Du dem Vater Karl zusprichst, der durch die Verknüpfung des Vorurteils mit seiner (an sich nicht möglichen) Situation) – ich übertreibe jetzt, um zu verdeutlichen – eine Märtyrerrolle zugesprochen bekommt.

Und ein vorerst letzter sachlicher Hinweis betrifft die Aussage

Das einzige was man Kilometerlang sehen konnte, war die Mauer des Ghettos, …
Das Warschauer Getto war 1940 zum jüdischen Wohnbezirk erklärt worden und maß für seine damals 400.000 Bewohner bis zum bitteren Ende (ab Juli 42 wurden über 300 tausend vom Getto nach Treblinka „ver“bracht) bescheidene vier qkm. Berechne da mal mittels einfachster geometriescher Formeln die maximale Länge der Mauer, da sollte man nicht die Chinesische Mauer erwarten!

Usw. usf.

Zur eigenwilligen Zeichensetzung hier nur ein Beispiel

Seine Aufgabe war es, aufzupassen, dass niemand das Ghetto betrat oder verließ, ohne ausdrückliche Erlaubnis.
Das letzte Komma ist entbehrlich. Das wird Dir bei einer Umstellung des Satzes einleuchten:
Seine Aufgabe war es, aufzupassen, dass niemand das Ghetto [ohne ausdrückliche Erlaubnis betrat oder verließ […].

Auch zur Rechtschreibung nur zwei bescheidene Beispiele wie
… der 20[-]Jährige …
Nach neuer RS mit Bindestrich!, den vorherigen Stand wüsst’ ich schon gar nicht mehr (eher schon im Mittelhochdeutschen).

Oder

… Jüdisch …,
das „eigentlich“ ein Adjektiv ist (vbor allem die Endung verrät's) und daher i. d. R. klein geschrieben wird (was dem christlich auch widerfährt).

Gelegentlich bringstu unzulässig Singular und Plural durcheinander, wie hier Sigrid und Familie:

Sigrid hätte auch sehr gerne Klavier gespielt, doch ihre finanzielle Lage erlaubte ihnen dies nicht.
Die verquere Vermengung von Singular (Sigrid) und Plural (die Familie im platzhaltenden Pronomen) ließe sich durch Verwendung schlichter Artikel verhindern:
Sigrid hätte auch sehr gerne Klavier gespielt, doch [die] finanzielle Lage erlaubte […] dies nicht.

Was für heute genug sein soll und kein Grund wäre, den Kopf hängen zu lassen. Ich lauf nicht weg und andere werden Dir auch sicherlich helfen. Behaupt' ich mal.

Gruß & schönes Wochenende wünscht der

Friedel

 

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