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Flugversuche eines Toten

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24.07.2010
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Flugversuche eines Toten

Felix wischte sich mit dem Ärmel Chipskrümel von seinem Mund. Jetzt lief seine Lieblingsstelle bei "Frühstück bei Tiffany". Die Szene, bei der Holly im Affekt die Katze im Regen aussetzt. Wie immer schossen Felix Tränen in die Augen und er war zutiefst gerührt, doch diesmal folgte seinem emotionalen Ausbruch noch ein heftiger stechender Schmerz in seine Seite. Er bekam keine Luft mehr und konnte sich nicht mehr bewegen. Sein ganzer Körper zitterte und bäumte sich ein letztes Mal kurz auf - und Felix starb. Starr und leblos blickte er nun an die Zimmerdecke. "Wie trostlos eine blanke Glühbirne als Deckenlampe sein konnte", dachte er sich.

Sein Geist war klar wie schon lange nicht mehr und er spürte eine unglaubliche Leichtigkeit. Er fühlte sich richtig gut. Die Last seiner Körpermasse und Lebenssituation drückte nicht mehr auf seine Seele und er fühlte sich befreit von seinen physischen Leiden.

Verwundert bemerkte Felix, dass er sich auf die Decke zu bewegte. Nervös ruderte er mit Armen und Beinen, sein Schwerpunkt schien sich zu verlagern und schließlich drehte sich sein Körper halb um die Längsachse - und da sah er sich selbst mit versteinertem Blick auf dem Sessel sitzen.

Er erschrak nicht. Er war nicht entsetzt und Sorgen kamen ihm auch nicht auf. Er verstand schnell, was er vor sich sah. Es war sein eigener toter Körper, in seinem Lieblingssessel, vor seinem Lieblingsfilm sitzend - und jetzt war er wohl auf dem Weg in eine andere Welt.

Nicht unzufrieden mit dieser Situation, neugierig und etwas aufgeregt über seine ungewisse Zukunft, wendete er sich von seiner Leiche ab und schwebte weiter nach oben. Doch plötzlich gab es einen Stoß!

Seine Aufwärtsbewegung wurde gestoppt. Wie ein mit Gas gefüllter Luftballon taumelte er neben der Zimmerlampe an der Decke und sein Aufstieg ins Irgendwo wurde unterbrochen. Seine Materie, Energie oder was auch immer brauchte für die Reise wohl eine freie Bahn. Er dachte kurz über die vielen Toten in den Särgen der Friedhöfe nach, verwarf diesen Gedanken aber schnell wieder und konzentrierte sich voll auf sein Dilemma.

"Ich muss nach Draußen kommen!" sagte er leise vor sich hin. Seine Fenster und die Eingangstür waren verschlossen. Wäre er noch am Leben würde Panik in ihm aufkommen - aber er blieb ganz ruhig. Er blickte auf seinen kalten Leichnam und dachte darüber nach, wie das alles passieren konnte und was er hätte anders machen können. Er entsann sich einer Traurigkeit.

Einige Zeit verging und wie in Zeitraffer beobachtete er, wie sein Körper verweste. Er hatte kein Zeitgefühl und keine Vorstellung davon wie lange er schon auf seinen verstorbenen Körper starrte - da polterte es heftig an der Tür. Es krachte erneut und die Tür flog aus den Scharnieren. Drei Männer, es waren Feuerwehrleute, stürmten in seine Wohnung. Er sah die entsetzten Gesichter der Männer und einer hielt sich die Hand vor den Mund. Im Flur des Mietshauses erkannte er seine Exfrau Linda - sie schrie kurz auf und wandte sich ab.

Dich habe ich schon Jahre nicht mehr gesehen, dachte sich Felix. "Jetzt aber los!", murmelte er und ihm war, als hätte ihn einer der Feuerwehrleute gehört. Er fuchtelte und strampelte mit allem was er hatte und bewegte sich langsam auf die Eingangstür zu. So schien es zu funktionieren.

Er gelangte zügig zum Türrahmen. Er freute sich darüber wie leicht es ihm fiel, und auf einmal befand er sich im Gang direkt über seiner Ex. "Wenn sie weinte, sah sie immer besonders hübsch aus" überlegte er kurz. Jetzt musste er nur noch zum Fahrstuhl gelangen und warten bis ihn jemand benutzt. "Ich liebte Dich!" flüsterte er Linda zu. Sie erschrak, hörte abrupt zu weinen auf und rannte wie vom Teufel geritten in Richtung Fahrstuhl. "Sehr gut!", schmunzelte er in sich hinein.

Er bekam allmählich den Dreh raus und konnte ihr gut folgen. Nervös drückte Linda den Fahrstuhlknopf und der Fahrstuhl öffnete sich sofort. Sie eilte hinein, drückte auf Erdgeschoss und verkroch sich in eine Ecke der Kabine. Felix schaffte es ohne Probleme dazu zu gleiten. Jetzt waren sie beide alleine. Er betrachtete sie und alter Hass kam ihm hoch. Sie war schweißüberströmt und atmete hektisch. Er überlegte kurz, nahm seine ganze Willensstärke und schrie ihr ins Gesicht "Du hast mich betrogen!" Ihre Haare bewegten sich leicht im Schall seiner Worte. Sie wurde kreidebleich und sackte in die Hocke. Die Fahrstuhltür öffnete sich und sie ergriff die Flucht. Er konnte sich an ihrem Haar festhalten und sie zog ihn bis nach Draußen ins Freie.

Er ließ sofort los und schwebte wieder nach oben. Aus größerer Distanz konnte er sie immer noch rennen sehen. Dann drehte er sich herum und flog in eine neue unbestimmte Zukunft.

 

Hallo kress

Willkommen auf kurzgeschichten.de!

Ich hatte vor vielen Jahren mal ein Buch, das hieß "Gespenstergeschichten". Es war eine Sammlung von Gespenstergeschichten für Kinder - nicht wirklich gruselig oder erschreckend, sondern alle mit einem Augenzwinkern erzählt, eben kinderfreundlich. So ähnlich wirkt deine Geschichte auf mich. Damit sage ich nicht, dass es eine schlechte Geschichte ist, sondern dass sie mir einfach zu schlicht, zu glatt ist und auch nicht ernst genug rüberkommt, um wirklich in diese Kategorie zu passen.

Jetzt weiß ich nicht, was deine Intention bzw. dein Anspruch war. Naja, vielleicht doch, da du ja einen Einleitungssatz stehen hast (auf den würde ich bei späteren Geschichten verzichten), da schreibst du, die Geschichte soll "tragisch" sein und von einer "gescheiterten" Persönlichkeit handeln.

Davon abgesehen, dass der Leser so etwas selbst herausfinden soll (und will), finde ich davon nichts in deiner Geschichte. Tragisch ist sie nicht, es stirbt zwar jemand, aber dem gehts ja besser als zuvor, und am Ende fliegt er (offenbar frohen Herzens) in ein neues Leben. Und von einer gescheiterten Persönlichkeit lese ich auch nicht viel, bis auf den einen Satz, dass er sich "seiner Traurigkeit entsann". Aber das reicht nicht, um den Leser mitzunehmen. Hier müsstest du uns einfach mehr über Felix erzählen, wer ist er, warum war er traurig, was machte sein Leben zu einer "gescheiterten" Existenz? So kann da kein Gefühl seitens des Lesers aufkommen, da die Figur blass und unbekannt bleibt.

Die "Rache" an seiner Exfrau (auch das wird ja schon angekündigt, bevor man den ersten Satz gelesen hat) erweist sich dann eher als "Streich" auf dem Niveau eines Zehnjährigen. Er erschreckt sie halt kurz, na und? Wo ist da die Rache? (Kleine Zwischenfrage: Warum ist die Exfrau überhaupt da, wo er doch laut Text jahrelang nichts von ihr gehört hat?). Das wirkt eher lustig (oder besser, klamauk-mäßig), als dass da irgendeine Art von Horror drin steckt.

Warum machst du aus ihm keinen bösen, wütenden Geist, der sich wirklich rächt? Zwar ist das auch nicht wahnsinnig originell, kann aber - wenn es schön durchdacht ist - durchaus sehr unterhaltsam sein. Ich würde die Geschichte nochmal vor diesem Hintergrund überarbeiten, und wenn der Geist dann nicht mehr "schmunzelt" und sich "freut", weil er die Frau erschreckt hat - dann wirkt die Geschichte vielleicht auch ernster.

Viele Grüße.

 

Hallo!

"Flugversuche eines Toten" ist eine tragische Geistergeschichte über das Sterben einer gescheiterten Persönlichkeit und einer letzten Möglichkeit auf Rache.

Wenn das so ist, dann wird es wohl auch so sein;). Nee, lass das mal weg!

Felix wischte sich mit dem Ärmel Chipskrümel von seinem Mund. Jetzt lief seine Lieblingsstelle bei "Frühstück bei Tiffany". Die Szene, bei der Holly im Affekt die Katze im Regen aussetzt. Wie immer schossen Felix Tränen in die Augen und er war zutiefst gerührt, doch diesmal folgte seinem emotionalen Ausbruch noch ein heftiger stechender Schmerz in seine Seite. Er bekam keine Luft mehr und konnte sich nicht mehr bewegen. Sein ganzer Körper zitterte und bäumte sich ein letztes Mal kurz auf - und Felix starb. Starr und leblos blickte er nun an die Zimmerdecke. "Wie trostlos eine blanke Glühbirne als Deckenlampe sein konnte", dachte er sich.

Hmm, eigentlich ist für mich hier schon alles klar. Er rächt sich nicht an seiner Frau, weil sie ihn (möglicherweise) auf dem gewissen hat, sondern er stirbt, als er sich einen Film ansieht. Jetzt weiß ich, was eben nicht mehr kommt (zumindest höchstwahrscheinlich). Wie alt is Dein Felix überhaupt?

Ich muss auch sagen; zu soft, für ne Horrorgeschichte. Mit Geistern kann man doch so viele Dinge anstellen, also lass ihn sich rächen! Vor allem aus gutem Grund. Das sie ihn irgendwann mal betrogen hat, tut mir ja leid für ihn, aber ob das gleich ne Rache rechtfertigt? Bestimmt, aber dann muss sie ihm auch richtig böse mitspielen, sonst macht das keinen Spaß:D.

Bis denn,
Satyricon

 
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Moikka kress,

und herzlich willkommen auf KG.de auch von mir. :)

Kommentare zum Text bitte immer in ein Extra posting; kress schrieb:

"Flugversuche eines Toten" ist eine tragische Geistergeschichte über das Sterben einer gescheiterten Persönlichkeit und einer letzten Möglichkeit auf Rache.
Viel Spass!
(Ich hätte es sogar als geckigen Teil der Geschichte sehen können, wenn nicht Dein Viel Spass gewesen wäre.) Der fette Titel dient schon als solcher, daher habe ich den zweiten im Textfeld gelöscht, das liest sich wie stottern.

Ich hatte die Kommentare zuerst gelesen, und wirklich Übles erwartet, muß aber sagen, daß ich hier vor mich hingekichert habe. Manche Autoren schreiben entsetzlich naiv, wobei sie ernsthaft Gruseliges erzählen wollen (was tragisch ist), manche bekommen es aber hin, mit naiver Sprache Ironie zu transportieren. Und genau das tust Du hier.

Ein schöner Titel übrigens!

Gibt es in der neuen RS eigentlich die Kommata zwischen Hauptsätzen nicht mehr? Dir fehlen zwischendrin ein paar. Draußen wird klein geschrieben, sonst hast Du ja korrekturgelesen.

seinen physischen Leiden - was war geschehen?
Das ist zu naiv - was geschehen ist wird lang & breit gesagt, wörtlich: er ist grad gestorben. Das würde ich ersatzlos streichen.
"Dich habe ich schon Jahre nicht mehr gesehen", dachte sich Felix. "Jetzt aber los!", murmelte er(KOMMA) und ihm war,
Gedanken kursiv, wörtliche Rede in Anführungszeichen, das wäre besser so:
Dich habe ich schon Jahre nicht mehr gesehen, dachte sich Felix. "Jetzt aber los!", murmelte er, und ihm war,

Er blickte auf seinen kalten Leichnam und (...)
Einige Zeit verging und wie in Zeitraffer beobachtete er, wie sein Körper verweste.
Das haut nicht hin - außer, Du sagst, daß hier Tage und Wochen vergehen. Ich finde beides eigentlich unnötig, wenn Du nicht genau weißt, wie lange das Erkalten und Verwesen dauert, laß es doch raus. Ungenauigkeiten bei sowas sind doof - entweder oder. Selbst bei einem Humortext.
.....................

"Wie trostlos eine blanke Glühbirne als Deckenlampe sein konnte", dachte er sich.
*kicher blöd rum* (sonst zur Form s.o.)
Nicht unzufrieden mit dieser Situation, neugierig und etwas aufgeregt über seine ungewisse Zukunft, wendete er sich von seiner Leiche ab und schwebte weiter nach oben. Doch plötzlich gab es einen Stoß!

Seine Aufwärtsbewegung wurde gestoppt. Wie ein mit Gas gefüllter Luftballon taumelte er neben der Zimmerlampe an der Decke und sein Aufstieg ins Irgendwo wurde unterbrochen. Seine Materie, Energie oder was auch immer brauchte für die Reise wohl eine freie Bahn. Er dachte kurz über die vielen Toten in den Särgen der Friedhöfe nach, verwarf diesen Gedanken aber schnell wieder und konzentrierte sich voll auf sein Dilemma.

"Ich muss nach Draußen kommen!" sagte er leise vor sich hin.

:rotfl:
fuchtelte und strampelte mit allem was er hatte und bewegte sich langsam auf die Eingangstür zu. So schien es zu funktionieren.
Sowas finde ich wirklich lustig, das ist in seiner skurrilen Absurdität für mich sogar nachvollziehbar, bei all dem Phantastischen 'lebensnah' vermittelt.
Gefehlt hat mir im Text nichts, finde ich diese Szene rund, eingeleitet und abgeschlossen. Mir reicht die Charakterisierung der Figur über seine skurrilen Gedanken für diesen plot.

Das Ende ist echt niedlich.

Also, falls ich danebenliege, und Du hier ganz hart-dramatisch eine Nachtod/Gespenstergeschichte erzählen wolltest, vergiß bitte, was ich rumgelobt habe ... :lol: Kann ich mir aber nicht vorstellen, zumal ich grad Deine Website angeschaut habe. Ich lese hier bei Deiner Sprache raus, was Du mit welchen Worten bezwecken wolltest, und für mich ist das genau aufgegangen.

Humor im Horror ist ja nicht verkehrt - das hier ist fast ebensogut ein Humortext mit leicht makaberem Einschlag. Ich finde, es sind geckige Ideen drin (auch, wie er an ihren Haaren nach draußen gezogen wird), die noch nicht so derart abgenudelt sind: wie wäre es, wenn Du tatsächlich einen Mord einbaust? Einen kleinen Höhepunkt, eine Pointe vor dem netten, märchenhaften Ende, so dröppelt es mehr aus. Es könnte ja ein vor's-Auto-treiben sein, oder ein bißchen splatter, oder was ganz Absurdes, je nachdem, was Dir da liegt. Auch wenn Du nix ändern willst: in eine andere Rubrik verschieben möchte ich den Text nicht, denn es ist ja eine Geistergeschichte - wie auch immer.

Herzlichst,
Katla

 

Hi Kress.
Kurz, knackig, sauber geschrieben. Muss gestehen, bin nur durch den durchaus ansprechenden Titel auf den Text gestoßen.
Nette kleine Gruselstory, bei deren Ende ich zunächst hoffte, seine Ex würde auch einem Infarkt erliegen und sie würden gemeinsam aus dem Fahrtuhl schweben ;)
Weiter so.

Gruß! Salem

 
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Zuletzt von einem Teammitglied bearbeitet:

Hi Salem,

danke! Sollte auch eine nette kleine Gruselgeschichte werden. Dafür gibt es hier, glaube ich, keine Kategorie.

Lustige Idee übrigens mit dem Herzinfarkt!

Wenn Du der Geschichte eine neue Wendung geben möchtest, kannst Du das auf der Plattform Splitstory machen. Da liegt die Geschichte auch vor und ist offen für Variationen.

http://www.splitstory.com/stories/icgdnj-flugversuche-eines-toten#/nodes/5tcjjb

Schöne Grüße,
Thomas

Hallo Schwubs,

Du hast recht, für eine Horrorgeschichte ist das Ganze zu soft. Soll eine Schauergeschichte sein, wie man sie von Autoren wie Henry James oder Roald Dahl her kennt. Die Grundlage der Geschichte ist eine gescheiterte Beziehung, die zur Vereinsamung geführt hat. Er versucht sich abzulenken und kuckt seine Lieblingsfilme, und futtert und futtert - bis ein emotionaler Ausbruch zu einem Herzinfarkt führt und zu einer neuen Erfahrung. Ist doch tragisch, oder? Vielleicht hätte ich im ersten Part mehr darüber erzählen sollen. Ein aggressiver oder brutaler Racheakt hätte auch nicht zu der Figur gepasst, oder? Müsste man ausprobieren. Vielleicht lässt er die Frau gar nicht mehr los und lenkt sie in ein Unglück.

Danke und schöne Grüße,
Thomas

Hallo Katla,

danke für Deine ausführlichen Anmerkungen! Sehr konstruktiv und nachvollziehbar. Mit dem setzen der Kommas habe ich so meine Schwierigkeiten. In der neuen RS kann man anscheinend auf ein paar Kommas verzichten. Muss mich mal genauer damit beschäftigen. Ja, es soll eine leichte, unterhaltsame Schauergeschichte sein.

Danke und schöne Grüße,
Thomas

 

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