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Flug ins Schwarze

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24.03.2013
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Flug ins Schwarze

Einer der zwei Männer feuerte mit der Schrotflinte. Der gejagte Mann mit dem Hut presste sich in panischer Angst an die Rückseite des Lieferwagens. Würde das das Ende sein? Der Einschlag der Schrotkugeln in den Wagen dröhnte in den Ohren. Plötzlich wandelte sich das Bild zu einem tiefen Schwarz, es ertönte ein gleichmässiges Rauschen. Verärgert riss ich die Kopfhörer von meinem Kopf. Der Bildschirm, der im vorderen Sitz eingebaut war, gab keine Lebenszeichen mehr von sich. Gelangweilt lehnte ich mich in den Sessel, genau genommen in einen Flugzeugsitz und sah mich um. In derselben Reihe sassen noch eine Frau, die meiner Einschätzung gemäss etwa gegen die dreissig Jahre alt war und ein etwa vierjähriger Junge. Das monotone Dröhnen der Flugzeugtriebwerke drang in meine Ohren und machte mich schläfrig. Meine Augenlieder wurden schwer und schlossen sich gegen meinen Willen. Ich gab schliesslich nach und nickte ein. Als ich im Begriff war in die Traumwelt abzugleiten, spürte ich einen leichten Druck auf meiner linken Schulter. Ich öffnete schlagartig meine Augen. Die fremde Frau lehnte sich an mich und sprach mit müder Stimme: „ Liebling, wann kommen wir an?“ Völlig überrumpelt konnte ich kein Wort herausbringen. Woher kennt sie mich? Warum kenne ich sie nicht? Tausend Fragen warfen sich in diesem Moment auf und es fiel mir nichts Besseres ein, als zu antworten: „Ich, ich… weiss es nicht.“ - „Geht es dir gut?“, fragte sie mit besorgtem Gesichtsausdruck, wohl merkend meine Unruhe. Nun musterte ich die Fremde aufmerksamer als zuvor. Sie hatte dunkelblonde Haare, die sachte auf ihre entblösste Schulter fielen, ihre funkelnden Augen hatten ein tiefes Grün, welches durch die Lichteinstrahlung verschiedene Farbvariationen aufwies. Sie faszinierte mich auf eine ganz besondere Art und Weise. Ich versuchte in ihre Seele zu blicken, doch sie blieb mir fremd, verschlossen.
Die Laute, die ihr Mund zu Worten formte, rissen mich aus meinen Gedanken. „Hast du mich nicht gehört?“, sprach sie nun mit einem verärgerten Unterton. „Doch, doch es ist nur…, ich bin müde.“, kam es zögerlich aus meinem Mund hervor. Doch in Wirklichkeit war ich jetzt hellwach. Die ganze Sache war mir nicht geheuer. Wiederum schloss ich die Augen um weiteren unangenehmen Fragen zu entgehen. Mein Kopf arbeitete auf Hochtouren, doch es handelte sich um einen Leerlaufprozess. Ich fand keine Erklärung für das, was hier vor sich geht.

Schliesslich obsiegte die Neugier über die Furcht und veranlasste mich dazu, durch schmale Augenschlitze um mich zu blicken, wobei ich mir etwas albern vorkam. Es fiel mir erst jetzt auf, dass ich einen Ring trug, einen Ehering! Möglichst unauffällig schielte ich auf die Hand der Fremden. Mein Verdacht bestätigte sich: auch an ihrem Finger befand sich ein Ehering selber Machart.

Völlig unvermittelt erhob sie sich und bemerkte mit gedämpfter Stimme: „Ich muss mal kurz aufs WC, passt du bitte auf Marvin auf?“. Ich öffnete meine Augen ganz und gab prompt zur Antwort: „Na klar.“ , mit möglichst selbstverständlichem Tonfall. Marvin? Habe ich ihm diesen bescheuerten Namen gegeben? Langsam wurde das ganze wie eine Farce für mich. Das war zu komisch um wahr zu sein! Nun wandte ich meine Aufmerksamkeit dem kleinen Jungen, der versunken in dem für ihn viel zu grossen Sitz sass und abwesend einen Trickfilm anschaute. Seine grossen, kindlichen Augen verfolgten das Geschehen auf dem kleinen Bildschirm. „Marvin!“, rief ich ihm zu, worauf er aber keine Reaktion zeigte. Ich schob mich in seine Richtung und tippte ihm auf die Schulter, wobei er erschrocken zusammenzuckte. Zum ersten Mal erblickte ich das Gesicht meines vermeintlichen Sohnes. Hatte es irgendeine Ähnlichkeit zu dem meinen? Er nahm den Kopfhörer ab und umarmte mich freudig. Seine kurzen Arme umfassten mich nicht ganz. Trotz der ausserordentlich rührenden Situation empfand ich keine Verbundenheit, keine Vertrautheit. Alles kam mir so befremdend vor, sodass ich am liebsten gar nicht hier gewesen wäre. In diesem Augenblick ertönte eine Frauenstimme aus den Lautsprecher des Flugzeugs: „ Aufgrund eines defekten Motors sind wir gezwungen eine Notlandung durchzuführen. Bitte verhalten Sie sich ruhig und bleiben Sie auf Ihren Plätzen, weitere Anweisungen folgen.“

Ich schluckte schwer und sah betreten zu Boden. Es herrschte eine bedrückende Stimmung in der gesamten Kabine. Ist das das Ende? Ich war noch nicht bereit zu sterben. Die Farce nahm wohl eine tragische Wende. Dann tauchte die Fremde wieder auf. Sie blickte mich entsetzt an. Ich konnte dieselben Fragen in ihrem Gesicht lesen. Ich warf einen Blick nach draussen. Nichts als blaue Masse war da unten zu erkennen. Ein Überleben erschien mir unwahrscheinlich. Was macht man in einer solchen Situation? Manche würden in Tränen ausbrechen und andere ihre Stossgebete gen Himmel schicken, manche vielleicht durchdrehen, doch ich blieb Gedankenverloren in meinem Sitz. Die Frau liess sich in den benachbarten Sitz fallen. „Tja so wie’s aussieht fallen unsere Ferienpläne wohl ins Wasser.“, sagte sie und versuchte tapfer zu sein, doch dann schluchzte sie und verbarg ihr Gesicht in ihren Händen. Mit zitternder Stimme sagte sie: „Wieso gerade wir?!“ – „Ich weiss es nicht“, war das Einzige, das ich ihr entgegnen konnte. Das Flugzeug verlor rasch an Höhe. Marvin machte seinem Ärger Luft: „Ich mag das Gefühl nicht wenn wir landen.“ Was sollte ich ihm sagen? Etwa, dass alles gut wird oder so anderes sinnloses Gelaber? Ich entschied mich für den ehrlichen Weg. „Hör mir bitte gut zu Marvin, es kann gut sein, dass wir bald nicht mehr auf dieser Erde sind, verstehst du?“ –„Du meinst wir werden woanders sein? Wo?“ –„Ich kann es dir nicht sagen. Du musst jetzt einfach tapfer sein. Es wird eine schlimme Landung geben.“ – „Okay, das mach ich!“, sagte Marvin mit ernster Miene. Die Frau klammerte sich an mich. Mein Herz hörte sich wie ein verrückter Trommelspieler an. Ich umarmte sie fest und spürte ihre heissen Tränen an meiner Wange. Ich schlang ebenfalls den Arm um Marvin. „Wir müssen jetzt stark sein.“, flüsterte ich ihnen zu. Ich staunte über meine eigenen Worte, doch jetzt rückte diese kleine Welt zusammen. Fremd und doch vertraut, dachte ich mir. Die Frau sagte mit schwacher Stimme: „Weisst du, ich habe dich betrogen mit einem Anderen…, ich habe dich so oft belogen. Ich habe dich nicht mehr so geliebt wie du es verdient hast, ich war… untreu.“ Das letzte Wort sagte sie besonders leise. Überrascht von diesem Geständnis konnte ich nur nicken und drückte ihre Hand. Ein weiterer Blick aus dem Fenster verriet mir, dass das Schicksal nicht mehr länger auf sich warten würde. Der Horizont war bereits nicht mehr zu sehen. Ich war zögerlich, trotzig es anzunehmen, mein Schicksal. Dann kamen auch mir Tränen. Es überfiel mich eine grosse Einsamkeit, als ob ich zeitlos an irgendeinem verlassenen Ort wäre.
Aus dem Lautsprecher kamen die letzten Worte des Piloten. Sie klangen unsicher und verzagt: „Ich bitte Sie alle, Ihren Kopf zwischen die Beine zu nehmen, Gott sei mit Ihnen.“

Ich tauschte einen letzten Blick mit meiner Frau und meinem Sohn aus und dann gab es einen gewaltigen Ruck. Ich wurde nach vorne geschleudert, habe sie aus den Augen verloren, stiess meinen Kopf an etwas Hartem. Die Schmerzen vermengten sich mit einem ohrenbetäubenden Krach und gingen in ein dumpfes Pochen über. Mit wurde schwarz vor Augen. Die Schmerzen schienen mich zu überwältigen. Ohne Orientierung tastete ich nach ihnen. Dann hörte ich einen sehr lauten Knall. Es wurde heiss, sehr heiss.

Plötzlich wich die unerträgliche Hitze einer angenehmen Kühle, kaltes Nass umschlang meinen Körper. Sah das Ende so aus? Besser gesagt, fühlte es sich so an? Dann sah ich sie... Regungslos, umgeben von ultramarinblau schimmerndem Wasser. Ihre Augen hatten nun einen grauen Stich, oder war es eher ein blauer? Die Tränen waren verschwunden, weggewaschen vom mächtigen Ozean. Welch eine Grazie. Alles war egal, es zählte nur noch dieser Augenblick, er dürfte ewig andauern, dachte ich mir. Der Junge war bei ihr. Es sah so aus als würden sie sich halten und auf mich warten. Ich meinte ein Lächeln auf ihrer Lippe zu erkennen und eine Sehnsucht in seinen Augen. Ja, es war Zeit zu gehen. Ich wollte sie nicht warten lassen.

 
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Servus Tiscar,
du scheinst einem typischen Anfängerfehler aufgesessen zu sein.
Ich nehme mal an, du hattest eine nicht uninteressante Idee im Kopf, begannst zu schreiben und fandest dich irgendwann in ein unauflösbares, surreales Erzählknäuel verstrickt. Und dann wähltest du den allereinfachsten Ausweg und schummeltest dich mit einem billigen Trick aus der Geschichte.
Zumindest hoffe ich, dass es so war, und du die Geschichte nicht vorsätzlich auf das misslungene Ende hin konstruiert hast.
Wie auch immer, unfair gegenüber den Lesern ist es so oder so.
Weil in deiner Geschichte baut sich ja durchaus Spannung auf und ich war wirklich neugierig, wie sich die Situation letztlich aufklärt. Na ja, und dann kommt der letzte Absatz und ruiniert für mich rückwirkend die ganze Geschichte. War alles nur ein Traum. Sehr witzig.
Weiß du, damit stiehlst du dich irgendwie aus deiner Verantwortung als Erzähler. Ein Text kann meinetwegen noch so absurd, unplausibel, surreal sein, gerade in dieser Rubrik hier, aber dann muss ihm auch das Ende angemessen sein. Das bist du deinen Lesern einfach schuldig.
Deine ersten Zeilen z.B. führen den Leser ja auch erst mal auf eine falsche Fährte, man glaubt, man habe es mit so einem Haudrauf-Dings zu tun, bis man draufkommt, es ist nur eine Filmszene. Gut, das ist jetzt zwar auch nicht unbedingt die genialste Idee seit der Erfindung der Pizza Calzone, aber als Mittel, Leser in die Story zu locken, ist es allemal legitim. Das ist sozusagen Marketing, das Ende allerdings ist einfach schrecklich einfallslos. Und daran kann auch die „Schlusspointe“, dieser Vorahnungs-Hokuspokus nichts ändern.

Vielleicht wäre es ein besserer Schluss, ließest du den Typen einfach absaufen und ihn das Rätsel um die Erlebnisse in seinen letzten Minuten mit in den Orkus nehmen. Da hätte ich dann wenigstens noch was zum Grübeln, was es nun wirklich mit diesem so plötzlichen und unverhofften Familienglück auf sich hat. Was passiert ihm da wirklich? Deliriert er einfach, weil er schon zwölf Gin-Tonic gegen seine Flugangst gesüffelt hat? Oder materialisiert sich da etwa sein insgeheimer, bisher unerfüllter Lebenstraum? Realitätsverschiebung? Ein Riss im Raum-Zeit-Kontinuum? Sind die Frau und ihr Sohn gar so etwas wie seine Schutzengel?
Eigentlich kannst du ja schreiben was du willst, wir sind ja hier in der Rubrik Seltsam. Aber lass ihn um Himmels Willen bitte nicht aus einem Traum aufwachen. Damit rammst du deiner Story eigenhändig ein Messer in den Rücken.

Es sind auch noch viele Fehler drin, fehlende Kommas, nachlässige Groß-Kleinschreibung und so Sachen, aber die hab ich jetzt nicht rausgesucht, weil ich dir ohnehin ans Herz legen will, die Geschichte noch einmal zu überarbeiten.

Sei mir bitte nicht böse, dass ich dir hier keinen erfreulicheren Empfang bereite und lass dich dadurch ja nicht entmutigen. Denke einfach noch einmal nach über den Text und versuche, dich dabei in die Lage eines erwartungsvollen Lesers zu versetzen.
Ich wünsche dir noch viel Spaß und Freude im Forum.

offshore

 

Hallo Ernst Offshore,

zunächst einmal vielen Dank für deine Rückmeldung. Ich bin froh bereits ein Feedback erhalten zu haben.
Ja, zugegeben die Geschichte hat ein äusserst schwaches Ende. Es bleibt dem Leser wohl nichts als sich zu ärgern am Ende. Die Geschichte war eigentlich mehr oder weniger ein "Ein Abend Produkt". Da war eine nette Idee und dann fing ich an zu schreiben... Kein wunder, dass es nicht ganz durchdacht ist. Aber da es eine meiner wenigen Kurzgeschichten ist, die ich je zu Ende geschrieben habe, bin ich nicht besonders überrascht von deiner Rezension. Ich denke ich werde die das Ende nochmals überarbeiten. Vielleicht noch so ein paar Gedanken des Protagonisten, oder dass er an einem anderen Ort auftaucht. Jedenfalls hat deine Rückmeldung mir sehr gefallen und regt mich an dran zu bleiben.

Vielen Dank,
Tiscar

 

Hallo Tiscar,

ja, eine Überraschung am Schluss täte noch gut, vielleicht fällt dir was Interessantes ein ... Im ersten Teil ist der Spannungsaufbau ganz gut gelungen, nur finde ich so ein paar innere Monologe zu lang und verschnörkelt. Und dass er gleich so tut, als kenne er 'seine' Frau, das kann ich nicht wirklich glauben. Aber der Text fließt genügend, um dabei zu bleiben.
Viel Spaß noch,

Eva

 

Hallo Eva,

danke für deinen Kommentar. Ich habe auch sonst schon von Leuten gehört, die die Geschichte gelesen haben, dass das Ende nicht sonderlich einfallsreich ist. Das Ende habe ich nun überarbeitet und noch an ein paar Sätzen gefeilt.Die langen Monologe finde ich persönlich jedoch wichtig für die Geschichte. Ja sie sind "teilweise etwas verschnörkelt" aber es soll auch die etwas wirren Gedanken des Protagonisten darstellen. Das er gegen den Schluss von "seiner Frau" redet, soll auf eine geheimnisvolle Verbundenheit hinweisen.

Tiscar

 

Ganz kurz nur, Tiscar, weil ich eben das neue Ende gelesen habe.
Ja, so ist das viel besser, jetzt ist es eine Geschichte für mich. So was in etwa meinte ich, als ich in meinem ersten Kommentar ein angemessenes Ende einforderte.
Es ist nicht nur wunderbar poetisch geschrieben, sondern die Nichtauflösung des Rätsels ist für mich einfach folgerichtiger, als der ursprüngliche Schluss.
Überhaupt finde ich es toll, dass du so aufgeschlossen, ambitioniert und umgehend auf Kritik reagierst.
Das macht mich neugierig auf weitere Texte von dir.

offshore

 

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