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Flucht

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29.03.2020
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Flucht

Den ganzen Tag schon hatte er sich geärgert. Die Schüler hatten ihn nicht respektiert, die Verkäuferin hatte ihm den freundlichen Gruß nicht erwidert. Als wäre er gar nicht da. Schnellen Schrittes ging er weiter. Es gab noch viel zu tun. Ersatzteilte abholen, das Vorstandstreffen planen, Projekte den richtigen Leuten vorstellen, den Wochenend –Trip bezahlen, Kinder von der Ex Frau abholen, die Frau zu Hause unauffällig überreden, das Wochenende auf die Kinder aufzupassen. Dies alles brauchte Überlegung und Fingerspitzengefühl. Sein Ärgernis über die ihm bevorstehenden Aufgaben wuchs. Er bräuchte dringend eine Auszeit. Von allem. Zu viel verschwendete Zeit.

Ungeduldig stand er an der Ampel, als er ihn plötzlich gegenüber über den Bürgersteig gehen sah. Er rief seinen Namen, weil er ihn erkannte. Den Klassenkameraden aus der Schule. Früher. Sie hatten sich gut gekannt. Er rief ihn nochmal und lief über die Straße, um ihn anzuhalten.

Da drehte sich der Junge aus der Schule um. Jetzt war er ein großgewachsener Mann. Damals nannten es die Lehrer hänseln. Gequält mit Worten, mit Witzen, die wie messerscharfe Pfeilenspitze des Hohns seine Seele getroffen hatten. Der Junge war jeden Tag schwerverletzt nach Hause gekommen. Niemand hat es gesehen. Seine Wunden waren unsichtbar. Und jetzt ging der Bogenschütze von einst gerade über die Straße und rief seinen Namen. So schnell er konnte lief er davon. Weg von dem Rufenden, vor der Vergangenheit, die plötzlich Gegenwart war, und vor sich selbst.

Der Bogenschütze hörte auf zu rufen. Er stand da und sah ihm nach. Dann ging er weiter; es gab noch viel zu tun. Flüchtig kam ihm in den Sinn, wessen Wesen Mensch er wohl sei.

 

Hallo @Kattinka


für eine so kurze Geschichte steckt eine Menge drin, aber ich glaube du hast auch noch ne Menge Möglichkeiten sie auszubauen.
Hier mal ein paar Anmerkungen:


Den ganzen Tag schon hatte er sich geärgert. Die Schüler hatten ihn nicht respektiert, die Verkäuferin ihm den freundlichen Gruß nicht erwidert. Als wäre er gar nicht da. Schnellen Schrittes ging er weiter. Es gab noch viel zu tun. Ersatzteilte abholen, das Vorstandstreffen planen, Projekte den richtigen Leuten vorstellen, den Wochenend –Trip bezahlen, Kinder von der Ex Frau abholen, die Frau zu Hause unauffällig überreden, das Wochenende auf die Kinder aufzupassen. Dies alles brauchte Überlegung und Fingerspitzengefühl. Sein Ärgernis über die ihm bevorstehenden Aufgaben wuchs. Er bräuchte dringend eine Auszeit. Von allem. Viel zu viel verschwendete Zeit.

Wochenendtrip würde ich zusammen schreiben, und bei "Viel zu viel verschwendete Zeit." das erste "Viel" einfach weglassen. Wirkt meiner Meinung nach stärker.
Und mir ist das etwas zu beliebig was er so für alltägliche Aufgaben und Termine hat. Wenn du ihm mehr Tiefe gibst, dann wird das aber sicherlich besser. Du als Autor kennst die Figur, bzw weißt mehr über ihn als der Leser. Der Leser kann zwar seine eigene Fantasie mit einfließen lassen, aber etwas mehr Input deinerseits schadet der Geschichte bestimmt nicht.


Sie hatten sich gut gekannt.

Und jetzt ging der Bogenschütze von einst gerade über die Straße und rief seinen Namen.

cool, das so gegenüber zu stellen, Stichwort Wahrnehmung.
Ein gutes Thema hat deine Geschichte. Es würde ihr aber gut tun, wenn du ihr ein bisschen mehr Luft geben würdest.
Der Perspektivwechsel kommt etwas holprig daher, und der Übergang in die Vergangenheit ist mir auch etwas zu wirr.
Also was ich mit Luft geben meine: Ich glaube, du könntest fast jeden Satz noch weiter ausführen, bzw eine weitere Beobachtung, ein Gefühl o.ä. anstellen, ohne das sich die Geschichte dadurch in die Länge zieht.


Weg von dem Rufenden, vor der Vergangenheit, die plötzlich Gegenwart war, und vor sich selbst.

Dass er der Konfrontation aus dem Weg geht, lässt ja auf tiefe, nicht verarbeitete Traumata/Emotionen schließen. Auch hier: schreib doch genauer auf, was er dabei fühlt; was dazu geführt hat, wieso er sich noch nicht in der Lage fühlt die Konfrontation zu suchen.


Flüchtig kam ihm in den Sinn, wessen Wesen Mensch er wohl sei.

Der letzte Satz ist mir noch ein klein wenig ein Rätsel, auch wenn ich ihn trotzdem, oder gerade deswegen richtig gut finde.
Denkt er darüber nach was für eine Art Mensch er ist? Oder für wen er als Mensch gilt?

Und das "Flüchtig", das kann man doch auch so verstehen, dass auch der "Bogenschütze" vor etwas davon läuft, gute Wortwahl hier!

Ich hoffe du kannst etwas damit anfangen :)

Liebe Grüße,
Kolle

 
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Lieber Kolle,
vielen Dank für Deine Anmerkungen. Sie fühlen sich für mich stimmig an.
Meine Angst ist immer, dass sich die Luft in der Geschichte in Erklärungen verliert. Daran muss ich pfeilen. Wieviel kann ich weglassen, dass es trotzdem noch dicht ist und man zwischen den Zeilen lesen kann und wieviel muss ich hinzufügen, damit es nicht nur rätselhaft bleibt...
Dafür ist der Blick von außen wichtig. Merci!
Hast Du auch was geschrieben?
LG, Kattinka

 

Liebe @Kattinka

weniger ist oft mehr, dass ist wahr. Aber wenn Beschreibungen für sich stehen und der Welt Farbe geben, dann ist das immer schön. So lange die Handlung dadurch nicht leidet natürlich.
Und ich denke mal, du kannst auch gut und gerne die dreifache Menge Text haben, so schnell wie sich das ließt ist es eher hilfreich wenn der Text etwas gestreckt wird, sonst ist er ja auch viel zu schnell vorbei :)

Und schau doch mal bei mir auf dem Profil vorbei, bisschen was habe ich hochgeladen :)

Liebe Grüße,
Kolle

 
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@Kattinka

Hallo und willkommen.
Ich werde jetzt nicht tief ins Detail gehen.
Es ist deine erste Geschichte hier und dafür ist sie sehr gut gelungen. Was mich tatsächlich beeindruckt ist, dass sie sehr kurz gehalten ist und gut durchdacht wirkt. Du hast wirklich etwas zu sagen und gießt das in eine schlaue, kleine Erzählung.
Ich bin selbst nicht lange hier, habe aber schon gemerkt, dass viele, auch ich, dazu neigen in ihren ersten Kurzgeschichten eine ewig lange Story mit einem Haufen konventionellem, oberflächlichem, und prätentiösen Geschreibe zu füllen.

Dein Weg ist da auf jeden Fall besser gewählt.
Die Länge der Geschichten wächst mit der Zeit automatisch mit der Erfahrung.
Meine Empfehlung: Mit dem selben Niveau an komplexere Themen herantasten.

Viele Grüße
Murph

 
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Danke für Dein Feedback, kann ich was mit anfangen!

 

Hallo @Kattinka
Diese Stelle ist etwas unsauber. Speziell der inhaltliche Sprung zwischen den Sätzen:

Jetzt war er ein großgewachsener Mann. Damals nannten es die Lehrer hänseln.

Zuerst ist die Perspektive nah beim Protagonisten, dann wird auf Distanz gegangen und der Erzähler wird sehr präsent. Zum Ende wird wieder auf den Prota gezoomt.
Bei diesem recht kurzem Text ist der Fokuswechsel stilistisch ungünstig.

Meine Angst ist immer, dass sich die Luft in der Geschichte in Erklärungen verliert.
Ich muss Deine Angst bestätigen. Im Grunde wird die Moral der Geschicht' so deutlich erklärt, dass jede Eigeninitiative des Lesers überflüssig wird. Gleichzeitig findet leider keine Entwicklung der Figur statt. Deshalb entsteht auch keine Spannungskurve.

Mein Tipp: Viele Texte im Forum lesen, analysieren und kritisieren!

Grüße!
Kellerkind

 
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Hola @Kattinka,

hab Deinen Text gleich nach dem Einstellen gelesen. Der ist doch verdammt kurz, und dann bin ich noch an einigen Kanten hängengeblieben, sodass ich die Sache auf sich beruhen ließ.

Hab heute noch die dazugehörigen Kommentare und Deine Antworten gelesen – tja, da sollte ich wohl besser die Klappe halten, um die Harmonie nicht zu stören.

Andrerseits kann ein Text nicht besser werden, wenn man ihn nur absegnet. Dass ich Dir persönlich nicht die Laune verderben will, musst Du mir einfach glauben – es geht nur ums Geschriebene.

Die Schüler hatten ihn nicht respektiert, die Verkäuferin ihm den freundlichen Gruß nicht erwidert.
Hier stört mich das Kursive. ‚Du hast mir den frdl. Gruß nicht erwidert’ ist nicht falsch, doch es könnte besser fließen: ‚Die Verk. hat seinen frdl. Gruß nicht erwidert’.

Noch etwas: Wir haben Plural (die Schüler), aber auch Singular (die Verkäuferin) in einem Satz – korrekt müsste man schreiben:
Die Schüler hatten ihn nicht respektiert, und die Verkäuferin hat seinen frdl. Gruß nicht erwidert.

Ersatzteilte

die Frau zu Hause unauffällig überreden,
Wie geht das? Jemanden ‚unauffällig’ überreden? Wenn der mal nicht stutzig wird ...
Btw: Wenn Dir mal nicht das passende Wort einfällt, dann schau bei Google nach:
„unauffällig“ + Synonyme – und schon hast Du eine Riesenauswahl.

Sein Ärgernis
über die ihm bevorstehenden Aufgaben wuchs.
Richtig wäre: sein Ärger ... /// die ihm bevorst. Aufgaben sind sein Ärgernis (ein Ärgernis kann nicht wachsen).

Insgesamt nimmt die Aufzählung seiner Ärgernisse :D im Verhältnis zur Kürze des Textes zu viel Raum ein, das bremst den Lesefluss, weil nichts geschieht.

... als er ihn plötzlich gegenüber über den Bürgersteig gehen sah.

Er rief seinen Namen, weil er ihn erkannte.
Das kommt zu spät, weil ich vorher lese:
... als er ihn plötzlich ... ... sah.
Also hat er ihn erkannt und die Begründung, weshalb er rief, ist überflüssig.

Jetzt war er ein großgewachsener Mann. Damals nannten es die Lehrer hänseln.
Beide Sätze sollten durch Absatz getrennt werden. Auch dann kommt der Wechsel noch unverhofft genug.
messerscharfe Pfeilenspitze
Pfeilspitzen
Der Junge war jeden Tag schwerverletzt nach Hause gekommen.
Hier hast Du’s bisschen flott geschrieben. Natürlich weiß der Leser, was gemeint ist, aber unsere Texte sollten sich nicht mit dem Mindestmaß zufrieden geben.

Der Autor muss oft ein bisschen tüfteln, bis er den richtigen Satz mit den richtigen Worten beieinander hat – an dieser Stelle sag ich auch ganz ohne Häme oder andere Bosheit, dass mir der Text sehr sehr schnell heruntergeschrieben scheint. Vielleicht ein subjektiver Eindruck (Das sage ich, obwohl ich das nicht glaube, doch ich möchte Dir nicht zu nahe treten).

Und hier kommt mein Waterloo als Leser:

Flüchtig kam ihm in den Sinn, wessen Wesen Mensch er wohl sei.
Jessas! Wie ich’s auch drehe – ich werd nicht gescheit draus!

Für heute soll’s genug sein, war ja eine sehr kurze Geschichte.
Aber ein langer Kommentar.

José
PS
In Deinen Antworten lese ich:

Meine Angst ist immer, dass sich die Luft in der Geschichte in Erklärungen verliert.
Versteh ich nicht: Die Luft in der Geschichte verliert sich in Erklärungen? Wie geht das?
Daran muss ich pfeilen.
feilen

 

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