Flucht nach Oxibis 3
Flucht nach Oxibis 3
Langsam näherte sich der schwere Raumgleiter diesem kleinen Planeten am Rande des Weasystems. Jeff war froh, ihn auf den Sternenkarten gefunden zu haben. Sein kritischer Blick überprüfte zum X-ten Mal die Kontrollanzeigen. Der Sauerstoffvorrat näherte sich dem Ende und auch die Treibstoffanzeige rutschte langsam in den roten Bereich. Doch was ihn wirklich beunruhigte war dieses seltsame, klickende und zischende Geräusch aus dem einen Triebwerk. Es lieferte nicht genug Schub und gleichzeitig war da diese kaum spürbare Vibration, die durch das ganze Raumschiff ging.
Dabei war vor fünf Tagen alles noch in Ordnung gewesen, als er von der Raumstation Delta S36 gestartet war. Dort wurde ein Ventil an den Sauerstofftanks ausgewechselt. Wie so oft hatte sich Jeff auch da gewünscht, sich ein neues Schiff leisten zu können, aber er mochte auch seine alte Klapperkiste, mit der er so viel erlebt hatte.
Allmählich machte er sich Gedanken, weshalb es mit der Landeerlaubnis so lange dauerte. Dabei hatte Jeff bei dem Gespräch mit der Flugsicherung auf die technischen Probleme hingewiesen. Wenn er nicht bald landen konnte, würde das Triebwerk komplett ausfallen, dann müßte er für lange Zeit in dieser Umlaufbahn bleiben und mit den wenigen Sauerstoffreserven hätte er schnell richtige Schwierigkeiten. Wieder machte er den Blick über die Kontrollanzeigen.
Endlich kamen über Funk die Landekoordinaten und die Landeplattform. Die Landung war schon Routine und trotz des defekten Triebwerks ohne Komplikationen.
Mit einem herzlichen Empfang hatte er nicht gerechnet, doch bis das Landungsteam kam, verging geraume Zeit. Als sie endlich kamen, waren sie sehr wortkarg und Jeff mußte ihnen jede Information mühsam aus der Nase ziehen. Sie wollten ihm nicht mal den endgültigen Landeplatz im Hangar bzw. in seinem Fall den Platz im Dock nennen. Sie schauten sich zum wiederholten Mal seine Papiere an und warteten auf die Planetenaufsicht. Eine Behörde, die so eine Mischung zwischen Polizei und Zoll war, bei der sich jeder Neuankömmling registrieren lassen mußte. Jeff nutzte die Zeit und informierte einen Mechaniker in einem ölverschmierten, zerschlissenen und blauen Overall. Dieser vermutete, daß der Schaden durch eine defekte Kraftstoffpumpe herrühren könnte. Für dieses Schiff würde es 2 bis 3 Tage dauern, bis die Pumpe geliefert werden würde. Wenn es so ein altes Modell überhaupt noch in dem Zentrallager gäbe.
Nach einer weiteren halben Stunde kamen endlich die Beamten, eine junge Frau mit langen schwarzen Haaren und ihr Kollege ein über 2 Meter großer Hüne. Die junge Frau schaute ziemlich ernst drein und doch wirkte sie sympathisch und ein fröhliches, aufgewecktes Leuchten war in ihren blauen Augen. Als Jeff ihr die Papiere ein zweites Mal zum Überprüfen übergab, huschte ein flüchtiges Lächeln über ihr Gesicht, währenddessen untersuchte ihr Kollege das Schiff.
Es dauerte nicht lange und er kam mit einer Tüte, in der sich ein bräunliches Pulver befand, heraus. Jeff starrte ihn völlig verwundert an und erklärte: „Das ist nicht meins, ich weiß nicht wo das herkommen soll?!“ Die Beamtin meinte schroff: „Sie sind verhaftet, wegen Drogenbesitzes. Drehen sie sich bitte um.“ Sie zog die Handschellen heraus. Jeff reagierte nicht gleich, sondern bekundete noch einmal seine Unschuld. Da packte sie seinen Arm und drehte ihn mit einem Ruck auf den Rücken. Dann legte sie die Handschellen an und führte ihn ab.
Während Jeff im Gefängnis saß und darauf wartete dem Schnellrichter vorgeführt zu werden, schaute Melanie, die ihn verhaftet hatte, im Hauptquartier seine Personalien an. Die Unterlagen lasen sich sehr interessant, denn er hatte schon ein bewegtes Leben hinter sich. Aber sie fand keine kriminellen Machenschaften oder Verurteilungen. Nachdem sie Jeffs Militärakte über den Terminal aufgerufen hatte und sie überflog, stockte Melanie. Jeff trat freiwillig in die Armee ein und wurde zum Piloten von Kampfmaschinen ausgebildet. Nach einem hervorragenden Abschluß der Akademie diente er in der 37/62sten Einheit und kämpfte im Krieg gegen die Sollioaner. Während Melanie noch über den Fall grübelte und ganz vertieft die Militärakte las, kam Tom zu ihr. Er war fröhlich wie immer, sah ihren nachdenklichen Blick und wollte sie aufheitern. Melanie sah ihn mit einer Mischung aus Fragen und Grübeln an. Doch bevor sie etwas sagen konnte, meinte er schon: „Warum beschäftigst du dich noch mit diesem Fall? Wir sind heute als Zeugen vorgeladen, er wird verurteilt und es ist für uns vorbei. Auf zum nächsten Fall!“ Melanie schaltete ihren Computer aus und sie verließen das Büro um zum Gericht zu fahren.
Der Richter Brown hatte zwar Melanie und Tom vorgeladen, doch die Indizien sprachen für sich und der Fall war für ihn eindeutig, darum brauchten sie auch nicht aussagen. Nach einer kurzen Pause kam Richter Brown aus seinem Zimmer und verkündete das Urteil. Jeff war fassungslos als er hörte, daß er wegen Drogenbesitzes zu 20 Jahren Arbeitsdienst in den Minen verurteilt wurde. Er tobte und beteuerte seine Unschuld, worauf der Richter überlegte, die Strafe wegen Mißachtung des Gerichtes noch zu erhöhen, ließ ihn aber nur von den Gerichtsdienern abführen. Während Melanie ihm nachdenklich nachschaute, war für Tom der Fall nun endgültig abgeschlossen. „Wußtest Du, daß er in der 37/62sten gedient hatte?“ „Nein, das wußte ich nicht“, gab Tom zu und fuhr fort: „Und was hat das mit dieser Sache zu tun?“ Melanie schaute ihn eine Weile an, dann schüttelte sie den Kopf und sagte seufzend: „Ach nichts, ist nicht so wichtig.“ Sie verließen das Gericht.
Die schwere Eisentür wurde aufgeschlossen und mit einem kräftigen Ruck aufgezogen. Unsanft wurde Jeff in eine Zelle gestoßen und anschließend fiel hinter ihm die Eisentür wieder ins Schloß. Sein Blick wanderte durch den kleinen Raum, in dem neben den übereinander angebrachten Pritschen, ein Tisch mit nur einem Stuhl stand und eine Toilette untergebracht war. „Willkommen in den Lucky Minen“, erklang die Stimme aus dem oberen Bett. Noch während er sich umdrehte, sprach er weiter: „Wer hier herkommt, ist so gut wie tot. Nur wenige kommen hier wieder raus.“ Jeff grinste ihn kurz an und meinte ironisch: „Genau das habe ich gebucht.“ Sein Gegenüber musterte ihn eine Weile, dann begann er kurz zu lachen: „Ich bin David, du solltest Dich noch ausruhen. In ein paar Stunden fängt die nächste Schicht an und die ist nicht ohne.“
Melanie setzte Tom zu Hause ab und fuhr zur Entspannung eine Weile durch die Straßen. Als sie feststellte, daß sie nur ein paar Blocks von den Docks entfernt war, beschloß sie dort vorbeizufahren, um sich den Raumgleiter noch einmal anzusehen. „Was machen sie hier?“, fragte der Mechaniker überrascht. Melanie zog ihre Dienstmarke aus der Jackentasche und hielt sie ihm entgegen. „Ach so, ich dachte schon sie wären vielleicht eine Diebin. Ersatzteile sind nämlich Mangelware, sie sind sehr begehrt und der Schmuggel damit blüht.“ „Ich möchte mir das Schiff noch mal ansehen“, erklärte Melanie, während sie ihre Marke zurück in die Jacke steckte. „Von mir aus! Schauen sie sich in aller Ruhe um. Wissen Sie, was nun mit dem Raumschiff passieren soll? Wird es verkauft oder in Einzelteile zerlegt? Wäre schade, denn es ist gut in Schuß, dafür das es so alt ist. Außerdem ist das Ersatzteil eingetroffen. Nun, die Arbeit ruft, wenn noch etwas ist, ich bin dahinten.“ Melanie betrat den Raumgleiter. Sie war erstaunt, wie ordentlich und aufgeräumt es dort aussah. Im Cockpit befand sich das Logbuch und das Auftragsbuch. Sie begann sich zu fragen, warum Jeff Drogen geschmuggelt haben sollte, wenn er in der letzten Zeit so viele Aufträge hatte. Auf der kleinen Konsole, die als Schreibtisch diente, befand sich noch ein Foto auf dem Jeff mit anderen Kammeraden seiner Einheit zu sehen war. Sie stellte das Foto zurück auf seinen Platz und schaute sich weiter um. Nach einiger Zeit verließ sie die Maschine, stieg in ihren Wagen und fuhr nach Hause.
Ein dumpfer Schlag traf Jeff auf den Rippenbogen. Er sackte zusammen und bekam im ersten Moment keine Luft mehr. „Du sollst nicht rumquatschen!“ brüllte der Aufsehen und holte mit dem Stock zum zweiten Schlag aus. David stellte sich dazwischen und meinte knapp: „Er wird arbeiten, aber nicht, wenn sie ihn halb totschlagen.“ Er half Jeff wieder auf die Beine und gab ihm die Spitzhacke in die Hand. Gemeinsam nahmen sie die Arbeit wieder auf und begannen den Felsen zu zerkleinern. Die Luft war stickig und voller Staub. In den Gängen konnten die Gefangenen wie David und Jeff nicht einmal stehen. Durch die Nähe des Magmas war es unerträglich heiß, so das ihnen der Schweiß nur so runter lief.
Melanie saß an ihrem Schreibtisch und startete einige Anfragen in ihrem Computer. Sie hatte so eine verrückte Idee oder so eine Art Eingebung, die sie sich nicht erklären konnte. Melanie war es auch unangenehm, weil es Personen betraf, die sie gut kannte und die Ihre Freunde waren. Darum schaute sie sich vorsichtig um, bevor sie die Daten in den Computer eintippte. Aber sie wollte Klarheit haben. Nervös klopfte sie mit den Fingern auf der Tischplatte herum, denn es dauerte eine Weile, bis die Daten auf dem Bildschirm erschienen. Erstaunt stellte sie fest, daß es in dem letzten halben Jahr 9 Festnahmen wegen Drogenschmuggels gab. Alle wurden zu langen Strafen in den Minen verurteilt. Ihre Vermutung wurde verstärkt, als sie las, daß ihr Kollege Tom bei 7 Festnahmen dabei war. Die anderen wurden durch einen Kollegen durchgeführt, der schon mal unter Verdacht der Korruption stand, dem der interne Ermittlungsdienst aber nichts beweisen konnte. Neugierig las Melanie weiter und staunte nicht schlecht bei ihren Untersuchungen, denn alle neun wurden von Richter Brown verurteilt. „Sollte es da einen Zusammenhang geben?“, fragte sie sich laut. Melanie forschte noch weiter nach und stellte fest, daß Tom bei einem Drogenfund dabei war. Bei dem Transport ins Asservatenlager waren einige Päckchen verschwunden, eine interne Untersuchung brachte kein Ergebnis, denn sie blieben verschwunden.
Melanie ging zu Brian, dem Experten im Labor, und fragte ihn, ob es sich bei dem Stoff, der bei Jeffs Festnahme gefunden wurde, um den gleichen Stoff handeln könnte, wie der verschwundene? „Das braucht einige Zeit. Ich muß dazu einige Tests machen. Die Ergebnisse von dem Stoff aus der Assavatenkammer habe ich glücklicher Weise noch im PC“, sagte Brian sichtlich genervt und fuhr fort: „Ich habe noch drei andere Untersuchungen und die entsprechenden Berichte fertig zu stellen.“ Melanie lächelte ihn an und versprach: „Ich weiß, ich schulde dir einen Gefallen. Das nächste Mal, wenn ich vorbeikomme bringe ich dir etwas zum Naschen mit, das magst du doch immer gern.“ Ein kurzes Lächeln huschte über sein Gesicht. „Ich werde sehen was ich tun kann. Ich rufe dich an, wenn ich etwas mehr weiß.“
Jeff und David wurden völlig erschöpft in ihre Zelle gebracht. Während David sich gleich auf seine Pritsche legte, nahm Jeff am Tisch Platz und zog aus einem umgekrempelten Ärmel ein Stück Papier heraus, dazu holte er einen Stift aus seinem Stiefel hervor und begann einige Notizen anzufertigen, als er David von seinem Lager hörte: „Was machst Du denn da? Und woher hast Du diese Sachen?“ Jeff grinste kurz und meinte belustigt: „Das Papier und den Stift habe ich aus der Wächterbaracke als wir in der Pause etwas trinken durften, genau so wie das Papier.“ „Und was machst Du damit?“, wollte David erstaunt wissen. Jeff stand auf und ging auf ihn zu, wobei er flüsterte: „Ich mache mir einen Plan und schreibe alle Einzelheiten auf, die mir helfen können von hier zu fliehen.“ David starrte Jeff eine ganze Weile mit großen Augen an bis er tief Luft holte und kräftig schluckte. Dann flüsterte auch er: „Das ist absolut verrückt. Sie werden Dich umbringen, so wie sie jeden bisher umgebracht haben.“ „Ich werde auf keinen Fall warten bis ich hier vielleicht an Altersschwäche sterbe oder von einem Wächter erschlagen werde. Ich sitze hier unschuldig und werde nicht abwarten bis ich in 20 Jahren entlassen werde.“ David lachte nur und wiederholte, daß es noch niemanden gelungen sei, einige hätten es versucht und mit ihrem Leben bezahlt. Trotzdem ließ sich Jeff nicht von seiner Idee abbringen und arbeitete weiter daran und machte David das Angebot, daß sie es gemeinsam durchziehen könnten.
Tom saß im Büro und wartete auf Melanie, da ging das Telefon. Zunächst schrieb er an seinem Bericht weiter. Dann legte er den Stift beiseite und aktivierte den Bildschirm, um das Gespräch entgegenzunehmen. Brian war überrascht, er hatte Melanie erwartet. Schnell fand er seine Fassung wieder und fragte nach ihr. „Ich warte auch schon auf sie. Soll Melanie zurückrufen?“ fragte Tom auch leicht verwundert. Brian räusperte sich und fügte gleichgültig hinzu: „Nicht nötig, sag ihr einfach, daß die Untersuchungsergebnisse positiv sind. Dann weiß sie schon Bescheid, ausführliche Informationen schicke ich ihr auf ihren Dekorder.“ Der Bildschirm wurde schwarz und Tom grübelte noch einen Moment darüber nach, um was für eine Untersuchung es sich handeln konnte. Da kam auch schon Melanie durch die Tür. Etwas mißtrauisch wollte Tom wissen, ob es einen neuen Fall gäbe. Sie verneinte etwas verlegen: „Brian hat mir nur einen kleinen Gefallen getan. Soll ich ihn zurückrufen?“ „Brian, meinte nur, das Ergebnis ist positiv, was immer das auch heißen mag.“ erwiderte Tom. Er starrte sie noch einige Zeit an, gab sich aber mit der Antwort zufrieden und ging wieder an seinen Bericht. Melanie lächelte: „Zum Glück war es kein Schwangerschaftstest.“ Beide lachten und sie machte sich an einen Stapel Akten.
Jeff und David standen am Tisch und beugten sich auf den bis ins kleinste durchdachten Plan. Gemeinsam gingen sie noch einmal jede Einzelheit durch. Da hörten beide Schritte auf dem Gang, wenig später wie der Schlüssel ins Schloß gesteckt wurde und kurze Zeit darauf mit einem Ruck die schwere Eisentür sich öffnete. Schnell ließ Jeff den Plan in seiner Tasche verschwinden. Überrascht schauten sie den Wächter an und meinten scherzhaft: „Ist denn schon die nächste Schicht? Ich dachte wir hätten noch Zeit uns in unserem Apartment auszuruhen?!“ Die beiden Wächter schauten grimmig wie immer und während der eine an der Tür stehen blieb, brachte der andere einen Karton herein und stellte ihn auf den Tisch. „Ein kleines Geschenk, damit Euch der Tag versüßt wird. ... Ach ja, wir mußten natürlich testen, ob die Sachen für Euch gut genug sind.“ Mit einem frechen Grinsen drehte sich der Wachmann um und beide ließen die Eisentür hinter sich ins Schloß fallen.
Tom und Melanie kamen in das Büro des Direktors der Lucky Minen gestürmt und ließen sich die ersten Fakten geben. Er tupfte sich mit einem Taschentuch den Schweiß von der Stirn. Zwei Gefangene hatten mitten in der Schicht plötzlich einen Wächter überwältigt und seien mit einem Förderkorb aus dem Schacht gekommen. Anschließend hätten sie einen zweiten Posten niedergeschlagen, dessen Waffe entwendet und die Flucht fortgesetzt. Da mehrere Transporte von der Mine zu den Startrampen gingen, könnten sie schon meilenweit von der Mine entfernt und irgendwo in der Stadt untergetaucht sein. „Was wissen wir über die Gefangenen?“ fragte Melanie, während sie begann die Fahndung in ihren Dekorder zu geben. Sie wunderte sich kurz über die Schweißausbrüche des Direktors, denn sie waren in einem klimatisierten Raum. Mit leicht zitternder Stimme führte er weiter aus: „Bei dem einen handelt es sich um Jeff Monroe. Sie haben ihn selbst verhaftet und bei dem anderen um David Fletcher einem Mann, der in 16 Galaxien gesucht wurde, eine Flucht würde für ihn wenig bringen. Ich verstehe das nicht! Wir haben die modernste Mine. Hier arbeiten muß doch eigentlich ein Vergnügen sein?!“ Tom und Melanie stimmten sich kurz ab, danach verließ sie das Büro und ging zu ihrem Wagen, um an den Docks auf die Suche zu gehen. Tom wollte sich vom Direktor die Stelle, wo sie zuletzt gearbeitet haben und die Zelle zeigen lassen.
Die Docks waren schon in Sicht, da steuerte Melanie ihren Wagen plötzlich weg von der Straße, fuhr auf ein verlassenes Lagergrundstück und stoppte erst in der Lagerhalle. Sie löschte die Scheinwerfer und lauschte eine Weile bevor sie ausstieg. Durch die zerbrochenen Fenster und durch das kaputte Dach kam genug Licht herein, um die Umgebung zu beurteilen. Noch einmal wanderte ihr prüfender Blick durch die Halle, dann öffnete Melanie den Kofferraum. Erleichtert atmeten Jeff und David kräftig ein und aus, bevor sie sich aus ihrem engen Versteck quälten. „Wir müssen uns beeilen, die anderen Einheiten können jeden Augenblick hier vorbeikommen“, drängelte Melanie und fuhr fort: „Ich fahre sie jetzt zum Raumgleiter.“ „Aber der ist nicht startbereit!“, unterbrach Jeff sie. Melanie lächelte geheimnisvoll, während sie zwei paar Handschellen aus der Gürteltasche zog. „Ich habe dafür gesorgt, daß das Ersatzteil eingebaut wurde und das Raumschiff o.k. ist.“ Melanie war fertig mit ihrer Ausführung als bei Jeff die Handschellen klickten. Sie bemerkte Jeffs fragenden Gesichtsausdruck. „Das ist nur für die Glaubwürdigkeit.“ Melanie nahm ihr Funkgerät und drückte die Sprechtaste: „Hier Wagen 10/10 habe die Ausbrecher an den Docks festgenommen. Fahndung abbrechen! Ich wiederhole, Fahndung abbrechen!“ Sie ließ die Taste los und meinte mit einem Lächeln: „Das verschafft uns etwas Zeit. Aber über die Zentrale können die anderen unsere Position jederzeit erfahren und wir haben noch eine Menge vor.“ Melanie drehte sich mit den Handschellen zu David um und erschrak.
Tom stand in der Zelle der beiden, konnte aber nichts Außergewöhnliches entdecken. Er wollte sich schon wieder umdrehen und gehen, da bemerkte er einen kleinen Schnipsel der unter dem Bett hervorschaute. Er zog daran und hatte unerwartet einen zusammengefalteten Karton für Süßigkeiten in der Hand. Tom überlegte einen Moment. Dann kam ihm ein schrecklicher Verdacht und während er zu seinem Wagen lief, rief er gleichzeitig über sein Funkgerät die Zentrale.
David hatte die Waffe auf Melanie und Jeff gerichtet. Jeff schaute überrascht: „He Alter, nimm die Pistole runter, sie ist in Ordnung.“ „Halte den Mund und geselle dich zu deiner Freundin, wir warten noch auf Gäste zu dieser Party. Und Sie Lady, bitte ihre Waffe ganz langsam zu mir rüberschieben.“ Melanie tat was von ihr verlangt wurde und begann mit der linken Hand ihre Waffe aus dem Holster zu ziehen. Sie versuchte die Situation zu entspannen, lehnte sich releaxt gegen ihren Wagen und fing ein Gespräch an: „Ich weiß nicht auf wen wir warten, aber vielleicht kommt er gar nicht?! Warum fallen Sie uns in den Rücken?“ „Lady, es reicht, wir warten einfach. Ist das für Sie o.k.?“ „Kann mir mal einer erklären, was hier los ist?“ warf Jeff ein und fuhr fort: „Eine Polizistin versteckt für eine Flucht eine Mitteilung in einem Kuchen und als wir frei sind, werden wir von einem Mitgefangenen aufgehalten. Irgendwie ist daß doch eine verkehrte Welt oder???“ „Ich wollte nicht fliehen, aber für die Mithilfe bei der Festnahme bekomme ich Vergünstigungen. Verstehst Du? Ich habe hier lebenslänglich und da muß ich mir die Zeit so angenehm wie möglich machen. Und jetzt Schluß mit den Fragen.“
Sie schwiegen noch eine Weile, dann kam ein Wagen auf das Gelände und fuhr ebenfalls in die Lagerhalle. Erst als die Scheinwerfer abgestellt wurden und Melanies Augen sich wieder an die Dunkelheit gewöhnt hatten, erkannte sie ihren Partner Tom. „Wird auch Zeit, daß du kommst, ich warte hier schon eine ganze Weile.“ Tom lächelte Melanie an. „Ja, lange wußte ich nicht, wohin sie geflohen waren, aber dann bekam ich den entscheidenden Hinweis. Meine geliebte Partnerin verschenkt gerne Süßigkeiten, als ich die Packung entdeckt hatte, wußte ich, daß Du etwas mit dem Ausbruch zu tun hattest. Also brauchte ich jetzt nur noch nach dem Wagen zu suchen.“ Tom zog seine Waffe und stellte sich neben David, dann wandte er sich an Melanie: „Was ich nicht verstehe, warum tust du mir das an? Wir haben doch so gut zusammen gearbeitet und du warst bald so weit, daß ich dich mit ins Geschäft aufnehmen konnte! Und das alles für jemanden, den du gar nicht kennst.“ Melanie lachte bitter: „Er war in der 37/6...“ „Ja, ja... 37/62sten Einheit! Das sagtest du schon. Und ist diese Einheit etwas Besonderes?“ „Mein Vater hat diese Einheit befehligt.“ Jeff sah Melanie überrascht und fragend an, während sie ihre Ausführungen fortsetzte: „Und diese Einheit hat einen bestimmten Ehrencodex, nämlich das jeder für den anderen da ist, und das Gesetz das Oberste ist und immer befolgt werden muß, ich kenne niemanden der dagegen verstoßen hat, auch wenn er längst ausgeschieden war. Und jetzt zu dir Tom, warum schiebst du Unschuldigen Drogen unter?“ „Wenn wir schon bei der Wahrheit sind...“ Tom fing an und entsicherte gleichzeitig seine Waffe: „... du weißt doch selbst wie weit wir hier von jeder Zivilisation entfernt sind. Gute Facharbeiter sind selten und für die Beschaffung von Minenarbeitern gibt es gutes Geld. Jetzt kennst du die ganze Wahrheit, doch es nützt dir nichts mehr. Hier gleich noch etwas für den Bericht. Ich bin hierhergekommen, um dich bei der Festnahme zu unterstützen, aber es war zu spät, der Gefangene Jeff hatte dich schon erschossen, bevor ich ihn erledigen konnte. Danach werden David und ich zurück zu den Minen fahren.“
Sekunden herrschte eine knisternde Spannung, in der Jeff und Melanie in die Pistolenläufe blickten. Tom krümmte seinen Finger um den Abzug immer stärker, da raschelte es hinter ihnen, irritiert sahen David und Tom sich an. Tom drehte sich herum, um die Lage zu untersuchen. Alle vier hörten das Mauzen einer Katze, woraufhin Tom und David sich entspannten. Dies war jetzt der günstigste Zeitpunkt und Jeff ergriff die Gelegenheit. Er stürmte auf Tom los und riß ihn zu Boden. Dabei schlug er mit den Fäusten auf ihn ein, was durch die Handschellen schwierig war. David war einen Moment abgelenkt und schaute nicht auf Melanie. Das war der Zeitpunkt in der sie ihre Zweitwaffe aus dem Holster an ihrer Wade ziehen konnte. David bemerkte es und feuerte einen Schuß auf sie. Doch dieser ging dicht an ihr vorbei. Melanie schoß gezielt und traf David mitten in die Brust. Sofort ließ er die Waffe fallen und sank mit einem stillen Schrei auf die Knie. Während er beide Hände gegen die Brust drückte fiel er mit einem kurzen Seufzer auf den Rücken. Jeff kämpfte immer noch mit Tom, konnte ihn aber mit zwei, drei Schlägen gegen das Kinn bewußtlos schlagen. Er erhob sich und ging auf Melanie zu, die wie erstarrt mit der Waffe in der Hand da stand. Jeff drückte die Hand mit der Waffe herunter und beruhigte sie. Melanie atmete ein paar mal kräftig, hörbar ein und aus, dann hatte sie sich wieder gefaßt. Danach ging Jeff auf David zu und stellte mit einem Griff an die Halsschlagader fest, daß er tot war. Er nahm die Waffe an sich und ging zu dem Wagen von Tom. Mit zwei gezielten Schüssen setzte er dessen Funkgerät außer Funktion. Melanie stieg inzwischen in ihren Wagen ein und startete den Motor: „Komm wir müssen uns beeilen, bevor noch andere Kräfte hierher kommen.“ Jeff sprang in den Wagen und hielt Melanie die Handschellen vor das Gesicht: „Du solltest mich langsam von diesen Dingern befreien. Immerhin soll ich gleich einen Raumgleiter fliegen.“ Während sie den Wagen in Bewegung setzte, tastete sie in einer Gürteltasche nach dem Schlüssel und gab ihn Jeff. Dann verließ sie mit quietschenden Reifen das Lagerhaus und sie fuhren auf der Straße Richtung Docks. Sie lauschten immer mal wieder auf den Funk, doch es war nichts von den anderen Wagen zu hören.
Inzwischen kam Tom mit einem lauten Stöhnen wieder zu sich. Er schüttelte sich ein paar mal, bis er wieder vollkommen klar war. Er bemerkte David neben sich. Tom stemmte sich auf und ging zu seinem Wagen, verärgert bemerkte er das defekte Funkgerät und fluchte laut. Auf dem Beifahrersitz lag seine Waffe, diese nahm er, überprüfte sie, auf Munition und steckte sie ein. Er setzte sich in den Wagen, fuhr mit quietschenden und qualmenden Reifen los und nahm die Verfolgung auf.
Melanie und Jeff hielten vor dem Raumschiff, stiegen aus und liefen die Rampe hoch ins Schiff. Während Jeff im Pilotensitz Platz nahm, setzte Melanie sich an die Konsole und stellte das Funkgerät auf die Frequenz des Towers ein. Sie bat um Starterlaubnis und um den Code für den Sicherheitskorridor. Die Zeit verging schleppend. Doch Jeff nutzte die Gelegenheit die Turbinen warm laufen zu lassen und dabei überprüfte er schnell und trotzdem sorgfältig alle wichtigen Instrumente. Nervös tippte sie mit den Fingern auf der Platte herum. „Warum dauert es so lange?“ Fragte Melanie sich selbst. „Wir schaffen es schon, alles läuft doch planmäßig, die Turbinen haben auch schon 50% erreicht. Wir können starten sobald sie einmal richtig hochgefahren sind.“ Dann kam schnarrend und knackend eine Stimme aus dem Lautsprecher: Raumgleiter 971?! Sie haben Starterlaubnis. Wir geben ihnen sofort den Sicherheitscode für den Korridor.“ Jeff sah kurz aus dem Fenster und traute seinen Augen kaum. Tom kam mit dem Wagen auf sie zugefahren, hielt an und stieg aus. Dabei zog er seine Waffe und feuerte auf das Schiff, doch die Kugeln prallten von der Hülle ab. Melanie hörte auch das Abprallen der Kugeln und fragte: „Was ist das?“ Jeff erklärte ihr, während er hektisch die Düsen weiter hochzufahren versuchte: „Das ist dein spezieller Freund. Er ist uns aus dem Lagerhaus gefolgt. Meine rechten Haken haben auch schon mal mehr Schwung gehabt. Aber wir brauchen noch etwas, die Turbinen sind erst bei 85%.“ Melanie und Jeff sahen aus dem Fenster und beobachteten Tom, wie er zu Melanies Wagen ging und sich das Funkgerät schnappte. „Er ruft die Flugsicherung und die werden uns die Starterlaubnis wieder entziehen“, rief Melanie aufgeregt. Doch in diesem Augenblick knackte das Funkgerät erneut und eine Stimme erklärte: „Raumgleiter 971 sie haben Starterlaubnis, bitte räumen sie den Landeplatz. Der Code für den Sicherheitskorridor lautet 309. Einen angenehmen Flug!“ „Yeah, 100% Leistung!“ schrie Jeff und zog die Turbienensteuerungshebel zurück. Der schwere Raumgleiter setzte sich mit einem Ruck in Bewegung, hob ab und schoß davon. Melanie saß wieder am Schreibtisch und tippte den Code ein. Auf einem Monitor sah sie, wie sich die rote Linie um den Planeten in eine grüne verwandelte und sie jubelte ebenfalls. Dann gab sie die Zielkoordinaten ein und lehnte sich entspannt zurück. „Wohin fliegen wir eigentlich?“ fragte Jeff nun auch beruhigt. Melanie drehte sich zu ihm um und meinte mit einem Lächeln: „Nach Oxibis 3 dort sitzt der oberste Gerichtshof für diese Galaxie und dort sind sie bestimmt ganz gespannt auf meine Aufzeichnungen über den Korruptionsfall in den Lucky Minen.“ Freude strahlend hielt sie ihren Dekorder hoch. Jeff fragte neugierig weiter: „Und wie lange brauchen wir bis dahin?“ Melanie hatte einen geheimnisvollen Gesichtsausdruck: „Lange genug, um sich richtig kennen zu lernen.“