Flimmern
Ein gelblicher Schleier liegt in der Luft.
Eine grüne Wiese. Auf ihr, ein junges Mädchen, tanzend. Ihr Strahlen übertrifft die helle Nachmittagssonne bei Weitem. Sie lässt ihr Kleid bei jeder Drehung im Wind wehen. Wie wunderschön sie ist, merkte sie gar nicht, denkt er sich. Es wäre ihr aber auch egal. Sie tanzt einfach, und scheint nicht zu wissen, ob sie glücklich oder fröhlich sein sollte, sodass sie sich für Beides entschied. “Tanz mit mir!“. Sie schaut ihn mit ihren leuchtenden Augen an. 'Ich kann doch gar nicht tanzen.' denkt er.
Flimmern
Sie steht einfach da. Von der Abendsonne angestrahlt, nackt. Ihr Gesicht ist von ihm abgewandt und ihr Blick geht über das Meer. Die Wellen umstreifen ihre Knöchel und ihre Zehen versinken im Sand. Sie hat die Arme ausgebreitet, als würde sie darauf warten, die Welt zu umarmen. Für einen Moment lang denkt er, er träume. Ein warmes Gefühl breitet sich in seiner Brust aus, je länger er sie anschaut. Dieser Moment solle nie enden.
Flimmern
Große Augen schauen ihn erwartungsvoll an. Sie sieht ungewohnt aus in diesem weißen Kleid. Ungewohnt, aber schön. Der Schleier legt sich über ihre Haare wie das Schimmern der Sonnenstrahlen. “Gefalle ich dir?“. Wunderschön, denkt er, hätte er das jedoch auch gedacht, trüge sie einen Kartoffelsack. “Also kann man so heiraten?“. Er kneift die Augen fest zusammen, sodass sich eine Träne löst und ihm über die Wange bis zu seinem Kinn rinnt.
Flimmern.
“Das ist doch echt süß, oder?“. Der Strampler in ihrer Hand passt zu den tiefblauen Augen des Babys auf ihrem Arm. Er hat die Augen seiner Mutter, denkt er. “Oder lieber etwas Ausgefallenes?“. Sie hält einen viel zu klein geratenen Smoking hoch. Ein schmerzendes Lächeln kommt ihm über die Lippen. Das Kind fängt an zu weinen. “Das war wohl eindeutig.“ scherzt sie.
Flimmern
Alles wirkt so friedlich. Einzelne Strahlen der orangenen Sonne kommen von draußen durch das Fenster und durchziehen den Raum. Es ist ruhig. Man hört sie nur leise atmen. Sie verbreitet so viel Frieden, wenn sie da sitzt und liest. Die Gläser ihrer Lesebrille vergrößern neben ihren immer noch leuchtenden Augen die kleinen Fältchen daneben. Die Zeit ließ selbstverständlich* ihre Spuren an ihr zurück. Wunderschön, denkt er sich dennoch. Oder gerade deswegen. Sie blickt auf, sieht ihn direkt an und lächelt.
Flimmern
Schwarz. Er schaut noch eine Weile auf den dunklen Bildschirm, möchte nicht, dass es schon zu Ende ist. Er fängt an, das regelmäßige piepsen des Herzmonitors neben sich wieder zu hören, löst seinen Blick vom Bildschirm und schaut mit gläsernen Augen durch den Raum. Alles ist weiß und steril. Es riecht nach Desinfektionsmittel. Das Atmen fällt ihm schwer und der vorgetragene Rhythmus des Monitors neben ihm lässt auf eine ebenso schwerfällige Herzfunktion schließen. Zwei Frauen in charakteristischer Krankenhaus-Uniform stehen, sichtlich gerührt hinter dem Mann mit weißem Kittel. “Eine wirklich schöne Idee. So werden Sie Ihre Frau für alle Ewigkeit in Erinnerung behalten.“ sagte er mit einer leicht zittrigen Stimme zu ihm.
Er lächelt traurig, schließt seine Augen.
“...nur dass sie leider nie meine Frau war.“
Und dann... Flimmern.