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Fliegende Lachse und hungrige Bären
Der kräftige Fisch schwamm mit gleitenden Bewegungen voran. Das Wasser umhüllte ihn während seiner Reise. Sein Ziel war sein Geburtsort. Um diesen zu erreichen, müsste er eine weite Strecke hinter sich zurücklegen. Am Ende müsste er sogar in anstrengenden Sprüngen aus dem Wasser schießen, um Bergauf zu gelangen. Es war keine leichte Reise, doch er musste sie antreten, um seine Laich abzulegen und daraufhin diese Welt zu verlassen. Als er am Fuß des Abhangs angekommen war, zögerte er. Auf dem Weg nach oben, lauerten viele Gefahren. Unter anderem die gefräßigen Braunbären. Sie würden sich einen fetten Lachs schmecken lassen, wenn er ihnen zwischen die Pfoten kam. Er hatte Angst, dennoch blieb ihm keine andere Möglichkeit als die Reise zu wagen.
Er begann sich den Bach hinauf zu arbeiten. Neben ihm hunderte, pulsierende Fischlaibe, die den gleichen Weg vor sich hatten wie er. Er konnte ihre Nervosität spüren, ihren Puls hören, und er vernahm das Rauschen, wenn sie mal wieder einen, möglicherweise tödlichen, Sprung nach oben machten. Sie schossen aus dem plätschernden Wasser empor und schleuderten ihre Muskelbepackten Körper nach vorne. Er tat es ihnen gleich. Es blieb ihm schließlich nichts anderes übrig. Selbst wenn er gewollt hätte, hätte der Fisch nicht umkehren können. Der Schwarm hinderte ihn daran. Plötzlich als er sich zum zwanzigsten Mal gegen den Strom warf, spürte er die Gefahr. Ein prächtiger Fisch direkt neben ihm, wurde aus dem Wasser gerissen. Der Lachs sah eine riesige braune Tatze, an sich vorbeifahren, und spürte die Kraft die dahinter steckte. Er wusste, es hatte begonnen. Immer mehr seiner Genossen wurden aus dem strömenden Fluss geangelt, und einige wurden während ihres Sprungs entzwei gerissen. Der Lachs war panisch, und wollte umkehren, doch die Körper neben, vor, hinter und unter ihm, trieben ihn unerbittlich vorwärts. Die Bären die sich am Rand des Gewässers versammelt hatten, warteten nur auf den nächsten leichten Fang. Sie lauerten mit ausgestreckten Pranken und holten sich, mit erschreckender Zielsicherheit, einen nach dem anderen. Doch auf jeden getöteten Lachs kam abermals zehn dazu, so dass den Biestern ein Festmahl bevorstand. Der Lachs versuchte so wenig wie möglich in die Lüfte hinauf zu springen, doch manchmal ließ es sich einfach nicht vermeiden, da er oft auf Hindernisse stieß, unter Druck stand und von den anderen stets weitergeschoben wurde. Er hoffte inständig, dass der Schwarm bald die Flussmündung erreichen würde. Dort wäre er sicher. Ängstlich ließ er sich also weiter voran schieben und schubsen, und sprang weiterhin unter großen Anstrengungen den Fluss hinauf. Als er sich fast in Sicherheit wägte, da er ein Stück weiter vorne bereits die Mündung, den See erkennen konnte, wurde er plötzlich brutal aus dem Wasser gerissen und durch die Luft geschleudert. Er spürte scharfe Spieße in seinem schuppigen Körper, die sich hin und her schoben. Er begriff, dass er niemals seine Aufgabe beenden würde. Er wollte die Bestie nicht sehen, die ihn gleich im Ganzen verschlingen würde, doch er konnte seinen Blick nicht abwenden. Die spitzen Dinge an den Pranken der Bären, bohrten sich weiter durch ihn hindurch, und eine Fischträne rollte ihm über seine glitschigen Kiemen. Die Luft war für kurze Zeit vielleicht auszuhalten, doch langsam konnte er nicht mehr atmen, und wollte es einfach nur noch schnell hinter sich bringen. Der Bär, in dessen Fänge er geraten war, pustete ihn an, und der Lachs spürte seinen schleimigen Speichel an sich hinunter laufen. Dies alles spielte sich innerhalb von Sekunden ab. Schließlich verschlang der Braunbär den Lachs in einem Stück, und der Lachs verschwand etwas früher von dieser Welt als geplant. Ungerührt trieb der pulsierende Schwarm weiter voran und steuerte auf den See zu, um zu Laichen. Und in ein paar Jahren, sollte wieder ein Lachs unter hunderten von Lachsen, dieses Gewässer hinauf schwimmen. Er würde es schaffen.