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Fleckige Haut

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12.03.2015
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Fleckige Haut

„Im Fernsehen haben sie gesagt, dass sie an der Grenze auf Flüchtlinge schiessen wollen“, sagt Elke und schiebt sich einen Löffel Hüttenkäse in den Mund. Sie kaut langsam und schüttelt dabei den Kopf, sodass ihr weisses Haar um ihr Kinn hin und her schwingt. Dabei schaut Kurt mit grossen Augen an. Kurt hört, wie sie laut schluckt, während er den Blick auf den Teller gerichtet hält. Kurt isst einen Eintopf, den er nach Elkes Rezept gekocht hat. Sie beide essen schon seit einer Weile unterschiedliche Gerichte, er hat jetzt langsam den Dreh raus mit dem Kochen. Kurt hebt dann den Blick und sagt: „Hör doch mal auf, mit dem Kopf zu schütteln, das macht mich ganz verrückt.“
„Du kannst gar nicht wissen, dass ich mit dem Kopf schüttle, du hast ja auf deinen Teller geschaut, Kurt.“
Kurt schaut sie an und öffnet den Mund, um etwas zu sagen, überlegt es sich dann aber anders. Er seufzt nur und schaut Elke traurig an. Sie schüttelt immer noch ihren Kopf und hält den Löffel fest in ihrer Hand, ohne zu essen. Ihr Blick ist freundlich, er ist immer so in letzter Zeit, denkt Kurt. Verändert sich nie. Irgendwie scheint er erstarrt zu sein. Dann konzentriert Kurt sich wieder auf sein Essen.
„Haste gehört, die schiessen an der Grenze auf Flüchtlinge!“
„Ne, tun sie nicht“, antwortet Kurt.
„Doch, das lief gerade eben im Fernsehen.“
„Liebes, glaub doch nicht immer alles, was im Fernsehen läuft. Die reden da doch bloss über die Grenzschliessung, weisste. Das machen die Politiker immer. Reden, reden, reden. Mehr ist das nicht. Das weisst du doch.“
„Die Frau im Fernsehen hat aber was anderes gesagt. Die hat gesagt, dass die auf Flüchtlinge schiessen wollen. Um unser Land zu schützen, vor den Flüchtlingen. Deswegen schiessen sie.“
Jetzt schüttelt Kurt seinen Kopf, ganz kurz und ruckartig, als wolle er eine lästige Fliege abwimmeln, aber dann senkt er wieder den Kopf und isst weiter, ohne etwas zu erwidern. Der Eintopf schmeckt ihm gut. Er schmeckt genauso wie früher, als Elke ihn noch gemacht hat.
„Die schiessen an der Grenze auf Flüchtlinge! Wieso glaubst du mir denn nicht, Kurt? Die haben das im Fernsehen gesagt! Gerade eben war das! Die haben das gesagt!“, schreit Elke jetzt. Kurt fährt erschrocken hoch. Er sieht die roten Flecken in Elkes Gesicht, sie ist aufgeregt und zittert. Er nimmt ihre Hand und sieht, dass sich auch auf ihr Flecken befinden ist. Dann sagt er: „Tut mir Leid, Liebes. Du, du hast natürlich recht, die haben das im Fernsehen gesagt. Die schiessen an der Grenze auf Flüchtlinge, ich erinnere mich jetzt, dass sie das gesagt haben. Die haben das gesagt im Fernsehen.“
Elke nickt jetzt und dann lächelt sie und schaut wieder freundlich so wie vorher. Die beiden essen weiter und hören dabei dem Fernseher zu, der noch immer läuft.
„Das war gut, echt. Dein Rezept ist gut. Danke Elke“, sagt Kurt und schiebt den Teller etwas von sich weg.
„Ja, ja. Schön, dass es dir geschmeckt hat.“ Elke ist noch nicht fertig mit Essen. Kurt wartet geduldig, bis auch sie fertig ist.
„Du, Kurt? Erzähl mir von damals. Von der Mauer und von Paul. Und wie er es immer wieder versucht hat. Immer wieder und immer wieder.“ Elke lacht und Kurt sieht den Hüttenkäse, den sie in ihrem Mund hat.
„Wie kommste denn jetzt darauf?“
„Die haben gesagt, dass sie jetzt an der Grenze schiessen. Dass sie auf die Flüchtlinge schiessen an der Grenze. Da musst‘ ich an dich denken und an Paul.“
„Das ist nicht das Gleiche, Elke. Damals, das war die Mauer. Das kannst du einfach nicht vergleichen. Und der hiess nicht Paul, zum tausendsten Mal, Elke. Sein Name ist Robert.“
„Erzähl doch wie er es immer wieder versucht hat und es nie geschafft hat.“
„Na gut. Ich hatte die Nachtschicht damals. Du weisst ja, dass ich gut ohne Schlaf kann. Also haben sie immer mir die Nachtschicht aufgedonnert an der Mauer.“
„Ja, ich weiss, Kurt. Und du hattest deine schöne Uniform. Wir haben auch getanzt und du hast die Uniform angehabt. Weisst du noch?“
„Ja, das weiss ich noch, Elke. Natürlich weiss ich das noch. Aber lass mich doch weiter erzählen. Also, in irgendeiner Nacht schreit so ein Typ auf der anderen Seite der Grenze. So, als wär der verletzt. Und ich geh zu ihm hin, denn er hat laut geschrien und ich war der einzige an dieser Stelle. Und ja, ich war dumm und neugierig. Und das war dann eben Robert, der so geschrien hat. Er war nicht verletzt, wollte bloss, dass ich rüber komm.“
„Erzähl das mit dem Hund, Kurt“, sagt Elke und ihr fällt der Hüttenkäse vom Löffel auf den Tisch.
„Ja, Elke, ich komm da gleich drauf … Auf jeden Fall war das der Robert, er war Schuster oder so, ich kann mich nicht mehr erinnern. Aus Warschau glaube ich. Aber der konnte einigermassen ‘n anständiges deutsch, das muss man ihm zugutehalten.“
„Erzähl das mit dem Hund, Kurt!“
„Elke bitte, lass mich gefälligst die Geschichte erzählen, wenn du sie hören möchtest.“
„Tschuldige.“
„Also, der Robert, der wollte mich bestechen und er wollte, dass ich so tue, als würde ich nicht hinschauen. Kannste dir das vorstellen?“
„Nein“, sagt Elke und schüttelt erneut ihren Kopf.
„Ich hab die Frage nicht ernst gemeint, du musst da nicht antworten, Elke. Aber egal, der sagte immer wieder ’nur fünf Minuten“, „nur fünf Minuten’. Das würde ihm ausreichen. Sagte, er müsse den Absprung schaffen, nur den Absprung schaffen, dann hätte er’s geschafft. Er sagte, er wolle frei sein. Aber ich konnte das nicht machen. Auf keinen Fall, das sag ich dir. Wenn ich da erwischt worden wäre, dann ist es egal, ob ich dem fünf Minuten oder fünf Tage lang Zeit gebe. Stell dir das mal vor! Dann ist es aus mit mir. Die schmeissen dann mich vor die Hunde.“
„Jetzt erzähl doch endlich den Teil mit dem Hund!“
Kurt ignoriert sie und fährt fort: „Und er wollte, dass ich für ihn ein Loch in den Maschendrahtzaun schneide. Was für ein verrückter Kerl. Ich hab ihm gesagt, er solle zur Hölle gehen, aber er wollte einfach nicht hören.“
Kurt sieht, dass Elke angespannt ist. Sie hat den Löffel auf dem Tisch liegenlassen und sich nach vorne zu ihm hin gebeugt.
„Und dann ist der arme Teufel in der nächsten Nacht einfach losgerannt und er ist nicht mal bis zur Mauer gekommen. Nicht mal den ersten Zaun hat er gepackt. Einer der Wachhunde ist ihm zuvorgekommen und hat ihn erwischt. Hat ihm seine Beine zerfetzt. Ich weiss nicht, was dann aus ihm geworden ist, jemand hat ihn weggebracht, schätz‘ ich. Er war da glaube ich schon ohnmächtig. Und ja, das Ding is‘, dass der Hund dafür offiziell gewürdigt wurde, die haben dem ‘ne Medaille umgehängt und so. Weil er so schnell reagiert hat.“
Elke lacht und sagt: „Hunde sind so treue Tiere, die sind echt treu, auf die ist immer Verlass.“
Robert schaut zur Seite und sagt etwas leiser: „Manchmal denk‘ ich dran, was passiert wäre, wenn er’s gepackt hätte und über die Grenze hätte gehen können. Wenn er den Absprung geschafft hätte …“
„Ja, aber dann wäre ja der Hund nicht so ein guter Hund gewesen“, sagt Elke. Einige Sekunden vergehen, dann sagt sie: „Du Kurt, weisst du was? Die brauchen jetzt gar keine Hunde mehr. Die schiessen jetzt nämlich an der Grenze auf Flüchtlinge. Das haben die im Fernsehen gesagt, weisst du noch, Kurt?“
Kurt nickt nur, er ist müde vom Erzählen und er nimmt den Teller von Elke, der noch halb voll ist, und seinen eigenen und trägt sie in die Küche. Auf dem Weg zur Küche murmelt er: „Er wollte einfach nicht auf mich hören“, ohne sich bewusst zu sein, dass er dies laut ausspricht. Er setzt sich dann wieder an den Tisch und greift nach seiner Pfeife, um sie mit Tabak zu stopfen. So wie jeden Abend. Er schrickt hoch, als Elke in fragt: „Du, Kurt? Wieso hast du Paul eigentlich nicht durchgelassen?“
„Was? Na, weil der aus dem Osten ist und das mein Job war. Deshalb. Die im Osten sind genau so schlimm wie die Polacken, das kannst du mir glauben.“
„Aber Kurt … Das verstehe ich nicht. Der Paul, der wollte doch bloss fünf Minuten. Wieso hast du ihn denn dann nicht durchgelassen?“
„Sein Name ist Robert, verdammt noch mal!“ Kurt schlägt mit Faust auf den Tisch und sieht, wie Elke erschrickt und dann aufsteht und den Tisch verlässt. Wenigstens lächelt sie nicht mehr, denkt er jetzt, als er alleine an dem Tisch sitzt und seine Pfeife raucht. Und er stellt sich Elke vor und dass sie jetzt weint im Schlafzimmer. Er kann sie nicht weinen hören, aber er nimmt trotzdem die Fernbedienung und dreht die Lautstärke auf.

 
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Hej Graziano,

ein dunkles Kapitel hast du feinfühlig in eine Alltagssituation gebettet und mir somit nebenbei nähergebracht.

Ich musste allerdings erst einmal tief durchatmen, denn demenzkranke Protagonisten häufen sich und sind keine leichte Kost und Vorstellung.
Dennoch bin ich sehr angetan von deiner Geschichte. Du verwebst unterschiedliche Thematik miteinander, ohne dass verschieden dicke Knoten entstehen.

Du läßt Kurt viel Raum und trotzdem fühle ich mich nicht "informiert" und "belehrt", ich werde lediglich Zeuge einer Unterhaltung an einem ganz gewöhnlichen Abend eines älteren Ehepaares.

Wunderbar. Vielen Dank und freundlicher Gruß, Kanji

 
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Hallo Graziano,

seit unserer letzten Begegnung auf der Parkbank vor mehr als einem Jahr hat sich viel getan und ich bin immer noch kein Lektor, aber die Fehlerquote ist bei dieser manierlichen Geschichte geradezu abgestürzt, wenn es auch noch einiges - hauptsächlich der Zeichensetzung - zu korrigieren gibt.

Hier hastu sicherlich das Eintopf-Rezept der Elke im Kopf gehabt, das Relativpronomen bezieht sich aber nur auf den Teil, den Du zuvor niedergeschrieben hast, eben den Eintopf

Kurt isst einen Eintopf, d[en] er nach Elkes Rezept gekocht hat.
was eigentlich schon auf das Wesentliche hinweist zur Ursache der - wenn auch verkleinerten - Fehlerquote: Flüchtigkeit! Das wird dann gegen Ende der Geschichte untermauert, wenn Du vergisst, das Ende des Relativsatzes anzuzeigen
... und er nimmt den Teller von Elke, der noch halb voll ist[,] und seinen eigenen und trägt sie in die Küche.

Grundsätzlich ist mit der Rechtschreibreform die Infinitivgruppe vom Komma befreit, wobei es eine Vielzahl von Ausnahmen gibt – wie hier durch das „um“. Um diesen Ausnahmen aus dem Weg zu gehen, empfehl ich der einfachheithalber, immer ein Komma zu setzen - ist ja nicht verboten
Kurt schaut sie an und öffnet den Mund[,] um etwas zu sagen, überlegt es sich dann aber anders.
Tatsächlich zeigt sich weiter unten, dass Du es wahrscheinlich weißt, denn da gelingt das Komma vorm um (so ein bekloppter Satzbau "Komma vorm um" gelingt selten)

Auch wenn nach der wörtl. Rede der übergeordnete Satz weitergeht, ist ein Komma zu setzen, wie hier

„... Die haben das gesagt!“[,] schreit Elke jetzt.
Nunja, ich will mal nicht verraten, dass es ansonsten gelingt ...

Hier hastu mit zwo Formulierungen gerungen, von denen die unterlegene (wahrscheinlich die ohne Refelxivpronomen) noch die Spur des Hilfsverbes hinterlassen hat

Er nimmt ihre Hand und sieht, dass sich auch auf ihr Flecken befinden [...].

Hier leitet die vergleichende Konjunktion einen vollständigen Satz ein.
So[,] als wär der verletzt.
Und ja[,] ich war dumm und neugierig.

Innerhalb wörtl. Rede besser einfache Anführungszeichen verwenden, wobei das wörtl. Zitat in dem Fall auch ohne mittlere Zeichen auskommt
„Ich hab die Frage nicht ernst gemeint, du musst da nicht antworten, Elke. Aber egal, der sagte immer wieder [']„nur fünf Minuten, nur fünf Minuten[']. Das würde ihm ausreichen.
...“

Kanji hat schon einiges gesagt.

Was ich besonders interessant finde, ist die Umkehrung auf eine andere Zeit von Flüchtlingen (hierorts grassiert da in der Flüchtlingshilfe der Schwachsinn, indem das Wort Flüchtling als diskriminierend angesehen wird und stattdessen "geflüchter Mensch" gewählt werden soll. Da ist es nicht mehr weit, bis der genderquatsch zu Stilblüten wie "geflüchteter Mensch und geflüchtete Menschin" anhebt. Gutgemeint ist selten gut getan!, vor allem werden Flüchtlinge früherer Generationen dann diskriminiert.)

Gruß und gern gelesen vom

Friedel

 

Hallo Graziano,

hat mich sehr bewegt dein Text, denn er zeigt, dass sich nie etwas ändern wird.

Eine gute Lösung, mit Hilfe von Elkes Demenzerkrankung die aktuelle Situation mit der vergangenen zu verknüpfen.

Kann mich da Kanji anschließen, Zeuge eines Gespächs unter Eheleuten gewesen zu sein.

Gruß Tintenfass

 
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Lieber Graziano,

da eröffnest du gleich mehrere Baustellen in deinem Text: eine demenzkranke alte Frau, ein alter Mann, der den Tod eines Menschen mit zu verantworten hat und die aussichtlose Flucht eines Menschen. Ich versuche zu verstehen, warum es all dieser Zutaten bedurfte: Die alte Frau nervt den Mann in ihrer Demenz und der ständigen Wiederholung des Satzes, dass ‚sie’ jetzt auf Menschen schießen würden. Allmählich steuert das Gespräch auf das zu, was in der Vergangenheit geschehen ist: Da hat der Mann einem Flüchtling die Hilfe verweigert. Das belastet ihn und er versucht immer noch sich zu rechtfertigen:

Auf dem Weg zur Küche murmelt er: „Er wollte einfach nicht auf mich hören“, ohne sich bewusst zu sein, dass er dies laut ausspricht.

Eine gute Stelle in deinem Text. Und auch einige andere gefallen mir, u.a.:
Elke lacht und Kurt sieht den Hüttenkäse, den sie in ihrem Mund hat.
Fein beobachtet.

Aber jetzt zum Geschehen. Das Gespräch der beiden muss ich so hinnehmen, wie es ist. Das ist ein Gespräch zwischen zwei alten Menschen, die Frau ist dement und ihre Sätze kann man nicht mehr mit den Regeln der Logik bewerten. Sie kommen, wie sie kommen. Der Mann reagiert auf sie, beobachtet sie dabei, denkt über sie nach.

Und dann das frühere Geschehen: Ich habe versucht, dahinterzukommen, was da passiert ist:
Ein Mann aus Warschau versucht in den Westen zu flüchten:

Der Mann sagt:

"Was? Na, weil der ‘n Polacke ist und im Westen nix zu suchen hat. Deshalb.“

Für mich stellt sich hier die Frage: Wo befinden wir uns in der Vorgeschichte eigentlich? Im Westen, das ist doch dann wahrscheinlich die Bundesrepublik. In der Zeit des Sozialismus lagen zwischen Polen und der BRD die DDR oder weiter südlich die Tschechoslowakei. Also muss ich davon ausgehen, dass der Pole vorher schon durch eines der beiden Länder gekommen ist. Kann ich mir eigentlich schwer vorstellen.

Und dann die Flucht selber:
Zuerst habe ich gedacht, dass Kurt ein Grenzbeamter im Osten ist, aber dann schreibst du:

Also, in irgendeiner Nacht schreit so ein Typ auf der anderen Seite der Grenze. So als wär der verletzt. Und ich geh zu ihm hin, denn er hat laut geschrien und ich war der einzige an dieser Stelle.

Er befindet sich also im Westen, der Flüchtling auf der anderen Seite. Kurt (manchmal nennst du ihn auch Robert) geht zu ihm hin, hat damit irgendwie keine Probleme, denn zwischen ihnen müssen ja Zäune und die Mauer sein.
Du sagst später:

„Und dann ist der arme Teufel in der nächsten Nacht einfach losgerannt und er ist nicht mal bis zur Mauer gekommen. Nicht mal den ersten Zaun hat er gepackt.

Und später:

Robert ignoriert sie und fährt fort: „Und er wollte, dass ich für ihn ein Loch in den Maschendrahtzaun schneide.
Robert ???

Der Mann muss sich ihm vorgestellt haben:

„Ja, Elke, ich komm da gleich drauf … Auf jeden Fall war das der Robert, er war Schuster oder so,
und
„Also, der Robert, der wollte mich bestechen und er wollte, dass ich so tue, als würde ich nicht hinschauen. Kannste dir das vorstellen?“

und dann möchte er auch noch:

… der sagte immer wieder „nur fünf Minuten“, „nur fünf Minuten“. Das würde ihm ausreichen. Sagte, er müsse den Absprung schaffen, nur den Absprung schaffen, dann hätte er’s geschafft. Er sagte, er wolle frei sein.

Lieber Grazziano: Ich kann mir die Situation leider nicht vorstellen. Da befindet sich auf der Seite der ehemaligen DDR ein Pole, der einen westdeutschen Grenzbeamten ruft. Dieser kommt zu ihm, hat kein Problem mit den Zäunen und der Mauer. Der Pole bittet ihn, den Maschendraht zu zerschneiden, möchte ihn bestechen, damit er ihm fünf Minuten Zeit gibt.

Vielleicht verstehe ich die Situation nicht, habe etwas überlesen, aber vielleicht hast du die ganze Sache auch nicht wirklich gut konstruiert. So aber bleiben für mich viele Fragezeichen.

Auch die Sache mit dem Hund. Wir befinden uns im Westen, wenn ich dich richtig verstanden habe

Also, in irgendeiner Nacht schreit so ein Typ auf der anderen Seite der Grenze.
Und ja, das Ding is‘, dass der Hund dafür offiziell gewürdigt wurde, die haben dem ‘ne Medaille umgehängt und so. Weil er so schnell reagiert hat.“
Woher weiß der Kurt im Westen das?

Und dann eröffnest du noch eine Baustelle:
„Aber Kurt … Das verstehe ich nicht. Du bist doch auch ein Pole. Genauso wie Paul.“

Mal abgesehen von dem wirren Gerede der demenzkranken Frau scheint mir deine Geschichte nicht so ganz durchdacht. Aber vielleicht kannst du meine Fragezeichen auflösen.

Noch ein paar andere Sachen:

Dabei runzelt sie die Stirn und schaut Kurt mit grossen Augen an.
Ihr Blick ist freundlich, er ist immer so in letzter Zeit, denkt Kurt. Verändert sich nie. Irgendwie scheint er erstarrt zu sein.
Da scheint mir ein Widerspruch zu sein.

Kurt schaut sie an
„Ne, tun sie nicht“, antwortet Kurt.
Robert ignoriert sie
Robert schaut zur Seite und sagt etwas leiser
Nicht nur die demenzkranke Frau hat Probleme mit den Namen, der Autor der Geschichte auch.

Deinen Schluss halte ich für gelungen:

„Sein Name ist Robert, verdammt noch mal!“ Kurt schlägt mit Faust auf den Tisch und sieht, wie Elke erschrickt und dann aufsteht und den Tisch verlässt. Wenigstens lächelt sie nicht mehr, denkt er jetzt, als er alleine an dem Tisch sitzt und seine Pfeife raucht. Und er stellt sich Elke vor und dass sie jetzt weint im Schlafzimmer. Er kann sie nicht weinen hören, aber er nimmt trotzdem die Fernbedienung und dreht die Lautstärke auf.

Sprachlich gefällt mir dein Text sehr gut, aber insgesamt musst du, was die Logik deiner Geschichte betrifft, mMn noch einmal ran.

Liebe Grüße
barnhelm

 

Hallo Graziano,

Ich muss gestehen, dass ich schon mal mit einem Kommentar begonnen hatte, den aber gelöscht habe, weil ich wohl zu flüchtig gelesen hatte. Ich war schon dabei, die dementkranke Frau zu loben, weil sie mit ihrer dementen Hartnäckigkeit an der Parallele "Schießbefehl an der Grenze" festhält. Und dass es um eine alte Schuld geht, die ein DDR-Grenzer auf sich geladen hat. Aber irgendwie kapierte ich die Abläufe nicht so richtig.
Insofern möchte ich@barnhelm zustimmen. Du solltest den logischen Ablauf nochmals unter die Lupe nehmen. Du hast aber ein wichtiges, aktuelles Thema aufgegriffen, an dem du unbedingt dranbleiben solltest.

Freundliche Grüße
wieselmaus

 

Liebe Kanji

Dein Kommentar hat mich gefreut. Schön, dass dir die Geschichte gefallen hat!

Lieber Friedrichard

Schön, dass wir uns seit der Parkbank jetzt wieder begegnen. Deinem Adlerauge entgeht nichts, ich werde mich dankbar ans Korrigieren machen! In einem weiteren Jahr sollst du keine Fehler mehr finden können :D

Du sprichst ein interessantes Thema an:

hierorts grassiert da in der Flüchtlingshilfe der Schwachsinn, indem das Wort Flüchtling als diskriminierend angesehen wird und stattdessen "geflüchter Mensch" gewählt werden soll. Da ist es nicht mehr weit, bis der genderquatsch zu Stilblüten wie "geflüchteter Mensch und geflüchtete Menschin" anhebt.

Hier streifst du meiner Meinung nach die Frage, ob und inwiefern Sprache sich auf die "Wirklichkeit" ausübt ...
Hierzu ein spannender Artikel zu dem Thema, insbesondere zum Wort "Flüchtling":
http://www.zeit.de/2016/10/sprache-manipulation-elisabeth-wehling

Hallo Tintenfass

Danke für die Blumen!

Lieber barnhelm

Mann, da hast du mich erwischt ...

Aber vielleicht kannst du meine Fragezeichen auflösen.
Wahnsinnig gerne würde ich das, lieber barnhelm. Kann ich aber leider nicht. Das ist mir echt peinlich, deine Kritik ist mehr als berechtigt. Von der Logik her eine Katastrophe. Ich muss da noch mal ran.

Auch, dass ich die Namen verwechsle ... Ein Fauxpas.

Sprachlich gefällt mir dein Text sehr gut, aber insgesamt musst du, was die Logik deiner Geschichte betrifft, mMn noch einmal ran.
Freut mich, dass dir die Sprache des Texts gefällt. Und ja, ich muss da in Kürze noch lange an der Logik feilen. Bin da sehr dankbar, dass du mich auf diese Probleme aufmerksam machst! Echt toll, wie genau du dich mit Texten auseinandersetzst. Hut ab!

Hallo wieselmaus

Aber irgendwie kapierte ich die Abläufe nicht so richtig.
Insofern möchte ich@barnhelm zustimmen. Du solltest den logischen Ablauf nochmals unter die Lupe nehmen.

Geb dir recht, ich werde das nochmals durchdenken und ändern. Hoffe, dass ich das hinkriege :)


Vielen Dank euch allen für die hilfreichen Kommentare! Das hat mich sehr gefreut. Ich werd mich die Tage an die Umsetzung machen.

Gruss
Graziano

 
Zuletzt bearbeitet:

Kenn den Zeitartikel, dann müsste aber auch der Früh-ling wieder zum Frühjahr oder besser Lenz werden und der Erstling hierorts zur Erstveröffentlichung und Theo Lingen müsste wieder Theo Schmidt genannt werden und all die Orte von Lingen über Solingen usw. - ja, wie wären die dann nicht verniedlichend, gar diskriminierend zu benennen,

lieber Graziano?

Das mir der Namenstausch nicht aufgefallen ist ... Aber hat der Kurt nicht noch nen zwoten Vornamen (vom Patenonkel: Robert Lewandowski, oder so)?

Tschüss und ein schönes Wochenende vom

Friedel

 

Lieber Friedel

nd all die Orte von Lingen über Solingen usw. - ja, wie wären die dann nicht verniedlichend, gar diskriminierend zu benennen
Konsequenterweise muss ich dir da recht geben :D
Da es sich beim Flüchtling um ein sehr aufgeladenes politisches Schlagwort handelt, fand ich den Artikel diesbezüglich aber doch sehr interessant ...

Das mit dem zweiten Vornamen überleg ich mir noch ;)

Ich habe mal die gröbsten Fehler ausgemerzt und die Geschichte leicht abgeändert. Werde aber noch gründlicher rangehen, sobald mal ich mal etwas Zeit über hab ...

Danke nochmals euch allen für die anregende Kritik!

Gruss
Graziano

 

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