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Flattermann
Gott gib, dass es nicht stehen bleibt!
Griff ans Handgelenk, im 30-Sekunden-Takt, als könntest du es nicht glauben.
Schlägt noch! Na bitte. Was auch sonst, bist kerngesund. Vielleicht der Stress.
Vorgestern sprang es mich an, wie aus heiterem Himmel, Blick auf den Bildschirm, mit den Gedanken zwischen den Zeilen, Kaffeetasse am Mund.
Die Vorstellung deutlich wie eine Vision: es hört auf zu schlagen, ein kurzer Schockmoment, dann wird’s auch schon dunkel um dich!
Unfug! Du bist fünfunddreißig, hast nie was gehabt. Mach dich locker! Alles ordentlich programmiert in der Brust, läuft ganz von selbst.
Die Leute gucken. Hast ne Schweißschicht auf der Stirn. Reiß dich am Riemen!
Was gibt’s draußen? Weiter Blick, Reichstag, Regierungsviertel, Hauptbahnhof. Viel los, auch ne Art Herzschlag, einer der nie aufhört. Schau hin, freu dich dran!
Kein Wunder, dass du kirre wirst, bei der vielen Arbeit. Und immer geht’s ums Ganze. Jeder Schritt, jedes Wort ist wichtig; ganz leicht, was zu übersehen; darf nicht passieren. Pflichterfüllung! Anstrengend ist das! Kann schon sein, dass da mal was aus dem Takt gerät in der Brust, dass der Organismus sagt: Leck mich!
Scheiß Krawatte sitzt wieder so fest! Hoffentlich halten die Arterien. Irgendwo eine kleine Verkalkung und ….
Westkreuz: von hier biste in 15 Minuten am Wannsee. Schöne Vorstellung! Ne Runde durch die Havel schwimmen und dann ne Sause am Grunewaldturm, Bier und Wiener Schnitzel, tief durch schnaufen.
Warum nur dieser kalte Schweiß auf der Stirn? So was kündigt einen Herzinfarkt an….
Handfester Streit dahinten. „Halt die Fresse Alter!“ hat der mit der Baseballkappe gesagt. Nicht zum Aushalten! Können die das nicht unter Ausschluss der Öffentlichkeit klären. Der andere gibt klein bei. Gott sei Dank! Hab gleich wieder Schnappatmung. Konzentrieren: drei Liter Luft rein, zwei Sekunden halten, drei Liter raus. Und noch einmal. Rein, halten, raus ….
Wieso steht der Zug? Nur noch zehn Minuten. Wird knapp am Ende. Dabei hatte ich nen Puffer drin, weil ich doch weiß, wie stressig….
Wieder dieses klamme Gefühl im Kopf, als hätten sie den Schädel von innen mit nassen Lappen ausgelegt! Und der Arm tut weh. Sind bestimmt nur Verspannungen. Beim Infarkt sitzt der Schmerz hinterm Brustbein, und ist so stark, dass du denkst, sie haben dich in eine Schraubpresse gezwängt.
Rollen in den Bahnhof ein. Endlich! In Berlin hat es sogar die S-Bahn eilig. Türflügel schieben zur Seite, dabei steht der Zug noch gar nicht. Und du springst natürlich sofort raus, als müsstest du durch feindliches Feuer laufen. Die Rolltreppe renne ich nicht hoch. Nicht schlecht die Empfangshalle, Gründerzeit, ist mir noch nie aufgefallen.
Das läuft gegen die Wand! Die wissen selbst nicht, was sie wollen. Musst es ihnen sagen, aber smart bleiben, nicht so offensiv! War nen Fehler, mit Kritik zu starten. Der Marketingfritze ist weiß vor Wut, schweigt, bleckt sich die Giftzähne, lauert. Der Chef ist nett. Aber die haben nur ein kleines Budget, sehe ich sofort.
„Also eine neue Webseite wollen sie nicht? Kein Problem; nehmen wir raus.“
Schon mal Mist, aber das stecke ich weg, Gefühle fest im Griff. Der Marketingtyp grinst. Lass ihn! Harter Arbeiter, fahle Gesichtsfarbe, Atem stinkt nach Magensäuere, der Schweiß nach faulem Fleisch.
„Was brauchen Sie denn konkret von uns?“
„………………?“
„Hört sich so an, dass Sie alles selber machen wollen.“
„……………………!!“
„Damit stelle ich gar nichts infrage. Es ist nur, wir benötigen eine klare Aufgabenbeschreibung.“
Schauen sich an, die Assistentin auch schon verhärmt wie eine alte Jungfer. Aber sie nickt.
„………….?!“
„Die Vergütungsfrage? Wir schicken Ihnen ein überarbeitetes Angebot.“
„…………?
„Bis wann?“
Sag „Ende der Woche“!
„ Morgen Abend haben Sie es!“
Scheiße!
Ganz mies gelaufen! Brauch nen Kaffee. Da der freie Tisch dort, den schnappe ich mir.
„………….?“
„Doppelten Espresso, bitte! Und haben Sie einen Ascher?“
Die Arterien enger machen und gleichzeitig mehr Blut durchjagen. Das sind die Momente, wo es passiert: Megastress, Spannungsabfall, Giftstoffe, Pfropfen im Herz, aus!
Krieg den Kopf einfach nicht frei von der Herzinfarkt-Kacke.
Erst mal die Krawatte lockern, dann obersten Knopf auf. Fühlt sich gleich entspannter an.
So geht’s nicht weiter. Ab sofort strenge Anwendung des Lustprinzips! Wie sie es im Seminar gesagt haben: Tu die Dinge gerne und nicht weil du sie tun musst! Der Atem, ein frischer Wind über dem weichen Strand bei Havanna. Sich aufgehoben fühlen im Großen und Ganzen, das Bewusstsein öffnen für die Sphären des Kosmos…..
Hört sich zwar bescheuert an, aber ein bisschen hilft es.
Handy? Ignorieren! Kann ich nicht, Scheiße!
„Torben, was gibt’s?“
„Der Termin? War in Ordnung. Erzähl ich Dir nachher.“
„Wann? Weiß noch nicht, mal sehen.“
„Bitte?“
„Nein, damit hatte ich noch nie was am Hut.“
„Warum soll denn gerade ich das machen?“
„Jaja, schon gut. Kannst Du nicht wissen.“
Ich bleibe jetzt so lange hier, bis ich Lust bekomme, etwas zu tun.
Wusste gar nicht, dass die Friedrichstraße so interessant ist. Fast bis zum Checkpoint Charlie kannst de gucken. Versuchs mal ohne Zigarette! Los, steck sie weg!
Das Handy wieder, hättste besser den Vibrierton ausgestellt.
Ganz schön schwarz der Posteingang. Schlingt sich die Anakonda wieder um die Brust.
Trau dich mal was. Alle Mails löschen! Statistisch gesehen erinnern 78 % der Mail-Schreiber innerhalb von 24 Stunden an das, was sie 24 Stunden vorher geschrieben haben.
Knopfdruck, Postfach leer, geht doch.
Die Luft schmeckt nach Frühling. Und nach Metropole. Die Linden, die Friedrichstraße, die Leipziger, rechts runter die Türme vom Potsdamer Platz. Weiter oben das Kanzleramt. Dort fallen die Entscheidungen, übers Große und Ganze. Die Touristen wuseln wie Ameisen über den Gendarmenmarkt. Und die Doppeldecker schwanken wie betrunkene Elefanten. Schon schön. Musst halt nur hingucken. Tunnelblick mal weiten. Sonst wirste wirklich krank.
Fühlt sich besser an: der Kopf frei, die Nackenmuskulatur entspannt, kein Gerumpel im Magen. Eine Erkenntnis hat gegriffen: Lustprinzip, alles nur noch nach Lustprinzip!
Bin regelrecht tiefenentspannt. Wie nach zwei Wochen Madeira.
Mein Herz? Alles bestens, pocht bis in die Zahnhälse. Herzinfarkt? So ein Blödsinn!
Und da bricht aus der Tiefe des Raumes ein Geistesblitz erster Güte durch! Ich strick einfach das HKB-Konzept ein bisschen um und schmeiß es den Deppen zum Fraß vor. Dann ist Ruhe, und alle sind glücklich. So löst man Probleme, schnell, effektiv und kostengünstig! In der Ruhe liegt die Kraft. In meinem Gehirn strömt das Blut wie Supersprit in einen Formel-1-Motor! Hoffentlich hast du kein Aneurysma …….
Haha, guter Witz, fall ich nicht drauf rein. Aneurysma, das ist doch echt scheiße!
Fühlt sich aber seltsam an da oben, wie angeschwollen. Kommen bestimmt noch mehr Ideen angeflogen. Kannste die Arbeit nebenher erledigen.
Könnte was zu essen vertragen. Aber nicht hier. Lass mal zahlen und woanders hingehen.
Was für eine Luft, frische Berliner Luft! Ein Hoch aufs Leben. Nieder mit der Hypochondrie! Könnten mal wegfahren, richtig weit. Sofort ne SMS raus!
Schatz, lass uns im Juli drei Wochen nach Kanada fahren. Den kleinen Drops schnallen wir uns auf den Rücken und dann ab in die Wildnis! ILD
Au, was ist das! Bombenhammer im Schädel! Als hätte jemand ein Messer reingestochen. Bleibt einem glatt die Luft von weg. Setz dich mal hier! Die Trattoria ist eh gut.
Ok, Schmerz lässt nach, ist weg.
Und jetzt? Ach, hat nichts zu bedeuten. Bist einfach überdreht, sonst nichts.
„………………?“
„Die Minestrone bitte, und Ravioli als Hauptgericht!“
Worüber habe ich gerade nachgedacht, ach ja Kanada.
Mist, jetzt zieht es sich zu. Das heißt nein: keine Wolke am Himmel. Seltsam, ist doch dunkler als eben. Egal, da kommt die Minestrone. Richtig schwindlig ist mir vor Hunger. Cooles Gefühl, ein wenig wie schwerelos.
„Danke! Vielleicht noch etwas Brot?“
„Ob es mir gutgeht? Weiß im Gesicht? Aha.“
Weiß im Gesicht? Wieso denn das?
Aber richtig, ich habe schon den ganzen Tag gedacht, dass….
Was war das gleich noch mal?
Irgendetwas Ungutes. Aber erinnere mich nicht. Sicher besser so.
Komischer Geschmack. Ist das Blut? In der Minestrone ist nichts.
Das kommt von meinem Gaumen …. eindeutig, mir wird …… total benebelt……
„Kommt bitte mal jemand.“
Bringst keinen Ton…..
Wieso liege ich unter …. Ooooooochh ………….