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Flügel von nebenan

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09.01.2002
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Flügel von nebenan

Flügel von nebenan


Wunderschöne Klänge, eine leichte Melodie. Es scheint so einfach. Das Fenster steht offen, sie sitzt auf dem Fensterbrett und lauscht der Musik von nebenan. Ihr Kopf lehnt am Fensterrahmen. Sie hat die Beine an sich gezogen und sie mit den Armen umschlungen. Kaum merklich wiegt sie ihren Körper im Takt. Meist hat sie die Augen geschlossen. Nur manchmal schaut sie zu dem blühenden Kirschbaum, der aus dem Garten zu ihrem Fenster emporragt. Unter ihm spielen die Kinder der Vermieterin, die abundzu den Kopf aus dem Haus reckt und schulterzuckend zu ihr heraufschaut.
Sie stört das nicht. Sie lauscht ihrem Klavierspieler, wünscht, er würde nur für sie spielen. Er schlägt die Tasten mir viel Gefühl an, läßt die Töne im Raum verklingen. Ob die erste Maisonne ihn ebenso wärmt? Sie stellt sich vor, wie sich die Sonnenstrahlen auf seinem schwarzen Flügel ausbreiten und das feine Instrument zu Strahlen bringen. Heute scheint nicht einer der Tage zu sein, an denen er anfängt zu singen. Heute spielt er nur. Er spielt nicht laut und nicht schnell. Eigentlich klingen seine Lieder nur selten fröhlich, erregt, freudig. Sie sind tiefsinnig, nachdenklich oder traurig. Ton für Ton trägt die frische Luft die Melancholie zu ihr herüber.
Sie öffnet die Augen. Ihre Augen wenden sich ab von er Welt. Sie läßt den Blick durch das Zimmer wandern. Da steht ihr eigenes Klavier; verstaubt, verschlossen und gehaßt. Neben der Tür steht ein Kleiderschrank. Ihr Bett ist nicht gemacht, als hätte sie es gerade verlassen. Auf dem Tisch stehen frische Blumen, über dem Stuhl hängt ihr Morgenmantel. An den Wänden hängen zahlreiche Bilder. Ihre Augen betrachten eine Photographie eines kleinen Mädchens in einem hellblauen Kleid mit einem großen Pokal in der Hand. Es strahlt sie an, man glaubt, eine Freudenträne auf seiner Wange glitzern zu sehen.
Sie weiß, daß das Mädchen lebenslustig war, nie traurig oder auch nur betrübt.
Sie schließt wieder die Augen. Singt er nun doch? Sie versucht es zu hören, lehnt sich weiter zurück. Ihre Arme halten ihre Beine umschlungen. Sie spürt den Wind durch ihr Haar gleiten. Sie fällt und hört ihn plötzlich singen, so klar und deutlich, hört seine beruhigende Stimme: „I’ll carry on...“


Ende


by Susan Dorschner

 

:heul: Warum lese ich immer nur soooo traurige Geschichten? (Weil ich immer selbst traurige schreibe???)

Mir gefällt Dein Text, er ist sehr schön geschrieben, der Baum, das Licht - die fröhliche Atmosphäre - nur die Protagonistin ist traurig.

Wirklich schade, dass Dein Text so lange keine Beachtung fand!

Liebe Grüsse,
Marana

 

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