Fisch und Ouzo
Jetzt weiß ich‘s. Tunfisch! Es war eine Dose Tunfisch. Jetzt dient sie als Aschenbecher. Ich habe es an dem scheußlichen Geruch erkannt. Jedes Mal wenn ich die Zigarette ausdrücke, zieht mir der Gestank in die Nase. Ich frage mich, ob es mich glücklicher machen würde, den Aschenbecher zu suchen und die Konserve zu entsorgen. Aber eigentlich stört sie mich nicht. Es gibt der kleinen Wohnung etwas von dem Flair eines Hafens am Mittelmeer. Irgendwo in Griechenland. Ein kleiner Hafen an dem nur Fischerboote anlegen.
In diesem Hafen gibt es weit mehr Boote als Fischer. Denn wenn eines fahruntüchtig wird, dann verschrottet es keiner. Doch sie sinken einfach nicht. Teile davon ja. Aber das Holzgerüst wird immer oben schwimmen.
Ich saß an dem besagten Hafen. Lange Zeit. Ich genoss den Ouzo. Ob nun Tage oder Wochen spielt eigentlich gar keine Rolle. Einfach nur den Gedanken zu Ende bringen. Doch er war nicht greifbar. Mein Kopf glühte doch fand ich nicht die Schranken, welche zu lösen die Flut herbeigebracht hätten.
„Am Mittelmeer gibt es keine Gezeiten“. Das hatte mir einer der alten Griechen verraten. Ich spreche zwar kein Griechisch, wusste aber mit Sicherheit, dass er mir das sagte. Er lächelte und ich machte sein Glas wieder voll. „Yamaz!“
Hätte ich nur damals Griechisch gekonnt, dann hätte ich ihm beigebracht, dass er sich täuscht. Auch wenn es nur ein wenig ist, so bemerkt man doch recht schnell die Gezeitenunterschiede. Aber weshalb seine Illusion zerstören? Sein zahnloses Lächeln sieht so glücklich aus. In der wirren Welt die er sich schuf. Und bald wird er dahinziehen. Nach oben – oder nach unten. Oder woran auch immer er glaubt. Ich wusste ja noch nicht einmal was für eine Religion dort vorherrscht. Zumindest scheint er keine Angst zu haben.
Ich war dann eine geraume Zeit später – ob nun Tage oder Wochen weiß ich nicht mehr zu genau – bei seiner Beerdigung. Noch immer das gleiche Lächeln. Nur waren seine Augen geschlossen. Was aber auch keine große Rolle spielte. Denn tief waren die Augen sicherlich noch nie - er mit seinem kleinen Mikrokosmos. Am Ende war ohnehin nur noch milchiger Belag zu sehen. Ob nun von der Meeresluft oder vom Ouzo.
Aber er war sicherlich glücklich. Doch ob das etwa das Ziel sein soll? Glücklich zu sein? Sich keine Gedanken machen und zu leben? Dumm und ohne jedes Quäntchen Weltwissen zu sterben? Wenn er das so wollte… Vielleicht genoss er auch einfach nicht das gleiche Privileg wie unser einer – Grenzen zu sprengen.
Viel mehr als das Gerippe seines Bootes ist nicht geblieben von ihm. Ob er jemals einen Tunfisch gefangen hatte? – Ich bezweifle es. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es dort überhaupt welche gibt. In der Küstennähe mein ich. Die Nähe, welche sein Boot noch schaffte.
Ich drücke die Zigarette aus und genieße den Geruch.
Morgen werde ich mir einen neuen Aschenbecher suchen.