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Fisch is Mus
Als im großen idiotischen Ozean ein kleiner Wahlfisch des Wählens überdrüssig wird, wählt er, vielleicht aus Verblendung, vielleicht aus Verbitterung, die Verzierung durch eine Schiffsschraube.
Das Ergebnis ist einschneidend. Die Wahlfischhaut ist gezeichnet. Blut überall. Der Wahlfisch bereut und schämt sich, dass er in dieses Gebiet gekommen ist.
Da schwimmt ein Heilfisch heran, schreit bei gestreckter Finne "Heil Fisch!" und bietet an, die Wunde nach bewährter idiogermarischer Art zu behandeln. Unsicher brummt der Wahlfisch Ja. Für den Heilfisch nicht entschieden genug. »Willst du die totale Heilung?!«, blubbert er eindringlich. Der Wahlfisch schreit entnervt »Ja!«.
Der Heilfisch hackt und beißt und nagt an und um die Wunde herum. Der Wahlfisch wimmert und ihm ist bang, dass die Wunde nicht so groß gewesen sein kann.
»Wohl denn«, blubbert der Heilfisch, als er damit fertig ist. Betrachtet sein Kunstwerk und raunt mit medizinischem Blick: »Ein hochumgratetes Quadrat, mitsamt Grat in Quadranten gevierteilt, und jedes Teil seinerseits um den rechten Winkel nach links rotiert, das ergibt: die Bedingung für die unbedingte Gesundung des idiot'schen Wahlkörpers.«
»So so«, ruft der Wahlfisch, obwohl er nichts versteht. »Danke dir. Was bin ich dir schuldig?« Und scheltet sich gleich dieser dummen Frage. Werden gleich Heilfisches Freunde durch das Blut angelockt kommen und seine Schuldigkeit und sein Leben verzehren.
»Schuldig? Schuldig, hm, hm. Aber, wobei, du kannst gern deiner Verpflichtung nachkommen, den Dung der Freiheit und der Wahrheit in unserem idiotischen Ozean unter allen arttreuen Über- und Untertieren zu verbreiten.«
»Den Dung der Freiheit und der Wahrheit?«, ruft der Wahl ungläubig, denn davon hat er bisher nichts vernommen.
»Es ist erwiesen, das kann jeder aus den Wellenmustern der Sandbänke lesen, und das ist auch in einem großen Flaschenpostarchiv ›Mein Sumpf‹ niedergeschrieben, dass wir den sogenannten Seejunkfrouwars unsere Zukunft verdanken. Dass die bösen Algen den Ozean umkippen lassen. Die haben sich auch um die Schiffsschraube gerankt und sie in einem brutalen Akt in deine Haut getrieben. Das Meer steht am Abgrund der Sonne! Doch in letzter Sekunde das Umkippen zu verhindern, kippen die Seejunkthrowars ihren bunt schillernden und so vielgestaltigen wie lebenspendenden Dung in das Wasser. Und sie kochen den Ozean auf, um den gemeinen Korallen den Garaus zu machen. Bleichen sie aus zu Kreide. Wringen diese Intriganten aus unseren Wassern. Die Seejunkplowars pflügen hilfreich, um diese gefährlichen Verschwörer auszumerzen, riesige Netze über den Boden der Welt, die sind wie Siebe, ja, wie ein einziges großes, herrliches Sieb, das macht unser schönes idiot'sches Meer sauber und groß und gesund, und nährt, ja renutriert –«
Der Heilfisch will noch weiteres sagen. Bleibt leider in einem dieser renutrierenden Netz hängen und verheddert sich in den Maschen. Er zappelt, ist irritiert und windet sich, bald ärgerlich, bald aber verstört, und fleht bedrängenden Blickes den gutmütigen Wahlfisch an, ihn zu befreien. »Komm, sei ein Held in meiner Not, hilf mir, wie ich dir geholfen hab!«
Der Wahlfisch aber hat überlegt und spricht: »Heilfischfleisch ist meine Nahrung nicht. Aber diese großen Netze, sie sind gut. Das Sieb, das tut sein Werk: Es siebt offenbar genau die richtigen aus. Es ist der Bote des Jenseits der weltschützenden Oberwasserhaut. – Das Sieb führt puren Atem in die Tiefe. Ich beglückwünsche dich, dass es dich, mein großer, weiser, barmherziger Heilfisch, feierlich in sich aufgenommen hat. Nun endlich wirst auch du dein Heil finden. Sieb Heilfisch leer!« Er streckt kurz die Fluke nach vorn und macht sich rufend gemächlich auf den Weg in die Ferne.