Hallo, MissDreamwalker
Und ein herzliches Willkommen bei den Wortkriegern!
Ich sehe, Du hast einige Schnitzer heute Morgen schon ausradiert. Ich rutsche auch nochmal vorbei, denn das ist unglaublich interessant. Die mangelnde Groß- und Kleinschreibung ist mir in dieser Form schon einmal begegnet und war der Grund dafür, warum ich nur noch Mathe- und Fremdsprachennachhilfe gebe.
Mein Deutschnachhilfeschüler hat damals auch gerne Wörter einfach so groß oder klein geschrieben. Als ich ihm allerdings die Regeln dazu erklärt habe, wurde sofort klar, dass er diese kennt, dass diese Fehler lediglich einer Sache geschuldet waren: Flüchtigkeit.
Beispiele:
An diesem Abend saß Sie an ihrem offenen Fenster.
Kühler Wind wehte ihr entgegen, während Sie in die Weiten des Universums blickte auf der Suche nach Glück und Frieden.
Doch dann senkte sie ihren Blick und schaute auf ihre Hände, in denen seit Stunden ein kleiner Stein lag, auf dem tand:
Du beginnst damit, „Sie“ großzuschreiben. Das ist eine interessante Entscheidung. Ein großes „Sie“ ist ja ein Zeichen von Höflichkeit, zeigt siezen an. Also: „Könnten Sie mir bitte die Marmelade reichen?“ Das ist hier definitiv nicht der Fall, dazu passt das Verb nicht; Du meinst eindeutig die dritte Person Singular. Es gibt noch einen Fall, in dem ich es i.O. fände, das „Sie“ großzuschreiben: Wenn ich von einem göttlichen Wesen spreche. Wenn es um Gott geht, lese ich häufig von „Ihm“ und finde das logisch – denn was könnte es Wichtigeres geben, und ist es nicht eindrucksvoll, Seine Pronomen praktisch hinauszuschrei(b)en? Nun finde ich es eine interessante Überlegung, Deine Prota sei ein gottgleiches Wesen. Doch selbst wenn Du diese Entscheidung intentional getroffen hast, bleibt die große Frage, wieso nach dem ersten Absatz „sie“ klein geschrieben wird und wieso "ihr/e/s" konsequent klein bleiben.
Konsequenz ist übrigens auch ein gutes Stichwort. Konsequenz und Konsistenz. Wenn Du eine gestaltlerische Entscheidung triffst, ziehe sie konsequent und konsistent bis zum Ende durch. Das erfordert aber, dass man sich Gedanken macht und immer aufmerksam ist. Und sich Zeit nimmt. Du wirst sehen, dass Geduld das wesentliche Thema dieses Beitrages ist.
Meine Empfehlung: Pronomen werden, abgesehen von Höflichkeitsanreden wie „Sie“ oder seltener „Ihr“ („Mögt Ihr mir das nochmal erklären, werter Herr?“), klein geschrieben. Mit Göttlichkeit könntest Du Dich (das Pronomen „Du“ wird in Briefen ebenfalls groß geschrieben, aber nicht in Geschichten) zu einem anderen Zeitpunkt beschäftigen.
Weiteres:
Wie als hätte man sie endlich erhört fing die Luft um das junge Mädchen an auf einmal an zu leichten.
Das hatte Perdita schon erwähnt: Die Luft
leichtet natürlich nicht. Richtig (auch von der Zeichensetzung her) heißt es: „
Als hätte man sie endlich erhört, fing die Luft um das junge Mädchen auf einmal zu leuchten an.“ Das „wie“ kannst Du Dir sparen, denn „wie als“ tauchen lediglich im umgangssprachlichen Bereich direkt nacheinander auf. Genauso genügt ein „an“ völlig.
Ich habe eben von Flüchtigkeit gesprochen, und ich möchte das kurz vertiefen. Wie geht man mit Flüchtigkeit um? Liebe Ms Dreamwalker, Deine Geschichte ist Dein Baby. Und in Dein Baby steckst Du alle Liebe und Hingabe, die Du geben kannst, bevor Du Deine Tür öffnest und es in die Welt entlässt. Denn die Welt da draußen geht außerordentlich unsanft mit Kindern um, die schlecht vorbereitet sind. Und wenn Du Dein Baby liebst, möchtest Du es doch sicher mit allem Nötigen ausstatten, nicht wahr? Dein Bestes an das Kind weitergeben.
Deshalb meine Empfehlung drei Wörtern: Geduld und Hingabe. Nach der Geburt, also nach dem Aufschreiben der Geschichte, lass Dein Baby schlafen. Wieviel Schlaf es braucht, hängt von Baby und Mutter ab, dazu kann ich Dir nichts sagen. Je länger meine Geschichte ist, desto länger lasse ich sie ruhen. Und je persönlicher ich involviert bin, umso länger muss ich wegschauen. Bei Kurzgeschichten variieren bei mir die Ruhephasen zwischen zwei Stunden und einer Woche. Nachdem ihr euch beide erholt habt, wasche und pflege Dein Baby. Schau es Dir genau an und korrigiere die Fehler. Ruht euch danach wieder aus. Diesen Vorgang kannst Du so oft wiederholen, bis Du glaubst, Dein Baby sei bereit.
Es ist gewachsen, und Du kannst jetzt mit ihm sprechen. Lese die Geschichte laut. Dann fallen Dir grammatikalische Fehler, Kasus-Fehler und verpatzte Redewendungen leichter auf. Ich behaupte, dass Dir auch eine Verwechslung von „leuchten“ und „leichten“ beim Lautlesen sofort aufgefallen wäre.
Nachdem Du nun alles für Dein Baby getan, es mit bestem Wissen versorgt hast, kannst Du es zu einem ersten Testlauf in die Welt da draußen setzen. Erstmal zu einer vertrauten Person, die dem Baby etwas beibringt, was Du nicht konntest. Schicke das Baby zu einer/einem Korrekturleser/in, am besten eine Person, die viel über RGZ weiß.
Danach ist Dein Baby bereit, das Elternhaus zu verlassen und sich Fremden gegenüber zu behaupten. Es lohnt sich nicht, das Baby direkt nach der Geburt vor die Tür zu setzen. Denn dann werden wir nie dazu kommen, über Inhalt und Stil zu diskutieren. Lass Dir Zeit (Du hast vier Wochen, das ist eine Menge Zeit), hab Geduld.
Zum Nachtisch noch ein paar Pflegehinweise:
Eins von Ihnen flog direkt auf sie zu und setzte sich auf den Stein in ihrer Hand, wie als wäre es extra nur gekommen um etwas mitzuteilen.
Hier benutzt Du auch „wie als“. „als“ genügend völlig, das „wie“ kann weg. Und Komma vor "um".
Was blieb war, ihr Kleid, welches zu Boden sank. Sie hatte es geschafft endlich loszulassen.
Kein Komma vor „ihr“, dafür ein Komma vor „endlich“.
Endlich war ihre Seele frei und konnte wie die Glühwürmchen von innen heraus leuchten, um die Welt zu etwas Besseren zu machen anstand vom Hass der Welt von innen heraus zerfressen zu werden.
„zu etwas Besserem“.
Vielleicht ist es die Wahrheit, dass wir verloren gehen, um gefunden zu werden, …was meinst du!
Ich meine: „Vielleicht ist es die Wahrheit, dass wir verloren gehen, um gefunden zu werden, was meinst du!“, dass das kein korrekter Satz ist und dass Dir das beim Lautlesen z.B. auch aufgefallen wäre. Besser: „Vielleicht ist es die Wahrheit, dass wir verloren gehen, um gefunden zu werden … Was meinst du?“
Und nun bleibt mir nur noch eins zu sagen: Make it work!
Geduldige Grüße,
Maria