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Figaros Hochzeit oder warum ich nicht mehr kommen darf
Als ich noch als Autoverkäufer tätig war, hatte ich einen äußerst netten Kollegen, mit dem es richtig Spaß machte zusammenzuarbeiten. Nachdem der Laden aufgelöst worden war, trennten sich unsere Wege, beruflich aber nicht privat. Eines Tages flatterte mir seine Einladung zur standesamtlichen Hochzeit ins Haus und ich nahm sie gerne an.
Zu diesem Zeitpunkt wohnte er mit seiner damaligen Freundin in Münster, wo auch gefeiert werden sollte. Ich wohne nun mal fünfzig Kilometer von Münster entfernt, irgendwie mehr auf dem Land und hier werden solche Sachen halt anders angegangen, als in diesen Ballungszentren, in denen diese verweichlichten Stadtmenschen wohnen. Daher kam ich leider mit einer falschen Einstellung nach Münster.
Ein Bekannter setzte mich am Standesamt ab. Ich sah sofort ein paar Bekannte und gesellte mich dazu. Wir hielten ein kleines Pläuschen und überlegten wie der Tag wohl ablaufen könnte, da kam auch schon das Brautpaar mit einem großen Mercedes vorgefahren. Sie stiegen aus und wir folgten ihnen.
Nachdem sich alle im Büro des Standesbeamten eingefunden hatten, wurde nach Bekanntheitsgrad oder Familienzugehörigkeit in der richtigen Reihenfolge Platz genommen. Als der Standesbeamte die beiden aufforderte ihre Personal*ausweise vorzulegen, passierte der erste Fauxpas des Tages: Die junge Braut hatte ihren vorsichtshalber zu Hause liegen lassen, hinterher klaut den noch einer von der eingeladenen Bagage. Ein anwesender guter Freund wurde losgeschickt das Ding zu holen, sofort und zwar jetzt.
Der Standesbeamte lenkte inzwischen das Gespräch auf wichtige Dinge: „Sie sind im KFZ-Verkauf tätig? Interessant. Wie sieht’s denn mit Rabatt aus? Wie läuft das neue Modell denn so?“ Die Unterhaltung verlief ganz nach meinem Geschmack, wenn der nichts mehr zu tun hat, überlegte ich mir, können wir den doch gleich mitnehmen, könnte lustig werden. Doch plötzlich zeigte er sein wahres Beamtengesicht: „ Also ich gebe ihnen noch zwanzig Minuten, wenn ihr Bekannter dann nicht mit dem Dokument hier ist, müssen sie sich einen neuen Termin besorgen. Was? Heute nachmittag? Sie scherzen, wenn sie Glück haben können sie in vierzehn Tagen noch mal einen be*kommen.“ Diese Äußerung fand die Zustimmung von Braut und Bräutigam, denn diese wunderbare Chance zu erhalten, sich die Sache noch mal überlegen zu können, damit hatten sie wirklich nicht mehr gerechnet. Doch plötzlich trat der Bekannte mit dem gewünschten Objekt der Begierde ein und die Zeremonie konnte ohne weitere Interna aus dem Gebrauchtwagensektor zu Ende gebracht werden.
Nachdem alle die Behörde verlassen hatten, verteilten wir uns auf die verschiedenen Fahrzeuge, um zum Restaurant zu kommen, in dem gefeiert werden sollte. Meine Zuteilung seitens des Brautpaares fiel auf die liebreizende und entzückende Schwester der Braut, die mich mit*nehmen sollte. Da wir uns in Münster gut auskannten, hatten wir keine Bedenken in der, zeitlich doch knappen, Vorgabe für eine Rallye, das Ziel zu erreichen.
Munter machten wir uns auf den Weg. Münster ist einfach begeisternd, besonders wenn man die dritte Runde um den Dorfteich macht. Mein „Guck mal, hier waren wir heute schon“, sorgte beim ersten Mal noch für ein Lachen, bei zweiten Mal für ein Lächeln und bei dritten Mal für gar keine Reaktion. Wir fuhren so dahin und ich überlegte, ob ich schon mal so eine schöne Fahrt, mit so einer schönen Dame, in so einen schönen Sonnenuntergang gemacht hatte? Nein, ich war mir sicher, jedenfalls keinen, der um elf Uhr vormittags begonnen hatte.
Irgendwann kamen auch wir ans Ziel. Die Speisen waren schon serviert worden und wir gesellten uns hinzu. Wir aßen vorzüglich und unterhielten uns sehr gut. Bis zu dem Zeitpunkt, den ich oben schon angesprochen hatte: Ich komm vons Land und die nich! Bei uns läuft eine Trauung, egal wie und wer mit wem, ein bißchen anders ab. Wir haben halt noch Zeit, den Augenblick zu genießen und konzentrieren uns voll auf die Sache, egal wie, aber voll. Die waren gerade mit dem Essen fertig und da war auch schon Schulz, wo bleiben da die guten Sitten? Fünfzig Kilometer weiter auf dem Acker geht es dann erst richtig los, da wird dann erst einmal nachgeschaut welche Unterwäsche die Kellnerin trägt. Die räumen da einfach ab! Bei uns bleibt das Tafelbesteck liegen, weiß ja schließlich keiner, ob es hinterher nicht noch Auseinandersetzungen kommt. Im ländlichen Bereich sollte der Wirt aufpassen, daß er keinen vor den Ballon kriegt, wenn er nicht schnell genug die Wacholderflaschen auf dem Tisch hat, jawoll. Hier wurde noch ein Täschen Kaffe avisiert.
Genau zu diesem Zeitpunkt wurde mir klar, daß ich falsch geplant hatte. Die Informationen, die ich vorher an meinen Abschleppdienst weitergegeben hatte: mich gegen Mitternacht mal anzurufen, ob ich denn schon abgeholt werden wollte, hatte sich hiermit ziemlich schnell erledigt. Mein Freund merkte mir meine bedrückte Stimmung an und bot mir an, eine gewisse Zeitspanne bei ihm zu Hause zu verbringen, um den nächst*möglichen Abholtermin abzuwarten. Er war der Ansicht, daß ich nicht unbedingt die Zeit in der Taverne verbringen solle. Ich war der Ansicht, das es netter von mir war bei ihm zu warten, als wenn ich noch acht Stunden in der Kneipe geblieben wäre und er die Abrechnung am nächsten Tag bekommen hätte. Aber lassen wir das, jedenfalls fiel die Braut vor Glück fast in Ohnmacht, als sie mitbekam, daß sie die nächsten Stunden noch in meiner Gesellschaft verbringen durfte. Konnte ich verstehen, welches weibliche Wesen hätte anders reagiert?
Bei ihm eingetroffen, machten wir es uns bequem und schauten erst einmal, welches Programm im Kühlschrank lief, war ausschließlich Bierwerbung. Ich hatte ihm glücklicherweise eine Flasche Scotch geschenkt, die aus Gründen der Reklamationszeit, sie betrug nur vierundzwanzig Stunden, sofort getrunken werden mußte. Wir rissen uns zusammen und schaften es auch. Der Stoff war, Gott sei dank, in Ordnung und ich brauchte die Flasche nicht zu reklamieren. Wir legten lustige Platten auf, tranken lustige Getränke, bekamen lustigen Besuch und freuten uns des Lebens. Was irgendwie gar nicht zu der Szenerie paßte, war die junge Frau im weißen Kleid, die dauernd durchs Zim*mer lief. Anfangs hatte ich ja Verständnis dafür, ab nach so circa einer Stunde, ich war, glaube ich, mauerfugenbreit, wunderte ich mich schon, warum die Kellnerin so einen langen weißen Rock anhatte (Wenn die das liest, kann ich in Rente!) Dann kam auch noch netter Besuch von einem vom Amt, der wollte nicht mit uns einen heben, haben wir dann für ihn gemacht. Ich knallte dann irgendwann noch mit meiner Schnauze vor die Wand oder die Bodenvertäfelung, weiß ich nicht mehr so genau, aber es war voll lustig. Inzwischen war ich auch mit den Sitten und Gebräuchen hier in der Stadt besser vertraut geworden, bei uns trinken alle zusammen in der Kneipe, bei denen trinken alle einzeln und zu Hause. Naja, wie is egal, breit ist breit. Später am Abend kam dann schließlich mein Bruder, um mich abzuholen, wann weiß ich auch nicht mehr.
Seit dieser Zeit, die beide sind schon lange glücklich verheiratet, hat die bessere Hälfte von denen, leider ein leichtes Nervenleiden, das sich keiner erklären kann. Solange sich die Unterhaltung mit mir auf die rein akustische Art beschränkt, ist alles wundervoll. Aber komischerweise, wenn der persönliche Kontakt, mit der Möglichkeit einer Sachbeschädigung durch mich, in greifbare Nähe rückt, bekommt sie immer so ein komisches Zucken mit dem linken Auge und beginnt stark zu rauchen. Sollte sich doch mal einer drum kümmern.