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- 04.11.2002
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Fide Nemini
Kritisch beäugte Christoph die Zeitung. Sein Augenmerk richtete sich auf einen Artikel über einen jungen Mann, der nach dem Tod eines Onkels sehr viel Geld geerbt hatte. Um welche Summe es sich handelte stand nich in dem Artikel. Und das hatte seinen Grund, denn der junge Mann war er selbst und seit er vor 2 Tagen eine hohe Summe geerbt hatte, wollten ständig irgendwelche Journalisten von Zeitungen aus der Nähe, aber auch ein oder zwei Klatschblättern, mit ihm reden und vor allem wissen um Welchen Betrag es sich handelte. Aer Christoph wollte es ihnen nicht verraten. Denn es war ein Betrag in Millionenhöhe und das war in dieser kleinen Stadt ein echtes Ereignis. Er wollte nicht, dass alle möglichen Leute zu ihm kommen und um Geld bettelten. Außerdem würden die Leute ihm ständig mit Vorurteilen begegnen, wenn sie es wüssten. Christoph wollte jedoch weiter arbeiten und sein Leben ganz normal fortführen. Auch wenn er eigentlich nun nicht mehr zu arbeiten brauchte. Ihm machte sein Job als Spieleentwickler einer Software-Firma sehr viel Spaß. Er legte die Zeitung beiseite und stand auf. Gelassen verließ er seinen Arbeitsplatz, der aus einem Computer, einem Zeichenbrett und einer Kaffemaschine – die er sich mit drei weiteren Entwicklern teilte – bestand. Es war ein kleiner Raum mit 4 aneinander gereihten Tischen, auf denen je ein PC stand. Neben der Tür stand die Kaffeemaschine und an einer Wand hing ein Bild von der Figur, die aus dem bekanntesten Computerspiel des kleinen Unternehmens stammte. Christoph ging den Gang entlang und an 4 weiteren Zimmern vorbei, in denen ein Büro, ein Besprechungsraum so wie 2 weitere Räume in denen Entwickler wie er arbeiteten untergebracht waren. Damit war „Art & Entertainment Games“ zuende. Er verließ das Gebäude, ging auf die Straße und zog tief die frische Luft ein. Es war ein kühler Herbsttag und er stellte den Kragen seines Parkers auf und marschierte los in Richtung des Caffés, in dem er jede Mittagspause verbrachte. Er zündete sich eine Zigarette an. Christoph ging langsam, er hatte noch eine Stunde Zeit bis er wieder bei der Arbeit sein musste und das Caffé lag nur ein paar hundert Meter weiter auf der anderen Straßenseite. Er zog an der Zigarette und atmete den Rauch genüsslich ein. Nach einer Minute erreichte er eine Fußgängerampel und drückte den Knopf. Während er auf die Grünphase wartete zog er noch einmal an dem Glimmstengel in seiner Hand. Dann überquerte der junge, sportliche Mann die Straße. Links von ihm befanden sich Geschäfte, aber die meisten beachtete er gar nicht. An einem jedoch blieb er stehen. Es war ein kleiner Computerladen, der einige neue Spiele und sonstige Software im Schaufenster ausstellte. Er besah es sich einige Minuten, seine Zigarette war schon auf die Hälfte geschrumpft, und setzte seinen Weg dann fort. Christoph bemerkte nicht, dass er seit er seinen Arbeitsplatz verlassen hatte verfolgt wurde. Eine gut aussehende, blonde Frau, Mitte zwanzig ging ungefähr zehn Meter hinter ihm. Als er vor dem Caffé angekommen war, trat er seine Zigarette aus bevor er eintrat. Drinnen zog er seine Jacke aus und hängte sie zu den anderen an einen Ständer. Dann setzte er sich an einen freien Tisch. Während Christoph auf die Kellnerin wartete betrat die Frau, die ihn verfolgt hatte das Caffé. Sie sah sich kurz um und kam dann an seinen Tisch: „Entschuldigung, aber stört es Sie, wenn ich mich setze?“ fragte sie. Christoph schüttelte den Kopf : „Bitteschön!“ antwortete er. Sie nahm ihm gegenüber Platz und hängte ihre Jacke über den Stuhl. Die Frau wollte gerade etwas sagen, als die Kellnerin an ihren Tisch trat: „Guten Tag, was darf ich ihnen bringen?“ begrüßte sie die beiden. „Einen Kaffee bitte.“ Sagte Christoph. „Für mich auch.“ ergänzte die Frau. Die Kellnerin nickte und verschwand in Richtung Küche. Die Frau wendete sich Christoph zu: „Entschuldigung. Darf ich mich vorstellen? Silvia Bernstein.“ Sie gab ihm die Hand. Christoph tat es ihr gleich: „Christoph Mull.“ Stellte er sich vor. Silvia gefiel ihm irgendwie. Sie sah gut aus, lächelte freundlich und hatte eine charmante Ausstrahlung. „Kommen sie öfter hier her?“ wollte sie wissen. Er nickte: „Jeden Tag zur Mittagspause. Und sie?“ „Das erste Mal.“ Sie bekamen ihr Getränke und Christoph holte wie jeden Tag ein Brot aus seiner Tasche. Während sie aßen und tranken unterhielten sie sich angeregt. Nach einiger Zeit wollte Silvia ihn fragen, ob sie ihn wegen der Erbschaft interviewen kann. Sie war Journalistin von der hiesigen Tageszeitung und wollte in der morgigen Ausgabe ein Interview mit dem geheimnisvollen Erben bringen und vor allem wollte sie den Betrag und den Grund für die Geheimniskrämerei wissen. Denn das hatte bis jetzt noch niemands in Erfahrung bringen können. Doch gerade als sie die Frage ansetzte sagte ihr Gegenüber: „Wissen sie, bei mir geht Momentan alles drunter und drüber. Mein Onkel ist vor kurzem gestorben. Und er hat mir eine gewisse Summe hinterlassen. Nun wollen es alle ganz genau wissen, aber so einfach geht das nicht. Das geht finde ich niemanden etwas an.“ Silvia blieb ihre Frage in der Kehle stecken. Er wollte offensichtlich kein Interview über diese Sache geben. Er brauchte ja gar nicht zu wissen, weswegen sie hier war, vielleicht würde er es ihr dann verraten. Erstmal Vertrauen aufbauen, dachte sie und ging auf ihn ein: „Da haben sie recht. Ich glaube ich würde so etwas auch nicht in aller Welt breit treten. Besonders nicht in so einer kleinen Stadt wie dieser. Aber mir würde eh niemand irgendwie einen beachtlichen Betrag hinterlassen. In meiner Familie ist niemand mit viel Geld.“ Christoph nickte: „Nun ja, mein Onkel war auch nicht immer so reich. Er hat das Geld durch Aktien bekommen. Es war wohl eine Menge glück mit im Spiel.“ „Na dann wird es wohl auch nicht allzu viel sein, was er ihnen hinterlassen hat. Ich kann mir vorstellen, dass er Vieles zu Lebzeiten ausgegeben hat.“ „Nein, er war ziemlich geizig müssen sie wissen. Ich hatte gedacht es wären etwa 300.000 Euro. Aber es sind doch einiges mehr.“ „Tatsächlich?“ fragte Silvia. „Ich wüsste gar nicht, was ich mit so viel Geld als erstes machen würde. „Tja, es ist einiges mehr, wissen sie. Und was ich mit dem Geld mache, weiß ich auch noch nicht genau.“ Sie unterhielten sich noch länger, bis beide ihren Kaffee ausgetrunken hatten. Christoph hatte noch fünfzehn Minuten. Silvia schien wirklich nett und verständnisvoll zu sein. Er war sich sicher, dass er ihr ruhig die Wahrheit sagen konnte. Vielleicht würden sie sich ja wieder sehen, er mochte sie, und irgendwann würde sie es dann eh erfahren. Ausserdem, was sollte schon groß passieren. Dann wusste es halt eine nette Person. Sie schien nicht auf sein Geld aus zu sein. Christoph sah auf die Uhr: „Oh, ich muss langsam wieder an die Arbeit. Aber ich möchte sie nicht im Ungewissen lassen. Ich denke ihnen kann ich es ruhig anvertrauen. So eine große Sache ist es ja nun nicht. Und solange es nicht die ganze Stadt erfährt.“ Silvia lächelte verlegen, aber sie sagte nichts. Christoph beugte sich vor und flüsterte ihr etwas ins Ohr. Sie staunte, doch ehe sie einen Kommentar abgeben konnte war er schon verschwunden...
Es war 7.00 Uhr Morgens, als Christoph „Art & Entertainment Games“ betrat. Ein Kollege gab ihm freundlich die Hand und fragte ihn ob er einen Kaffee wolle. Christoph wunderte sich über die Freundlichkeit des Kollegen, der ihn sonst so gut wie gar nicht beachtete. Er nahm den Kaffe trotzdem und ging zu seinem Arbeitsplatz. Dort lag die heutige Ausgabe der Tageszeitung und als erstes las er „Geheimnis um den Betrag der Erbschaft von Dr. Eduard Mull gelüftet“.