Feuer & Flamme
Ich war verloren.
Sie stand vor mir, eine Zigarette in ihrer linken hand - deine letzte Zigarette, hatte sie mich vor wenigen Sehkunden, mit einem unwiderstehlich dämonischen lächeln auf ihren kirschroten Lippen, wissen lassen - ein brennendes Streichholz in ihrer rechten.
Eine Frau, für die ich sofort Feuer und Flamme gewesen war - Feuer und Flamme, ich musste trotz meines baldigen, äußerst unschönen, Abganges von dieser Welt lächeln. Gleich würde auch ich Feuer und Flamme für sie sein, allerdings hatte ich mir das doch ein wenig anders vorgestellt.
Sie zündete die Zigarette an, sog lange und genussvoll an ihr, zu genussvoll für meinen Geschmack und schnippte das immer noch brennende Streichholz in meine Richtung.
Feuer und Flamme, gleich.
Die Zehntelsekunden dehnten sich zu stunden. Sie schloss ihre Augen, blickte nach oben zu den schreienden Geiern, die schon gierig darauf warteten, mein gegrilltes Fleisch fressen zu dürfen, blies den rauch langsam aus
Welcher Ausweg blieb mir noch?
Resignierend musste ich feststellen: Keiner.
An einen ausgedörrten Baum gefesselt, mitten in der wüste, fernab jeder Zivilisation - und das frustrierendste, in einer riesigen lache Benzin stehend, dabei war Benzin heutzutage sauteuer.
Ich musste wieder lächeln.
Nun ja, wenigstens bin ich ihr das Geld fürs Benzin wert, auch schon etwas.
Das Streichholz hatte den Scheitelpunkt seiner Flugbahn längst überschritten und näherte sich seiner Bestimmung: Flammen zu entfachen.
Was hatte ich falsch gemacht?
Es hatte alles so harmlos angefangen, damals in dieser Hütte am Rande der Zivilisation, an einem Ort, an dem es nicht einmal Füchse und Hennen gab, die sich gute nacht sagen hätten können.
Ich wusste weder, wie ich an diesen ort gelangt war, erinnerte mich nur noch dunkel an einen langen, beschwerlichen ritt im Fieberwahn, festgebunden auf einem Maultier, noch wusste ich, wer oder was mich dazu bewogen hatte, in diesen trostlosesten aller vom Teufel verlassenen Winkel des Universums zu reisen.
Sie war an meinem bett gesessen, als ich nach tagen endlich aus dem Fiebertraum erwacht war, am bett in dieser Hütte. eine kleine Hütte, Küche, schlaf- und Wohnraum zugleich, einfach, aber geschmackvoll eingerichtet. Dutzende pflanzen, deren Namen ich nicht einmal vom Hörensagen kannte, verwandelten die Hütte in einen kleinen Urwald, einen Urwald, in dem ich mich sofort zuhause fühlte.
"Eine hexe", war damals mein erster Gedanke gewesen, eine hexe aus einem dieser Märchen.
Sie war keine hexe, dazu war sie zu hübsch, eher eine Fee. zugegeben eine manchmal etwas zu temperamentvolle Fee, für die zwar viele Geheimnisse dieses Erdballs keine Geheimnisse mehr waren, allerdings, das buch, über die allgemeingültigen Benimmregeln für Feen, hatte sie anscheinend auch nicht gelesen - ich vermute eher, sie ignorierte die regeln geflissentlich.
Sie schlief.
Sie lag auf dem Bauch, Arme und Beine weit von sich gestreckt. Hin und wieder zuckte ein Muskel, Als wolle er sich so eine bequemere Position verschaffen.
Das Kopfkissen war längst nicht mehr dort, wo es hingehörte, unter dem Kopf, es ruhte gefährlich nahe am Rande des Bettes und wäre längst abgestürzt, würde ihre Hand es nicht festhalten.
Sie atmete gleichmäßig und flach, ein Teil der Bettdecke schmiegte sich um ihr linkes Bein, der Rest hing träge über die Bettkante und fragte sich wohl, wie er dort hingekommen war.
Der Mund leicht geöffnet, unter den flatternden Lidern huschten die Pupillen rastlos umher.
Zwei sanfte Hände massierten die schultern der Frau, langsam und behutsam.
Leiser als ein Windhauch strichen Finger über ihren hals, entlang der Wirbelsäule zum Po und zurück, einige male.
Ihr Körper vibrierte.
Ein mund küsste ihre Zehen, knabberte an ihnen. Hände wanderten in kreisenden Bewegungen von den zehenspitzen aus nach oben.
Sie stöhnte leise, drehte sich auf die Seite.
Ihr T-Shirt rutschte langsam über ihren kopf, eine Hand streichelte ihren Bauch, drückte ihn ganz leicht.
Ihre Atemzüge wurden unregelmäßiger.
Die Hand am Bauch glitt tiefer, Fingerspitzen zupften an ihren Schamhaaren, ein Mund knabberte an ihren Brustwarzen, küsste sie heiß.
Ihr Pulsschlag verdoppelte sich sprungartig.
Sie drehte sich auf den Rücken, spreizte ihre Beine weit auseinander. sie fing an, sich ihre Brüste zu streicheln. ihr Mund suchte nach einem gegenüber und fand es auch.
Zungen spielten miteinander. etwas berührte sie zwischen den Schenkeln, streichelte sie. Sie hob ihr Becken ein wenig an.
Ihr Körper bebte.
Sie lag seitlich zusammengekauert auf dem Bett, das Kissen zwischen ihren Schenkeln eingekeilt, Schweißtropfen perlten von ihrer Stirn.
Sie fiel, schlug hart auf. Sie schrie.
Wo war ich? Was war ich?
Diese Hütte, diese Frau, Ich erinnere mich.
Sie passten absolut nicht zusammen, diese Hütte und die Frau.
Die Hütte das Chaos, sie die Ordnung, so hatte es den Anschein, in Wirklichkeit war es wohl eher umgekehrt. Ob ich recht hatte, würde ich in anbetracht meiner Lage wohl nie erfahren.
Nichts desto trotz war sie ein hilfreiches Wesen, man könnte fast sagen menschenfreundlich (wäre da nicht diese klitzekleine Kleinigkeit). in den paar Tagen (oder Wochen, ich hatte jedes Zeitgefühl verloren) hatte ich nie den Eindruck gehabt, sie wolle mich loswerden, sie tat immer, was das beste für mich war, ohne Fragen zu stellen.
Sie redete ohnehin nicht viel, nur das notwendigste, war ein Einzelgänger und fühlte sich hier draußen in der Wildnis offenbar sehr wohl. auf die frage, ob es hier manchmal nicht zu einsam war und sie sich dann nicht doch nach ein wenig Gesellschaft sehnte, meinte sie nur, ich habe meinen Hund und genügend Freunde, hier drin, und deutete dabei auf ihren Kopf.
Phantasie, ja das hatte sie. Das konnte man nicht nur am Inventar der Hütte erkennen, sondern auch an den unzähligen Gemälden an den Wänden. Abstrakte, bizarre Welten neben kitschig romantischen Mondschein-Bootsfahrten junger verliebter Paare und Ungeheuer aus längst vergessenen Märchen.
Nie wieder werde ich es zulassen, nie wieder werde ich fallen. Sie stand unter schmerzen auf und ging, ging, ohne sich umzudrehen.
Ich war ihr Gefangener. Als ich es bemerkte, war ich längst verloren gewesen. Sie verfolgte mich auf Schritt und Tritt, es verging keine Sekunde, so meinte ich, in der sie mich nicht beobachtete.
Nachdem ich wieder bei Kräften war, wusste ich zuerst nicht, was mich hier noch hielt, hier inmitten der größten Wüste auf diesem Planeten.
Tage vergingen, Wochen.
Dann begriff ich. Sie war es, die mich festhielt, ich hätte jederzeit gehen können, doch ich konnte nicht, ich wollte nicht.
Da draußen gab es nur Wüste, Wüste soweit das Auge reichte. doch hier, hier fühlte ich mich geborgen, zuhause.
Zuhause das erst mal.
Ich wollte mit ihr darüber reden, oft genug hatte ich versucht, mit ihr darüber zu reden. doch jedes Mal, wenn sie vor mir stand und mich ansah, flehten ihre Augen, schrieen sie mich förmlich an: "tu’ es nicht! bitte tu's nicht!"
Ich tat es trotzdem.
Und jetzt.
Feuer und Flamme.
Trotz allem verspürte ich keinen Hass. Im Gegenteil, nur der Teufel mochte wissen warum, ich liebte sie. Sie hatte mir das Leben gerettet, also durfte sie es mir auch wieder nehmen.
Touchdown.
Ich drehte mich zur Seite und versetzte dem Wecker einen rechten Haken, was er mit sofortige Stille quittierte.
"Ich hasse es, wenn Träume so abrupt enden", dachte ich, drehte mich wieder um und träumte weiter.
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Ist die Geschichte nun besser oder schlechter. Ist der Inhalt ein anderer geworden?
.mostly harmless
jeamy
[Beitrag editiert von: jeamy am 15.11.2001 um 22:45]