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Fetze
Er schleuderte sein zusammengeklapptes Taschenmesser über den Holztisch der Kneipe und beobachtete aus zusammen gekniffenen Augen den Wirt, der hinter dem Tresen scheinbar gleichgültig die frisch gespülten Gläser gegen das Licht hob. Sein Taschenmesser verursachte ein kratzendes Geräusch auf der Tischplatte und der Wirt nahm es gelassen hin.
Atze schaute Fetze bewundernd an, während dieser seinem Unmut Luft machte: „Ist das eine langweilige miese Kleinstadt hier, einfach nix kaputt! Da war’s in Berlin anders, da ging immer etwas ab!“ Dabei trank er sein Bier in einem Zug herunter.
„Wir könnten mal den Bahnhof inspizieren!“ Dieser Versuch Karstens war ein hoffnungsloses Unterfangen, etwas Wirbel in den öden Tagesablauf der Gruppe zu bringen.
„Oh Mann ey, da waren wir gerade gestern!“ Bubu wollte nicht schon wieder vor der Bahnpolizei davon laufen müssen.
Es war einen Moment lang ruhig, weil alle auf den Kommentar Fetzes warteten. Draußen am Fenster lief ein Arbeiter in einer grünen Latzhose entlang. Er zog sich eine Schachtel Zigaretten am Automaten und sie beobachteten ihn.
Plötzlich wurden Fetzes Augen weit und er schlug mit der Faust auf den Tisch. „Das isses! Ich hab’s, kommt mit!“
Die Bande erhob sich und alle verließen das Lokal. Der Wirt atmete erleichtert auf, als die Freunde mit ihren Schlagringen und Ketten zur Tür hinaus waren.
Ihr Weg führte schnurstracks zum Zoo, der ganz in der Nähe der Kneipe lag und es war eine Kleinigkeit für sie, hier die Mauer zu erklettern.
„Mann ey, dass ich daran nicht eher gedacht habe!“ Fetze erinnerte sich an alte Zeiten. In Berlin war der Tiergarten ein beliebter Aufenthaltsort für ihn gewesen.
Sie verhielten sich ruhig, denn die Besucher hatten bereits den Zoo verlassen und die Tierpfleger waren noch mit den letzten Reinigungsarbeiten beschäftigt. Fetze und seine Leute schlichen um die Käfige herum und der Exberliner rieb sich die Hände. „Mensch, habt ihr nen tollen Tiergarten!“ rief er aus. Das verstanden diese Ur-Krefelder natürlich nicht, wie sollten sie auch? Doch Fetze sah anders. Er sah nicht nur die Tiere; er sah vor allen Dingen Käfigtüren, Schlösser und Verriegelungen. Fetze hatte ein Auge dafür und in seinem Kopf lief ein Plan ab.
Sie sahen sich alles genau an und achteten darauf, nicht entdeckt zu werden und nachdem auch der letzte Tierpfleger das Zoogelände verlassen hatte, schlug ihre Stunde. Ihre Waffen kamen zum Einsatz. Es waren Bolzen, zum Öffnen der Käfigtüren und Sprengen der Schlösser. Vom Dach der Tigerbehausung aus knackten sie das Schloss und sahen den Tigern zu, wie sie sich langsam aus dem Käfig schlichen. Zuerst war es nur einer, dem diese plötzliche Freiheit auffiel. Neugierig sprang er hinunter auf den Boden, den sonst nur die Besucher betraten. Es war schon dunkel doch die fünf Tiger sahen noch recht gut und vor allen Dingen rochen sie sehr gut. Es stieg ihnen ein Duft in die Nase, den sie nicht kannten, der jedoch ihren Jagdinstinkt auf eigenartige Weise anregte.
Sie schafften es alle fünf in das Känguruh-Gehege einzudringen und leisteten ganze Arbeit.
Es war nicht schwer für sie, diese springenden Tiere zu erjagen und ihnen die Kehle durchzubeißen.
Bubu, der wie die anderen hinter der Mauer dem Treiben der Tiger zusah, drehte sich der Magen um. Bevor sich der Inhalt seines Magens ergoss, stand er mit sicheren Beinen an der anderen Seite der Mauer und um kein Geld der Welt brachte ihn der Weg wieder zurück auf seinen Aussichtspunkt.
Bubu war der Einzige, dem dieser Abend nicht gefiel. All die anderen erzählten noch lange von dem lebendigen Gruselfilm, der sich vor ihren Augen abspielte. Ja diese Tiger, das war’s und keiner hatte die Übeltäter entdeckt und Bubu, der sollte mal etwas verraten!
Bubu hatte plötzlich eine Freundin, keine Zeit mehr für sie. Was solls!