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Fernsehen
Um 07.00 Morgens wache ich auf. Wie jeden Tag in meinem Leben. Die Haare hängen mir quer über mein Gesicht und glänzen fettig im Licht der ungeschützten Glühbirne die heiter über über mir baumelt. Nach dem dritten, jäh gescheiterten Versuch mich aus dem Bett zu quälen, robbe ich einfach absichtlich über die Bettkante um mich durch den Aufprall am Boden selbst aus dem Halbschlaf zu reissen. Es hat wieder funktioniert. Wie jeden Morgen.
Ich bin Film,- & Journalismusstudent, hatte ich das schon erwähnt? Sagen Sie nichts, ich weiß, was Sie fragen wollen und gebe ihnen auch gleich postwendend die Antwort darauf: Ja, so etwas kann man tatsächlich studieren, nur was man nach dem Abschluss mit dem Mag.-Kürzel anfängt, ist eine andere Sache. Für mich persönlich kein Problem, da ich mich prinzipiell dagegen weigere, weiter als ein halbes Jahr in die Zukunft zu denken.
Wussten Sie eigentlich, dass die Television unser Leben so stark beeinflusst, wie sonst kein anderer Faktor in unserem Leben? Stärker als unser Lebensabschnittspartner, unser Beruf oder unser größtes Hobby wenn dies ohnehin nicht das Fernsehen ist? Fernsehen und Film verursacht unterbewusste Wünsche und zeichnet in unserer Psyche vorab ein gewisses Bild, eine Grundeinstellung zu allen beliebigen Themen des Lebens. Stellen wir uns beispielsweise vor, man hätte die Anschläge des 11. September 2001 im Fernsehen als beiläufige, unbedeutende islamische Aggression dargestellt. Ich bin mir sicher, trotz all dem Leid hätte sich kein normaler, europäischer Bürger den Kopf darüber zerbrochen. Erkennen Sie die Macht?
Hatten Sie beispielsweise schon einmal ein Dejavue? Ja, Sie wissen schon... Eine Situation, die sie an irgendetwas erinnerte oder in der Sie dachten, exakt dasselbe schon einmal erlebt zu haben. Dieses Gefühl rührt nicht von einem früheren Leben her, vergessen Sie diese esoterische Romantik! Sie werden nur von ihrem Unterbewusstsein an einen bestimmten Fernsehausschnitt erinnert, den Sie nun in der Realität nachspielen dürfen. Erkennen Sie die Macht?
Ja, ich denke alleine das Fernsehen hätte genügend Einfluss, um unser aller Leben komplett umzukrempeln. Würde das Fernsehen sagen, dass sich der inhaftierte Saddam Hussein mit Bill Clinton auf ein Bierchen trifft, wir würden`s glauben! Man bräuchte die ganze Thematik nur glaubhaft ins rechte Licht rücken, in seriösen Nachrichtensendungen mit eindringlichen diplomatischen Worten umschreiben, diverse Zusammenhänge erfinden und voila, fertig ist die Illusion! Man könnte auch behaupten, dass lange Bärte die Potenz beschränken. Stellen Sie sich einfach ein Doktorenteam im Hauptabendprogramm vor, welches im Auftrag der Republik zum Schutz unserer zukünftigen Nachkommen diese Thematik mit unverständlichen medizinischen Scheinfakten erläutert. Ich wette, mindestens 50% aller Bartträger würde man am nächsten Tag kahlrasiert antreffen. Erkennen Sie die Macht?
Automatisiert schütte ich den brennheißen Kaffee in meinen Schlund, reinige meine Beißwerkzeuge und stampfe auf die Straße um mich anschließend in die U-Bahn zu schmeißen, die mich dankbarerweise an der Uni absetzen wird. Neben mir sitzt ein Mann, der gelangweilt aus dem Fenster starrt. Ich tippe ihn an der Schulter an und sage: "Darf ich eine Frage stellen? Fernsehen Sie gerne?"