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Feriengäste – verflixt!
Im Sommer fährt Lukas aufs Land. Er ist nämlich ein Glückspilz. Oma und Opa besitzen einen Bauernhof. Sechs herrliche Wochen verbringt Lukas dort. Obwohl er in der Stadt wohnt, ist er kein echtes Stadtkind. Es macht ihm nichts aus, wenn er barfuß in einen Kuhfladen tritt. Er kann Hühner füttern und Kühe von der Weide holen. Er hat weder Angst vor Spinnen noch vor Brennnesseln. Er weiß, wo die neugeborenen Kätzchen versteckt sind und - er kann reiten. Normalerweise ist Lukas ganz verrückt vor Freude, wenn die Sommerferienzeit naht.
In diesem Sommer aber ist alles anders. Opa hat über der Scheune eine Ferienwohnung ausgebaut und als Lukas ankommt, wohnen dort Feriengäste aus der Stadt mit einer Tochter, die genauso alt ist wie Lukas. Oma findet das toll.
„Die Kleine heißt Marit“, erzählt sie. „Jetzt hast du eine Spielgefährtin.“
Eine Spielgefährtin? Ein Mädchen aus der Stadt? Lukas spielt am liebsten mit Jungen - Fußball und Räuber und Gendarm. Mädchen sind zickig. Sie tragen rosa Kleidchen und spielen mit Barbiepuppen. Diese Marit hat bestimmt keine Ahnung davon, wie es auf einem Bauernhof zugeht. Lukas weiß genau, was passiert, wenn Marit in einen Kuhfladen tritt. Das gibt ein furchtbares Geschrei.
Lukas kriegt einen Schreck. Bestimmt darf er nicht mehr reiten, weil Marit da ist! Das Mädchen hat sicher Angst vor Bronco, dem großen Pferd, und wenn sie nicht reiten will, dann sagt Opa womöglich zu Lukas: „Dann spielt ihr eben etwas anderes. Es wäre doch nicht schön, wenn Marit zusehen müsste, wie du reitest, oder?“
Lukas seufzt. Das kann ja heiter werden.
Am ersten Ferienmorgen springt Lukas aus dem Bett und rennt in die Küche. Oma schält Kartoffeln.
Lukas gibt ihr einen Kuss auf die faltige Omawange.
„Guten Morgen! Darf ich die Hühner füttern?“, fragt er.
„Im Schlafanzug?“, will Oma wissen.
„Ja, bitte“, bettelt Lukas.
„Na gut“, sagt Oma. „Aber zieh dir wenigstens Schuhe an.“
Lukas schlüpft in seine Sandalen und rennt auf den Hof. Vor der Scheune sitzt das Stadtmädchen und spielt – mit einer Barbiepuppe!
Als Lukas an Marit vorbeilaufen will, guckt sie ihn an. Er bleibt stehen. ‚Guten Morgen’ muss er jetzt wohl sagen. Aber das ist nicht so schlimm. Hauptsache, er muss nicht mit ihr spielen.
„Guten Morgen“, sagt Lukas also.
„Hallo!“, lächelt Marit. „Wie heißt du?“
Ein langes Gespräch kann Lukas jetzt nicht gebrauchen. Er muss doch fix zu den Hühnern.
„Lukas“, sagt er schnell. „Aber ich hab’ jetzt keine Zeit – die Hühner – und frühstücken muss ich auch ...“
„Klar!“, nickt Marit und blickt auf seinen Schlafanzug. „Und dich anziehen, vielleicht?“
Lukas wird rot und rennt direkt zum Hühnerstall. Bevor er die Käfigtür öffnet, schaut er sich noch einmal um. Das Stadtmädchen zieht schon wieder die Barbiepuppe um. Na wunderbar. Vielleicht will sie ja gar nicht mit ihm spielen. Das wäre nicht das Schlechteste ...
Nach dem Frühstück führen Opa und Lukas Bronco aus dem Stall. Opa legt den Sattel auf Broncos Rücken und Lukas holt die Zügel. Auf der eingezäunten Wiese darf er schon ganz alleine reiten. Opa repariert in der Zwischenzeit das Gatter. Ein paar Schrauben sind lose. So hat er seinen Enkel immer im Blick.
Lukas reitet Galopp. Der Wind zerzaust seine Haare. Das macht Spaß. Plötzlich steht Marit neben Opa.
Lukas hört, wie Opa fragt:
„Möchtest du auch reiten, Marit?“
„Ich weiß nicht“, sagt Marit und schaut zu Lukas hinauf.
„Das ist ein großes Pferd – ich bin noch nie geritten. Ich habe ein bisschen Angst“, fügt sie leise hinzu.
„Pass mal auf“, sagt Opa. „Ich habe eine Idee.“
Opa winkt Lukas zu sich heran.
Na prima! Marit hat Angst und will nicht reiten. Gleich wird sie heulen und dann ist Feierabend. Dann wird Opa fragen, ob Lukas nicht absteigen und mit der armen Marit spielen möchte, wo sie doch so doll weint. Und dann kann Lukas nicht mehr reiten, sondern muss – Barbiepuppen anziehen ...
„Hey!“, ruft Marit. „Du kannst ja toll reiten!“
Das macht Lukas ein bisschen stolz.
„Steig mal ab!“, sagt Opa.
Lukas hat also Recht gehabt. Jetzt ist Schluss mit Reiten. Jetzt muss er gleich mit Puppen spielen.
„Ich will viel lieber weiterreiten“, jammert Lukas. Aber Opa streckt seinem Enkel die Arme entgegen.
Also rutscht Lukas von Broncos Rücken in Opas Arme. Opa stellt ihn neben Marit, aber Lukas schaut das Mädchen nicht an. Er sagt kein Wort.
Opa sattelt Bronco ab. Nur das Zaumzeug und die Zügel entfernt er noch nicht. Gleich wird er das Pferd in den Stall führen.
„Darf ich Bronco in die Box bringen?“, fragt Lukas schnell.
„Wieso? Willst du denn nicht mehr reiten?“
Was für eine seltsame Frage. Natürlich will Lukas noch reiten. Stundenlang. Das weiß Opa doch.
„Ich dachte, weil du den Sattel ...“, stammelt er.
„Hört mal zu, ihr beiden“, sagt Opa. „Ihr könnt zu zweit reiten. Lukas übernimmt die Zügel. Marit sitzt dahinter. So bekommt sie ein Gefühl für das Pferd.“
Lukas starrt Opa mit großen Augen an. Glaubt Opa wirklich, dass das Stadtmädchen sich so etwas traut?
Marit ist blass um die Nase. Sie blickt nachdenklich nach oben – dorthin, wo Broncos breiter Rücken ist.
„Macht es dir was aus, wenn ich es mal probiere?“, fragt sie Lukas.
„Nö – wenn du keine Angst hast ... Wir müssen ja nicht galoppieren!“, murmelt Lukas.
„Ein bisschen Angst habe ich schon“, erwidert Marit. „Aber mit dir ist es bestimmt nicht so schlimm. Du kannst ja schon richtig reiten!“
Opa macht eine Räuberleiter für Lukas. Dann hilft er Marit beim Aufsteigen.
„Wow! Das ist ja ziemlich hoch!“ Marit hält sich an Lukas fest. Sie legt die Arme um seinen Bauch. Das ist peinlich. Gut, dass niemand außer Opa es sieht.
„Dann man los!“, sagt Opa. „Aber schön langsam.“
Bronco geht brav im Kreis. Vorsichtig blickt Lukas über seine Schulter. Es könnte ja sein, dass das Stadtmädchen gleich heult. Aber Marit sitzt mit roten Wangen hinter ihm. Ihre Augen strahlen und sie ruft: „Das ist toll!“
Opa steht am Gatter und schmunzelt.
Und dann passiert etwas ganz Komisches. Als Marit vom Pferd steigt, weil ihr der Po weh tut, da hat auch Lukas plötzlich keine Lust mehr. Und als sie zusammen über die Wiese laufen und Marit mitten in einen riesigen Kuhfladen tritt, da müssen sie beide so lachen, dass ihre Bäuche wackeln.