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Ferdis Weihnachtsbaum

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03.07.2004
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Ferdis Weihnachtsbaum

Am dritten Advent meinte Ferdi beim Familienkaffee: „Wie hoch soll der Weihnachtsbaum in diesem Jahr sein?“
„Ich will keinen Weihnachtsbaum. Sonst muss ich wieder wochenlang Nadeln vom Boden absammeln. Ich hab das satt“, schimpfte seine Ehefrau.
„Wir brauchen eben einen Baum, der nicht nadelt. So was gibt‘s doch bestimmt“, versuchte ihre Tochter zu vermitteln.
„Ich hab schon ne Idee. Mein Baum wird nicht nadeln“, beendete Ferdi das Gespräch.

Zwei Tage später kam er mit einer mannshohen Tanne zur Arbeit. „Was soll das denn werden?“, fragte der Pförtner misstrauisch.
„Ich konnte den Baum billig besorgen. Heute Abend nehm ich ihn wieder mit nach Hause.“
„Na gut“, brummelte der Pförtner und trug in sein Buch ein: 16.12. um 7:00 Uhr Ferdi: Ein Tannenbaum. Seine Pförtnerloge war beengt, sonst hätte er den Baum vorsichtshalber dabehalten.
Ferdi hatte, wie schon oft, eine Arbeit bekommen, die sonst niemand wollte. Aber da er die penetranten Düfte nicht riechen konnte, störte es ihn nicht, alleine in einer großen Halle mit zahlreichen Rohrleitungen, Kesseln und Bottichen aufzupassen, dass alles im grünen Bereich lag. Einige Behälter waren offen. Warum, wusste Ferdi nicht, es interessierte ihn auch nicht. Aber er hatte vor einigen Monaten mitbekommen, wie ein Kollege einen Rosenstrauß in einen gelb-orange geringelten Bottich getaucht hatte.
„Was soll das denn?“, fragte Ferdi.
„Das ist ein Speziallack, der nur ganz dünn aufträgt und alles luftdicht versiegelt.“ Der Kollege betrachtete den Rosenstrauß, der genauso aussah wie vorher. „Der wird jetzt jahrelang halten.“
Also schnappte sich Ferdi den Tannenbaum, hängte ihn kopfüber an eine Laufkatze und tauchte ihn in den gelb-orangenen Bottich. Nach drei Minuten zog er den Baum wieder hoch und ließ ihn zum Abtropfen hängen. Als er nachprüfte, war der Baum vom Stumpf bis zur Spitze mit einer harten und durchsichtigen Schicht umgeben.

Abends stellte Ferdi den Baum im Wohnzimmer auf und alle betrachteten ihn. „Sieht irgendwie aus wie gelackt“, meinte die Mutter.
Die Zwillinge schnüffelten an den Zweigen: „Riecht aber nicht nach Lack.“
Weitere Gedanken verschwendeten die Familienglieder nicht auf den Baum.

Am Morgen des Christabends begannen die drei Kinder den Baum zu schmücken. Das Mädchen - sie war die Älteste und wäre gerne ein Junge geworden - hängte bunte Säckchen an die Zweige, die nach kleinen Luftballons aussahen. Die Zwillinge hatten Kugeln gebastelt, silberne Hohlkugeln mit farbigen Gittern im Innern. Als sie fertig waren, hing der Baum voller Schnüre, die silbern und golden eingefärbt waren und vielleicht Lametta darstellen sollten.

Am Heiligen Abend kamen die Omas und Opas sowie einige Onkel und Tanten. Alle versammelten sich im Wohnzimmer und der Baum wurde von den Kindern in Betrieb genommen. Die elektrischen Kerzen blinkten und die Christbaumkugeln ... Die Erwachsenen starrten verdutzt auf den Baum, denn die farbigen Kugeln schwollen abwechselnd an und fielen wieder zusammen, während andere anschwollen. Dieses Schauspiel wiederholte sich und sah mit den blinkenden Lichtern recht bizarr aus. Die Tochter erklärte schließlich: „Ich habe zwanzig Luftballons gebastelt, die hängen mit dünnen Schläuchen an zwei kleinen Kompressoren. Haben die den eingestellten Druck erreicht, öffnet ein Ventil und die Luft entweicht aus den Luftballons. Und so weiter.“
Ihre Erklärungen waren schwer zu hören. Inzwischen hatten die Zwillinge nämlich ihren Baumschmuck zum Funktionieren gebracht. in den Kugeln steckten jeweils kleine Lautsprecher, die nun in einer Endlosschleife Weihnachtslieder abspielten.
„Die Idee finde ich ja gut, aber wieso klingt das so schrecklich?“, stöhnte Ferdi, während sich seine Frau ihre Ohren zuhielt.
„Nun ja“, erwiderten die Zwillinge, „jeder hat seine Lieblings-Weihnachtslieder aufgenommen und wir haben anscheinend doch nicht den gleichen Geschmack.“
Wenigstens spielten die beiden iPods zum Schluss völlig synchron „O du fröhliche“, allerdings ohne Zuhörer. Die verzehrten das Weihnachtsessen lieber in der eigentlich viel zu kleinen Küche.

Nach den Weihnachtstagen begann wieder der Alltag und der Baum blieb meistens alleine zu Hause. Nun zeigte sich, dass Ferdi kein Facharbeiter war. Da keine Luft mehr an die Nadeln herankam, hielt der Baum sie für unnötig und stieß sie allesamt auf einen Schlag ab. Der Lack war zähflüssig, also dehnte er sich langsam aus und die Nadeln sammelten sich in kleinen Säckchen, die von den Zweigen hingen. „Wie grüne Tannenzapfen“, bewunderte die Familie am Samstag diesen neuen Baumschmuck. Aber in der Nacht wurde die Nadellast zu schwer, die Säckchen platzten und vertrocknete Nadeln bedeckten den Fußboden. „Kein Problem“, teilte Ferdi seiner wütenden Ehefrau mit und holte den Staubsauger. „Ich sauge die Nadeln ganz schnell ab.“ Allerdings saugte er auch die herabgefallenen und erschlafften Lackbeutel mit ein und in wenigen Minuten war der Staubsauger verstopft und der Motor begann zu glühen. Der Lack brannte zwar nicht, aber vor der fetten schwarzen Wolke musste die Familie aus dem Haus fliehen. Der Kommandant der Feuerwehr meinte lakonisch: „So was habe ich noch nie gesehen. Mitten im verrußten Wohnzimmer steht ein glänzendes Tannenbaumgerippe.“
Die Lokalzeitung titelte: „Feuerfester Weihnachtsbaum erfunden - leider nadelfrei.“

 

Heute Abend nehm ich ihnwieder mit nach Hause nehmen.
"werd ich ihn wieder mit nach Hause nehmen" oder "nehm ich ihn wieder mit nach Hause."
Aber da die strengen Düfte nicht riechen konnte
da er(?)
Der Kollege betrachtete den Rosenstrauß, der genauso aussah als vorher
wie
und der Baum wurde von den Kindern gestartet
Durch den nächsten Satz wird klar was gemeint ist, "den Baum starten" klingt trotzdem falsch.
Ihre Erklärungen waren schwer zu verstehen.
Wieso? Klingt doch plausibel.
Auch: Ihre Erklärung war
in den Kugeln steckten jeweils kleine Lautsprecher, die nun in einer Endlosschleife Weihnachtslieder abspielten.
Ach so, akustisch. Dann würde ich oben schreiben: "Ihre Erklärung war kaum zu hören."
Auch: In
Wenigstens spielten die beiden IPods zum Schluss
iPods
Der Lack war zähflüssig war
Da der Lack zähflüssig war
Sowas habe ich noch nie gesehen.
So was
Die Lokalzeitung titelte „Feuerfester
titelte:

jo, bär,

ich hab deine Geschichte gerne gelesen. Statt "Humor" würde ich aber eher den tag "Seltsam" vorschlagen. Das alles hat schon eine gewisse Komik an sich, aber eben eher auf seltsame Weise - quirky wäre wohl ein passendes Wort dafür. Die letzte Zeile ist dann allerdings wieder recht flacher Humor.
Der strukturelle Aufbau gefällt mir, ich denke das würde gut als Film funktionieren. Ich mag auch jeden Absatz für sich, genau genug beschrieben um sich die Situation vorstellen zu können, aber nicht so lang, dass der Seltsam-Faktor einen aus der Geschichte reißen würde.

Beste Grüße
Tserk

 

Hallo Tserk,

vielen Dank für deinen Kommentar. Bei dem vielen Ändern habe ich einiges wieder durcheinander gebracht. Aber ich hab die Fehler berichtigt.

Die letzte Zeile fand meine Korrekturleserin so witzig, deshalb habe ich sie behalten, obwohl sie nicht so recht passt.

Liebe Grüße

Jobär

 

Die letzte Zeile fand meine Korrekturleserin so witzig, deshalb habe ich sie behalten, obwohl sie nicht so recht passt.
Ich habe grade noch mal drüber nachgedacht. Vielleicht könntest du das "noch" streichen? Ich glaube, dann würde der Satz funktionieren und einen guten Abschluss bilden.

 

Tserk

Oh ja, das "noch" stand da gar nicht, ich habs nachträglich eingefügt - jetzt ist es wieder weg.

 

Lieber jobär,
ich hab lachen müssen, das ist ja eine echte Bastelfamilie mit dem Drang zum Ungewöhnlichen. Schon wie Ferdi seinen Baum lacknadelt, das hat mich umgehauen. Die Vorstellung, wie er die riesige Tanne mit Hilfe der Laufkatze (was isn das eigentlich genau?) in einen Behälter tunkt und anschließend mit dem lackierten glänzenden Teil wieder nach Hause geht. Vorbei an dem glotzenden Pförtner. Okay, das hast du nicht geschrieben, aber man kann es sich ja lebhaft vorstellen.
Oder wie du Ferdi selbst charakterisierst über sein Verhältnis zu seiner Arbeit. Das ist eigentlich ganz schön gruselig einerseits, denn es wirkt so, als werde Ferdis Naivität ganz schön ausgenutzt. Denn Ferdi macht den Job, weil ihn der Geruch nicht so stört und er scheint auch wenig Bewusstsein davon zu haben, womit er es eigentlich zu tun hat.

In dem Zusammenhang übrigens das hier:

Aber da die strengen Düfte nicht riechen konnte, störte es ihn nicht, alleine in einer großen Halle mit zahlreichen Rohrleitungen, Kesseln und Bottichen aufzupassen, dass alles im grünen Bereich lag.
Da fehlt "er". Oder? Zwischen "da" und "die"?

Und dann Omas und Opas und der ganze Rest der illustren Familie vor den sich blähenden, pumpenden Ballons, während die Kugeln alle gleichzeitig unterschiedlichste Weihnachtssongs quäken. Ich find schon ein Lied schrecklich, wie muss es denn dann mit mehreren sein? Eine Christ-Kakophonie.

In dieser Geschichte finde ich deinen liebevoll erzählenden Stil übrigens total passend. Der hat sowas Heimeliges, der Stil, eigentlich sehr sachlich, berichtartig, aber irgendwie ist immer so ein Augenzwinkern dabei. So ein grundlegend liebevoller Blick auf Menschen und ihre Einfälle und Dinge, die ein Eigenleben entwickeln, ein Blick, der sagt: Es gibt nichts, was es nicht gibt.
Hab ich sehr gemocht.

Tschüs, jobär

 

Hallo Novak,

Freut mich, dass dir meine kleine Geschichte gefallen hat. Und danke für den Fehler. War längst korrigiert, aber irgendwie sind die Berichtigungen nicht angekommen. Jetzt müsste es aber stimmen.

Liebe Grüße

Jobär

 

Hallo jobär!

Auch ich empfinde deine Erzählung als quirky, einer skurrilen Fantasie entsprungen, die aber tiefgründig ist.

Was ist eigentlich der tiefere Sinn von Weihnachtsbaum und Weihnachtsfest? Es geht wohl um die Hoffung auf Weiterleben. Im Winter stirbt die Natur, was die Menschen in nördlichen Breiten melancholisch stimmt, weil es sie daran erinnert, dass auch wir Menschen irgendwann sterben müssen wie die Natur im Winter. Deshalb nimmt man als Weihnachtsbäume immergrüne Nadelbäume, die auch im Winter ihr "Laub" nicht abwerfen und so dem Menschen Hoffnung auf Weiterleben über seinen Tod hinaus machen. Denn ein Tannenbaum bleibt auch durch den Winter hindurch immergrün, weil er zwar einzelne verbrauchte Nadeln abwirft, aber durch neue ersetzt -hoffentlich habe ich das richtig aus dem Biologieunterricht in Erinnerung! Da ein Weihnachtsbaum aber entwurzelt ist, kann er abgeworfene Nadeln nicht mehr ersetzen und wird irgendwann zum Skelett, also zum Symbol des Todes, an den die Ehefrau jedoch nicht erinnert werden will und deshalb lieber auf einen Weihnachtsbaum verzichtet.

Wie funktioniert nun Weiterleben über den Tod hinaus beim Menschen?

Religiös durch Wiederauferstehung nach dem Tod.

Biologisch durch Zeugung neuer Menschenkinder, die in einem Volkskörper die gestorbenen Menschen ersetzen wie neue Nadeln die abgefallenen in einem Baum - die Vorstellung von einem Volk oder Baum als Organismus ist uralt, gab es schon bei alten Römern und auch im islamischen Kulturkreis.

Dein Ferdi will nun die Unsterblichkeit durch den Einsatz geballter Chemie erreichen, was schief geht.

Weiterleben lässt sich nun ja auch durch die natürliche Methode des Kinderkriegens, worauf dein Text anspielt:

Das Mädchen - sie war die Älteste und wäre gerne ein Junge geworden - hängte bunte Säckchen an die Zweige, die nach kleinen Luftballons aussahen.
...
Die Erwachsenen starrten verdutzt auf den Baum, denn die farbigen Kugeln schwollen abwechselnd an und fielen wieder zusammen, während andere anschwollen. Dieses Schauspiel wiederholte sich und sah mit den blinkenden Lichtern recht bizarr aus. Die Tochter erklärte schließlich: „Ich habe zwanzig Luftballons gebastelt, die hängen mit dünnen Schläuchen an zwei kleinen Kompressoren. Haben die den eingestellten Druck erreicht, öffnet ein Ventil und die Luft entweicht aus den Luftballons. Und so weiter.“

Dem Freudianer fällt es nicht schwer, in diesen Säckchen, die erst anschwellen und dann ihren Inhalt entleeren, Symbole für Zeugungsorgane zu sehen, mit denen wir Menschen das Weiterleben unseres Fleisches und Blutes sichern.

Deine philosophische Geschichte habe ich gerne gelesen!
Grüße
gerthans

 

Hallo gerthans,

dein Kommentar hat mich sehr gefreut. Vor allem, dass du die ja eher angedeuteten Verbindungen gesehen hast. Der Weihnachtsbaum wird oft nach den 14 Raunächten entsorgt, denn er hat seine Schuldigkeit getan, das Weiterleben in der Dunkelheit symbolisiert. Dieses Zusammenleben des Menschen mit der Natur wird ja schon durch künstliche Weihnachtsbäume torpediert. Hier kommt jetzt noch der Versuch, moderne Verfahren zur Verbesserung der Lebenssituation einzusetzen - und es geht total schief. Oder die iPods können die unhörbaren Differenzen der gemeinsam Feiernden lauthals zu Tage und die Betroffenen zur Flucht bringen. ...

Liebe Grüße

Jobär

 

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