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Fellinis größster Trick
Fellinis größter Trick
Wochenprogramm des Restaurants Le Gourmet in Burgheim:
Montag: Johnny and the Blue Monkeys spielen live ab 18.30 Uhr
Dienstag: Der große Fellini verzaubert sie mit seiner grandiosen Show; 19.00 – 19.30 Uhr
Mittwoch: Ein Geigenvirtuose von Weltformat: Greg Donalds ab 20.30 Uhr
Donnerstag: Das Tanz- und Gesangsensemble Starlight von 18.30 – 19.15 Uhr
Freitag: Ab 20.00 Uhr beste Unterhaltung mit Entertainer und Musiker Willi Willinger
Samstag: Es spielt bereits ab 18.00 Uhr für sie die Beatles Revival Band
Sonntag: Geschlossen.
Aus dem Tagebuch von Alessandro Donatelli
15.04.1997
Den großen Fellini nennt man mich. Den großen Fellini. Ich wüsste wirklich nicht was großes an mir wäre. Ist es groß jeden Dienstag als Zauberer in einem schäbigen Restaurant aufzutreten? Ist es groß vor nicht einmal zwei Dutzend Menschen zu stehen? Ist es groß, dass sie nur aus Höflichkeit applaudieren? Oder gar nicht? Ist es vielleicht groß, wenn man sein Leben bald zu Ende gelebt hat, und nichts mehr als das erreicht hat? Ich glaube nicht. Nein, wirklich nicht.
Beim gestrigen Auftritt – wenn man es denn so nennen will – ist mir einiges klar geworden. Ich hatte nie die Illusion, ein guter Zauberer zu sein – wer so endet wie ich kann nicht gut sein; mein bester Trick besteht darin eine Assistentin schweben zu lassen, mittels einer Hebebühne natürlich – aber ich dachte manchmal wirklich meine Tricks können zumindest manchen Leuten gefallen. Oder sie unterhalten. Ich zaubere nicht des Geldes wegen. Jetzt schon, denn von irgendetwas muss ich ja leben, aber anfänglich nicht. Mich hatten Zauberkunststücke als Kind immer fasziniert. Auch die Einfachsten, wie das Verschwinden Lassen einer Münze.
Mein Großvater zeigte mir diesen Trick einmal als ich fünf oder sechs war, er nahm eine Münze, drehte seine Hand und sie war weg. Er fragte mich wo sie sei. Ich sah mit großen Augen auf seine leere Handfläche und sagte verstohlen ich wüsste es nicht. Er wendete seine Hände, und zeigte mir auch seine Ärmel. Keine Münze. Sie war selbstverständlich nicht verschwunden, aber für mich war sie es doch. Und mein Großvater hatte das getan. Er meinte mit einem breiten Grinsen im Gesicht sie sei in meinem Ohr. Und da war sie auch. Nach einem Griff neben mein linkes Ohr und hatte er sie plötzlich wieder in der Hand. Natürlich wollte ich wissen wie er das gemacht hatte – ich konnte es mir ja beim besten Willen nicht vorstellen – aber mein Großvater meinte, dass ein Zauberer nie seine Tricks verrät. Statt dessen ließ er sie noch einmal verschwinden, und diesmal tauchte sie in meinem anderen Ohr auf. Voller Begeisterung klatschte ich in die Hände, und mein Großvater lächelte.
Im Laufe des Abends wollte ich den Trick immer wieder und wieder sehen. Ich versuchte immer genau auf die Münze zu achten um herauszufinden wie er sie verschwinden ließ, doch es gelang mir nicht. Hätte ich es nicht herausgefunden, ich glaube ich würde heute noch genauso staunen wie damals als Kind. Die nächsten Tage nervte ich meinen Vater andauernd mit der Frage wie es denn funktionieren würde. Und irgendwann, als er mit einer Zeitung auf dem Schoß vor dem Fernseher saß, in dem nur alte Filme liefen verriet er es mir. Und das machte natürlich den Trick kaputt. Solange man nicht weiß, dass man nur eine schnelle Hand und etwas Geschick braucht ist es Magie. Danach... danach ist es Verarschung. Der Trick hatte all seinen Zauber verloren. Dieser eine, aber nicht alle anderen. Von diesem Tag an wollte ich Zauberer werden, ich wollte, dass die Leute über mich genauso staunen wie ich damals über meinen Großvater. Das sie sich fragen wie ich es gemacht hätte und einen Moment, nur einen ganz kleinen Moment, würden sie vielleicht an Magie glauben. Und ich würde meine Tricks nie preisgeben, so dass die Leute immer wieder staunen könnten.
Aber das Staunen verlernt man mit dem Erwachsenwerden. Wenn ich am Dienstag meine Vorstellung habe, dann wird geklatscht wenn ich etwas aus meinem Zylinder hole, oder wenn ich einen Stock in einen Blumenstrauß verwandle. Aber sie klatschen aus Höflichkeit, nicht aus Begeisterung. Jeder weiß wie die Tricks funktionieren. Nicht wie sie genau funktionieren, aber die Leute wissen, dass sie verarscht werden. Und für die wirklich guten Kunststücke – die von David Copperfield, wenn er sich zersägen lässt zum Beispiel – für die fehlt mir das Talent. Und außerdem bin ich kein Entertainer. Ich wäre auch zu alt um so etwas noch zu lernen.
Und die Menschen wollen eben nicht von einem alten Mann verarscht werden. Das weiß ich schon lange. Aber ich dachte vielleicht könnte ein alter Kauz wie ich noch ein paar Kinder mit seiner Fingerfertigkeit entzücken. Darum mache ich diesen Job immer noch, wegen den Kindern. Gelegentlich trete ich in Kaufhäusern auf. Dort sind immer viele Kinder, und ich dachte wirklich ihnen würde meine Zauberei noch Spaß machen. Wie man sich irren kann.
Gestern Abend geschah etwas, dass mich eines besseren belehrte. Nun ja, meine Vorstellung begann, ich führte die üblichen Tricks vor, und erzählte dazu die üblichen Geschichten und Witze. Die Besucher aßen gemächlich vor sich hin, und waren an meinem Treiben nicht sonderlich interessiert. Irgendwann hatte sich die Uhr durch meine halbe Stunde gequält, und ich verließ die Bühne, von müdem Geklatsche begleitet. Nach ein wenig Geplauder mit den Assistentinnen – zwei reizende junge Mädchen; ich bin nicht sicher, aber ich glaube sie verdienen mehr als ich – verließ ich das Restaurant.
Es war ein warmer und Abend, die letzten beiden Tage hatte es geregnet, und die Luft roch noch immer ziemlich feucht. Ich ging meine übliche Route Richtung U-Bahn Station. Als ich von der Hauptstraße in eine Nebengasse einbog sah ich in einer Hofeinfahrt ein paar Kinder Fußball spielen. Sie waren nicht älter als zehn oder elf und rannten wild schreiend hinter einem zerfetzten Lederball her. Das Spiel war chaotisch und unkoordiniert – hätten sie nicht ein paar Mülltonnen als Tore verwendet könnte man es gar nicht als Fußball identifizieren – aber es machte ihnen Spaß. An so etwas einfachem konnten nur Kinder Spaß haben, sie hatten keine Sorgen, mussten kein Geld verdienen oder sich mit Kopfschmerzen plagen oder Steuererklärungen schreiben, sie könnten auf immer und ewig so weiter spielen und würden Spaß daran haben bis die Sonne unterging und ihre Mütter sie ins Haus rufen würden. In solchen Momenten wünscht sich jeder alte Mann noch einmal so jung zu sein. Aber jeder, der noch geistig gesund ist, weiß, dass man die Zeit nicht zurückdrehen kann und es nie können wird. Die Kindheit geht vorbei, und nachher ist es nichts weiter als ein schöner Traum. Es machte mir trotzdem Freude ihnen zuzusehen, aber ich musste weiter um meinen Zug zu erreichen. Dann jedoch sah ich ein kleines Mädchen, dass traurig auf dem Bordstein saß und mit hohlem Gesicht in eines dieser kleinen Geräte – Gameboy nennt man die Dinger glaube ich – starrte. In diesem Moment vergaß ich die U-Bahn, und setzte mich neben sie.
„Hallo, junge Dame,“ sagte ich in meinem freundlichsten Tonfall.
Sie würdige mich keines Blickes, spielte weiter mit ihrem Gameboy und brachte schließlich doch ein verhaltenes „Hi!“ heraus.
„Warum spielst du denn nicht mit den anderen?“ fragte ich.
„Darf nicht,“ sagte sie abgehackt.
„Aber wieso denn nicht?“
„Fußball is’ nix für Mädchen,“ meinte sie, weiterhin in ihr Spiel vertieft.
„Das ist doch gar nicht wahr,“ sagte ich, „wer behauptet denn so etwas?“
Da sie nicht antwortete redete ich einfach weiter. „Möchtest du vielleicht einen Trick sehen?“
„Hmm?“
„Einen Zaubertrick.“
„Nein, Danke.“ Ohne aufzusehen.
„Ich könnte eine hübsche Blume hervorzaubern, wenn du willst. Magst du Blumen?“
„Nein, ich will nicht!“ sagte die Kleine ziemlich genervt, stand auf, überquerte anmutig die Straße und verschwand in einer offenen Garage. Enttäuscht erhob ich mich – mein Rücken protestierte erfolglos dagegen – und ging. Ich flüchtete mich in die U-Bahn, dachte nach und war zeitweilig den Tränen nahe. Es ist idiotisch und lächerlich deswegen zu heulen, aber dieses Ereignis machte mir klar, dass ich mein ganzes Leben lang einer Illusion nachgelaufen bin. Wahrscheinlich war die Kleine nur zu sehr in ihr Spiel vertieft, aber erstens will ich das nicht glauben, und zweitens würde es mich nicht trösten.
Um es kurz zu machen, ich habe gekündigt.
Ich habe den Job nur noch gemacht, weil ich immer dachte meine Show könnte gelegentlich wenigstens einem Zuschauer gefallen. Aber vermutlich habe ich mir das nur eingeredet. Die Kleine hat mir das heute bewiesen.
Das ich völlig überzogen reagiere muss man mir nicht extra sagen. Vielleicht erfreute es sogar wirklich ein paar Leute, von mir verarscht zu werden. Aber ich fühle mich dennoch nutzlos, und mir wurde heute gezeigt, dass ich es auch bin. Und mit diesem Gefühl kann ich einfach nicht weiter arbeiten. Ich könnte keinen Fuß mehr auf die Bühne setzten und der Blick eines Zuschauers – ob nun gespannt oder voll Langeweile – wäre wie ein Schlag in mein Gesicht. Wie es jetzt weitergehen soll weiß ich nicht.
Fürs erste werde ich mich wohl ein paar aufgewärmten Würstchen und einer Flasche Bourbon widmen. Scheiße, mein Schädel brummt schon jetzt wie bei dem schlimmsten Kater meines Lebens.
Wochenprogramm des Restaurants Le Gourmet in Burgheim:
Montag: Johnny and the Blue Monkeys spielen live ab 18.30 Uhr
Dienstag: Ab 19.00 Uhr spielt die H. G. Mills Band.
Mittwoch: Ein Geigenvirtuose von Weltformat: Greg Donalds ab 20.30 Uhr
Donnerstag: Das Tanz- und Gesangsensemble Starlight von 18.30 – 19.15 Uhr
Freitag: Ab 20.00 Uhr beste Unterhaltung mit Entertainer und Musiker Willi Willinger
Samstag: Es spielt bereits ab 18.00 Uhr für sie die Beatles Revival Band
Sonntag: Geschlossen.
Aus dem Tagebuch von Alessandro Donatelli
(Teilweise in Auszügen)
24.04.1997
Schon wieder ein erfolgloses Vorstellungsgespräch. Ich will mir nichts vormachen, denn in meinem Alter finde ich wohl kaum einen neuen Job. Vielleicht etwas mit einer euphemistischen Bezeichnung wie Raumpfleger, aber auch nicht mehr. Jedenfalls kann ich meine Sammlung ab heute um ein weiteres „Wissen sie Herr Donatelli, wir haben natürlich sehr viele Bewerber für diese Position, aber wenn die Wahl auf sie fallen sollte melden wir uns.“ erweitern. Erst jetzt ist mir klargeworden wie nahe ich schon immer vor dem Abgrund stand. Ich spiele mit dem Gedanken nach Italien zurückzukehren. Hier habe ich niemanden, keine Freunde, keine Familie, nur eine kleine Mietwohnung, deren Heizung andauernd repariert werden muss. Außerdem ist der Abfluss im Bad wieder verstopft, ich sollte den Vermieter morgen darauf ansprechen.
Ich könnte daheim bei meiner Mutter wohnen und für sie sorgen. Es geht ihr in letzter Zeit nicht so gut, und sie würde sich freuen mich zu sehen. Vielleicht werde ich das sogar tun, aber ich komme mir wie ein Feigling vor, wenn ich einfach davonlaufe und ins Hotel Mama flüchte. Aber ich werde darüber nachdenken. Dafür habe ich ja jetzt genügend Zeit.
29.04.1997
Seit vorgestern arbeite ich als Reinigungskraft in einer Grund- und Hauptschule im Südwesten der Stadt. Die Bezahlung ist erbärmlich, aber ich werde wohl oder übel damit auskommen müssen. Die meiste Zeit verbringe damit Klassenzimmer sauber zu machen, und zu kehren. Außerdem müssen die Turnhallen einmal pro Woche gewischt werden. Das ist zwar anstrengend, aber nicht weiter schlimm. Die wirkliche Drecksarbeit erwartet einen auf den Toiletten. An meinen beiden Arbeitstagen bisher war mindestens eine Toilette mit einer Mischung aus Klopapier, Scheiße und weiß der Teufel was noch verstopft. Ich habe mit einer etwas jüngeren Polin gesprochen, die meinte ich hätte damit noch Glück gehabt. Sie arbeitet einen Stock über mir, und sagt dort wäre es um einiges schlimmer. Die Spiegel seien andauernd beschmiert, und die Lieblingsbeschäftigung der Schüler scheint es zu sein die Waschbecken zu verstopfen und zum Überlaufen zu bringen. Sie erzählte mir auch, dass eine Kollegin einmal alle Waschbecken und den halben Flur mit Scheiße beschmiert vorgefunden habe. Sonderlich viel würde mir das nicht einmal ausmachen, aber es ist auch nicht gerade das wovon ich als Kind geträumt habe. Aber mit meinem Traum bin ich gehörig auf die Schnauze gefallen, und das habe ich jetzt davon.
Später:
Ich war soeben bei Dr. Becker. Wegen meinen Kopfschmerzen. Er meinte es könne Migräne sein, aber er würde mich zu ein paar Routineuntersuchungen am 2. Mai nach Magdeburg schickten. Ich sagte, dass sei unnötig, denn ich wüsste was es sei. Er erklärte mir lang und breit, dass die Anlagen für einen Gehirntumor zwar vererbt werden können, aber wenn mein Vater mit 32 daran gestorben sei, so könne ich ihn wohl kaum geerbt haben. Ich fragte warum. Er sagte, dass der Tumor ansonsten schon längst bei mir ausgebrochen wäre. Ich erklärte grinsend, dass er wohl jetzt gerade ausgerochen ist. Dr. Becker redete noch eine Weile auf mich ein, aber ich glaube er wollte mich nur beruhigen. Er meinte ich solle doch erst einmal die Testergebnisse abwarten. Nun, das werde ich tun, aber wenn es ein Tumor ist, so werde ich ihm zuvorkommen. Ich weiß welche Höllenqualen mein Vater litt, und im Ertragen von Schmerz war ich noch nie besonders gut.
30.04.1997
Gestern Abend rief Tante Zelda an. Meine Mutter ist gestorben. An den Folgen eines Schlaganfalls, im Krankenhaus. Dem dritten (Schlaganfall, nicht Krankenhaus) in den letzen zwei Jahren. Während des Gesprächs, und etwa 10 Minuten danach bewahrte ich die Fassung. Dann brach alles über mich herein. Der Grund warum ich dies erst jetzt schreibe ist, dass ich vorher nicht in der Lage dazu war. Ich fiel in einen Sessel und heulte wie ein kleines Kind etwa zwei Stunden lang. Genau kann ich es nicht sagen. Ich brauchte ein wenig um zu realisieren, dass sie tot war – nicht verreist oder verschwunden oder sauer auf mich weil ich ihren Geburtstag vergessen habe (damals wollte sie zwei Wochen lang kein Wort mit mir reden) sondern tot – aber dann traf der Schmerz mich wie eine Granate. Ich habe keine Ahnung, wie lange ich nur heulte und nachdachte, aber irgendwann ging ich ins Badezimmer und schluckte vier Schlaftabletten, und nach kurzem Überlegen eine fünfte. Ich weiß, dass ich maximal eine oder zwei davon nehmen dürfte (es steht auch in roten Lettern auf dem Beipackzettel) aber die Folgen waren mir egal. Sollte ich doch an einer Überdosis Dormocin sterben. Es wäre mir sogar recht gewesen. Ihr Tod hatte eine Leere in mir – um es poetisch zu sagen, in meinem Herzen – hinterlassen, und bis jetzt habe ich nichts gefunden, um sie aufzufüllen. Im Gegenteil, sie wird immer größer. Wie auch immer, ich starb nicht. Dafür kotzte ich mein eigenes Bett und das ganze Badezimmer voll.
Ich mache mir selbst die größten Vorwürfe, weil ich nicht bei ihr war. Ihr Tod kam ja nicht aus heiterem Himmel. Wann habe ich sie das letzte Mal besucht? Zu Weihnachten. Oh Gott, wie bleich sie schon damals war. Aber sie freute sich so, mich zu sehen. Die meiste Zeit verbrachte sie im Bett und las, aber an Heiligabend bestand sie darauf die Gans selbst zu kochen. Sie sagte meine Kochkünste würden sie eher ins Grab bringen, als das bisschen Anstrengung.
Wieso musste sie alleine sterben? Warum konnte ihr einziger Sohn nicht bei ihr sein? Das schlimmste ist, dass ich tatsächlich mit der Idee gespielt habe, zu ihr zu gehen. Aber ich hielt mich für einen Feigling. Offensichtlich ist es manchmal doch besser davonzulaufen.
Tante Zelda sagte, die Beerdigung sei in zwei Wochen, und fragte, ob ich kommen könnte. Ich sagte ich wüsste es nicht, und das ist die Wahrheit. Ich möchte von ganzem Herzen hinfahren, weiß aber nicht ob ich es ertragen kann ihren Sarg zu sehen, und die vorwurfsvollen Augen dahinter, die fragen ‚Wo warst du?’. Und ob ich allen Verwandten in die Augen sehen könnte und sagen ‚Ich habe sie geliebt’. Möglicherweise wird sich das alles erübrigen, weil [...]
...
02.05.1997
Ich fuhr frühmorgens mit dem Zug nach Magdeburg und verpasste meine Haltestelle, weil ich während der Fahrt einschlief und von Mutter träumte. Ich war gerade dabei ihr auf dem Feld zu helfen, und wir fuhren mit dem Zweispänner eine Ladung Kartoffeln in die Scheune. Ich saß mittendrin und war vollkommen mit Erde beschmiert und die Sonne brannte auf mich herab. Mein Vater saß vorne, und versuchte die Pferde auf dem rechten Weg zu halten, denn aus irgendeinem Grund wollte sie überallhin aber nicht geradeaus. Aber er war nichts weiter als eine schattenhafte Gestalt in meinen Träumen, und meistens sah ich ihn nur von hinten. Und während wir gerade in die Scheune hineinfuhren nahm ich neben dem erdigen Geruch der Kartoffeln auch noch einen anderen war. Hühnersuppe! Ich blickte zum Küchenfenster, und dort stand meine Mutter mit dieser altmodischen Schürze und vor ihr auf der Herdplatte dampfte ein Kochtopf vor sich hin. Sie lächelte und winkte mir zu. Ich wollte gerade zurückwinken, als eine mechanische Stimme, die von überall zu kommen schien „Magdeburg Südbahnhof“ brüllte. Einen Moment ließ mich der Traum nicht los und ich saß weiterhin auf den Kartoffeln und winkte meiner Mutter zu. Als ich endlich begriff, was los war fuhr der Zug schon wieder.
Ich stieg also am Hauptbahnhof, und kam mit einem Taxi ohne nennenswerte Verspätung im Klinikum Ost an. Dort verbrachte ich eine halbe Ewigkeit im Wartezimmer, bis man endlich mit den Untersuchungen anfing. Man steckte mich vorwärts, rückwärts und seitwärts in alle möglichen und unmöglichen Geräte, nahm Blut- und Urinproben (ich hasse es, auf Kommando zu pissen) machte Röntgenbilder und weiß der Teufel was noch alles. So ähnlich hatte ich mir auch die Arbeit von Dr. Frankenstein vorgestellt. Wie auch immer, ich kam lebend aus diesem weißen Betonbau heraus, und man sagte die Ergebnisse lägen nächste Woche meinem Arzt vor. Ich bedankte mich und ging.
05.05.2002
Ich bin ein Feigling.
Heute morgen rief Dr. Becker persönlich an, und sagte ich solle Nachmittags in seine Praxis kommen. Die Ergebnisse aus Magdeburg wären eingetroffen. Wir vereinbarten einen Termin für halb sechs, und schon das beunruhigte mich, denn für gewöhnlich schließt er um fünf. Ich ging hin, und während die Schwestern Akten sortierten und aufräumten bat er mich ins Sprechzimmer. Um es kurz zu machen, ich habe tatsächlich Krebs. Wir redeten fast eineinhalb Stunden, und er erzählte mir, dass der Tumor auch gutartig sein könnte oder nicht aktiv, aber man müsste weitere Untersuchungen durchführen. Eigentlich sollte ich jetzt geschockt sein, aber das bin ich nicht. Schließlich habe ich ja schon damit gerechnet. Wir sprachen über mögliche Heilungschancen und Operationen, darüber wie sich so ein Tumor entwickeln könnte, über Hilfsstellen an die ich mich wenden könnte und über viele andere Dinge. Ich hörte kaum zu. Wir verabschiedeten uns, und Dr. Becker sagte mir er würde mich bezüglich eines Termins für weitere Tests anrufen.
Ich nahm nicht meinen üblichen Weg nach Hause, sondern ging mehr oder weniger ziellos durch die Straßen, bis es dunkel wurde. Irgendwann landete ich auf der Schillerbrücke und dort kam mir der einfachste und logischste Gedanke der Welt. Springen. Nicht mitten in den Fluss, sondern am Ufer, wo ich höchstwahrscheinlich auf der Stelle tot wäre, ohne etwas zu spüren. Wieso zur Beerdigung meiner Mutter gehen, wenn ich ihr auch gleich folgen könnte? Wieso dieses elende Leben mit diesem elenden Job weiter fristen? Und wieso qualvoll an einem Tumor sterben? Ich wartete bis keine Leute mehr in der Nähe waren, dann stieg ich auf das Geländer. Ja, wieso denn nicht? Was hielt mich noch am Leben. Nichts. Keine Frau, keine Kinder, keine Mutter, keine Freunde. Es war die einfachste und beste Lösung. Wahrscheinlich wäre ich tatsächlich gesprungen, hätte ich nicht nach unten gesehen. Aber auf einmal traf mich ein Gefühl von Schwindel und Angst und Hoffnungslosigkeit so heftig, dass ich fiel. Aber nicht nach vorne in die erlösende Tiefe, sondern nach hinten auf den harten Asphalt. Ich stieß mir den Kopf, und als ich mich wieder aufrappelte und immer noch Sterne sah konnte ich es nicht mehr tun. Schon allein der Anblick der Geländers, des Flusses darunter, der Höhe dazwischen und den scharfen Steinen am Ufer auf die ich mich stürzen wollte versetzte mich derart in Angst, dass ich es nicht konnte.
Ich bin zu feig zum Leben, und auch zu feig zum sterben.
Ich ging nach Hause, deprimiert und niedergeschlagen wie nie zuvor. Was mich davon abhielt es mit Dormocin – nicht nur fünf Tabletten, sondern der ganzen Packung – und dazu ein paar Antibiotika und Aspirin noch einmal zu versuchen war eine Idee, die mir irgendwann an der Kreuzung Goethestraße – Pestalozzistraße kam. Und je mehr ich darüber nachdenke, desto genialer finde ich sie. Ich werde nicht kleinlaut mit einer Überdosis Tabletten in meinem Bett von dieser Welt gehen, sondern mit einem Paukenschlag. Und wenn es klappt, umso besser. Dann werde ich wohl nach Italien gehen, und bei meiner Tante leben. Vielleicht [...]
...
06.05.2002
...
Ich habe soeben beim kleinsten und billigsten Zirkus der in der Stadt gastiert angerufen. Es überrascht mich doch, wie leicht es war diesen Gastauftritt zu bekommen. Der Termin ist schon diesen Freitag. Alles was ich brauche wird mir bereitgestellt. Die gezahlte Gage ist erbärmlich, aber was soll’s? Darum geht es ja ohnehin nicht.
Die Würfel sind also gefallen. Ich werde es versuchen. Der Paukenschlag ist in der Vorbereitung, sozusagen. Ich hoffe nur, dass es klappt. Obwohl, wenn nicht, so sterbe ich lieber unter dem Applaus, und den ungläubigen und erstaunten Gesichtern des Publikums, als einsam und heimlich. Und wenn der Trick gelingt, nun, dann habe ich einmal im Leben alle mit meiner Zauberei verblüfft. Sie werden wie ich damals als Kind nicht mehr aus dem Staunen herauskommen, und sich fragen, wie ich es gemacht habe. Aber dieses mal wird der Trick nicht verraten. Weil ich schon übermorgen auftrete ist es wohl unwahrscheinlich, dass es so etwas wie eine Generalprobe gibt, und das ist gut so. Ich habe diesen Trick noch nie versucht, und ich kann ihn auch nicht proben.
Ich werde jetzt am Frankfurter Flughafen anrufen, und einen Flug nach Rom buchen. Schließlich bin ich zur Beerdigung am 14. Mai eingeladen. Falls ich an diesem Tag noch lebe.
...
Werbeplakat des Zirkus Brink (an verschiedenen Orten ausgehängt):
Eine einmalige und faszinierende Show die ihresgleichen sucht!
Artistische Meisterleistung, spannende Dressuren und
ein vielseitiges Programm erwarten sie im
-- Zirkus Brink --
Nur noch diese Woche am Festplatz
Eintritt:
- Erwachsene 7 DM
- Kinder (bis 16 Jahren) 5 DM
- Familien (2 Erwachsene mit max. 2 Kindern) 18 DM
-
Dazu exklusiv ein Gastauftritt des großen Fellini, bekannt aus dem Le Gourmet, am 09.05.1997
Vorstellungen täglich um 19.00 Uhr, Freitags zusätzlich um 15.30 Uhr, sowie Samstags um 21.30 Uhr!!!
Kommen und staunen sie!
Aus dem Tagebuch von Alessandro Donatelli
08.05.1997
Der große Tag rückt immer näher. Ich bin nervös wie ein Schuljunge vor seinem ersten Kuss. Und im Grunde ist es ja fast das Gleiche. Es ist der erste waghalsigste, gefährlichste und spektakulärste Zaubertrick den ich in meinem Leben vorgeführt habe.
Bleibt nur die Frage für wen ich das tue. Für mich? Ja, zum Teil. Irgendjemand hat einmal gesagt jeder sei 15 Minuten in seinem Leben berühmt, und diese 15 Minuten fordere ich jetzt ein. Aber vor allem brauche ich die Selbstbestätigung. Ein einziges Mal alle zum Staunen bringen, und in ihre fragenden Augen sehen, dass ist es was mir noch fehlt, bevor ich gehen kann. Und dann würde ich mich nicht mehr als Feigling fühlen der vor allem davonläuft, sondern könnte erhobenen Hauptes von der Welt gehen.
Oder tue ich es für meine Mutter? Möglicherweise auch, denn sie wäre mit Sicherheit stolz gewesen, gerade weil sie nie viel von meiner Zauberei hielt. Na ja, ob ich auf meine alten Tage noch ein Kaninchen aus dem Hut bekomme wird sich morgen zeigen.
Auszug aus der Mitschrift der Zeugenvernehmung auf der Polizeiwache Burgheim
Vernehmender Beamter: Hermann Gabler
Zeuge/in: Gisela Steinmetz
Aktenzeichen: DF6433-G887
Datum: 11.05.1997
...
G.: Sie waren also bei der Vorstellung am Freitag, dem 9. Mai 1997 im Zirkus Brink anwesend, richtig?
S.: Ja, genau. Ich ging mit meiner Freundin Caro dahin, um mir die Vorstellung anzusehen und wir denn mein Mann hatte an diesem Tag wieder seinen Kegelabend, und ich wollte die Zeit nicht vor dem Fernseher totschlagen.
G.: Verstehe. Wann trafen sie am Zirkus ein?
S.: Na ja, wir kamen kurz nach halb sieben, damit wir bessere Plätze ergattern konnten. Aber wissen sie, das war an diesem Abend gar nicht nötig, denn...
G.: Und wo saßen sie dann genau?
S.: Ja also, gleich neben dem Eingang in der zweiten Reihe, wir wollten nicht in die Erste weil da vielleicht von den Tieren die da rumlaufen Dreck hoch spritzen könnte, sie wissen doch, bei diesen Dressurnummern.
G.: Waren sie auch bei dem Auftritt von Alessandro Donatelli anwesend?
S.: Wer?
G.: Dem großen Fellini?
S.: Oh ja, und ich sage ihnen, den Burschen verges’ ich nicht so schnell. So was hab ich noch nicht erlebt, mir ist das Herz fast stehen geblieben und in die Hose gerutscht. Und die alte Frau neben mir erst. Die bekam einen richtigen Schock und musste in Krankenhaus. Und was die Leute geschrieen haben, als sie begriffen haben, [...]
...
Vernehmender Beamter: Hermann Gabler
Zeuge/in: Dieter Brink
Aktenzeichen: DF6433-G887
Datum: 11.05.1997
...
G.: Herr Brink, sie sind Inhaber und Leiter des Zirkus Brink?
B.: Jawohl.
G.: Und sie waren für den Auftritt von Herrn Donatelli verantwortlich?
B.: Inwiefern verantwortlich?
G.: Organisatorisch.
B.: Nun, er hat am... äh ich glaube Dienstag bei uns angerufen, und Frau Rittling stellte ihn durch. Er sagte er wäre daran interessiert mal bei uns aufzutreten.
G.: Und wie reagierten sie auf diese Anfrage?
B.: Ich sagte ihn dies sei schon möglich. Wissen sie, Herr Donatelli hat ja bis vor kurzen in diesem Restaurant gearbeitet. Ich war eines Abends dort mit meiner Frau essen, und seine Verstellung hat mir recht gut gefallen. Ich dachte wir könnten ihn schon irgendwann mal ins Programm reinschieben. Einer unserer Artisten hat sich letzte Woche verletzt, und muss für eine Weile pausieren.
G.: Sind solche Gastauftritte denn im Zirkusgeschäft üblich?
B.: Ich würde mal sagen nicht unüblich. Wenn wir in einer Stadt gastieren treten schon manchmal lokal ansässige Künstler bei uns auf. Aber meistens gehen wir auf die betreffenden Personen zu, und nicht umgekehrt.
G.: Verstehe. Und inwiefern haben sie Herrn Donatelli vergütet?
S.: Na ja, ich bot ihn am Telefon eine Gage an, und er akzeptierte sofort. Das hat mich schon ein wenig gewundert, denn das Geschäft läuft gerade nicht so gut, und wir können nicht allzu viel zahlen, aber es schien ihm nichts auszumachen.
G.: Hatte sie den Eindruck, dass er überhaupt an der Bezahlung interessiert war?
S.: Jetzt wo sie es erwähnen, nein, eigentlich nicht.
...
Vernehmender Beamter: Hermann Gabler
Zeuge/in: Dr. John Becker
Aktenzeichen: DF6433-G887
Datum: 11.05.1997
...
G.: In welchem Gesundheitlichen Zustand befand sich Herr Donatelli zum betreffenden Zeitpunkt?
B.: Kommen sie, sie wissen doch genau, dass ich ihnen das nicht sagen darf.
G.: Nun, Dr. Becker, wir wissen aus verlässlicher Quelle, dass Herr Donatelli an einem Gehirntumor litt. Ist das richtig?
B.: Ich kann ihnen hierzu wirklich keine Auskunft erteilen.
G.: Gut, ich verstehe. Eine andere Frage, wie stehen die Heilungschance bei einem Gehirntumor?
B.: Das kommt natürlich ganz auf den spezifischen Fall an, und auf den Tumor, wie schnell er wächst, und wie früh er erkannt wurde.
G.: Würden sie sagen, dass ein Patient mit dieser Krankheit eher gute, oder eher schlechte Aussichten auf eine Genesung hat, Dr. Becker?
B.: In jedem Fall eher schlechte. Aber wie gesagt hängt es von sehr vielen Faktoren ab, ob eine Therapie...
G.: Und haben sie als Arzt die Erfahrung gemacht, dass Menschen mit einer tödlichen Krankheit häufiger zu Suizid neigen, als gesunde Menschen.
B.: Genau kann ich das nicht sagen, denn mir liegen keine Statistiken vor, und ich behandle kaum Patienten mit tödlichen Krankheiten. Aber im Allgemeinen ist das schon richtig. Hören sie, ich weiß, worauf sie hinaus wollen, aber das ist doch völlig absurd.
G.: Beantworten sie bitte nur die Fragen und überlassen sie uns das Mutmaßen. Verläuft denn eine Erkrankung an einem Gehirntumor im Normalfall für den Patienten eher schmerzhaft, oder nicht?
B.: Wissen sie auch das hängt sehr stark von den spezifischen Merkmalen des Tumors ab, doch...
G.: Im Normalfall. Ja, oder nein?
B.: Ich glaube schon, ja.
G.: Glauben sie, dass Herr Donatellis ‚Unfall’ in Wirklichkeit ein Selbstmord, begründet durch seine unheilbare Krankheit sein könnte?
B.: Die ärztliche Schweigepflicht verbietet es mir, ihnen...
G.: ... etwas darüber zu sagen. Ich verstehe. Danke, Doktor, sie haben uns sehr geholfen.
Vernehmender Beamter: Hermann Gabler
Zeuge/in: Anton Reichel
Aktenzeichen: DF6433-G887
Datum: 11.05.1997
...
G.: Alessandro Donatelli war bis zum 16. April in ihren Restaurant tätig, ist das korrekt?
R.: Ja, das stimmt.
G.: Im Le Gourmet, Ulmenstraße 13?
R.: Ja.
G.: Worin bestand seine Arbeit bei ihnen?
R.: Seine Show war jeweils Dienstag um sieben. Wissen sie, wir haben eine Bühne in unserem Restaurant, und dort treten täglich verschiedene Künstler auf, um unsere Gäste zu unterhalten, während sie auf ihr Essen warten.
G.: Und woraus bestand seine ‚Show’?
R.: Hauptsächlich Zauberkunststücke und Entertainment.
G.: Wie lange hat Herr Donatelli für sie gearbeitet?
R.: Etwa dreieinhalb Jahre, aber auf den Tag genau weiß ich es natürlich nicht.
G.: Aha. War unter den Zauberkunststücken die er aufführte jemals ein mit dem von Freitag vergleichbarer Trick?
R.: Nein, nicht das ich wüsste.
G.: Kein einziger Entfesselungstrick?
R.: Keiner.
G.: Glauben sie, dass Herr Donatelli überhaupt in der Lage gewesen wäre, eine derartige Entfesselungsnummer erfolgreich durchzuführen?
R.: Ehrlich gesagt, nein.
...
Vernehmender Beamter: Hermann Gabler
Zeuge/in: Dr. Friedhelm Tamm
Aktenzeichen: DF6433-G887
Datum: 11.05.1997
...
G.: Und Herr Donatelli wurde um 20.30 bei ihnen eingeliefert?
T.: Ja, es muss um die Zeit gewesen sein.
G.: Könnten sie uns die Situation etwas genauer beschreiben?
T.: Nun, ich hatte an diesem Abend Bereitschaftsdienst, und etwa zehn vor halb wurde mir mitgeteilt, dass ein Notfall gleich mit dem Krankenwagen hereinkäme. Ich und ein paar andere Ärzte bereiteten dann in der Notaufnahme alles für die Wiederbelebungsmaßnahmen vor...
G.: Werden denn keine ambulanten Maßnahmen durchgeführt?
T.: Oh, doch, aber wir sind natürlich im Krankenhaus dafür deutlich besser ausgerüstet. Der Patient wurde dann kurze Zeit später eingeliefert und sofort in die Notfallaufnahme gebracht.
G.: Aber auch dort war die Wiederbelebung nicht erfolgreich?
T.: Nein, wir haben alles versucht, aber es war wie verhext. Wir...
G.: Ist in der Regel eine solche Behandlung denn erfolgreich? Unter diesen Umständen?
T.: In der Regel ist wohl der falsche Ausdruck, aber da der Rettungswagen sehr schnell vor Ort war, und der Patient nicht allzu lange unter Wasser war... in diesem Fall stehen die Chancen gar nicht schlecht.
G.: Und woran würden sie sagen ist Herr Donatelli gestorben?
T.: Er ist ertrunken. Was soll denn die Frage? Das ist doch offensichtlich, wenn [...]
...
Aus der Lokalzeitung
Tragischer Unfall bei Entfesselungstrick
Bei einem Gastauftritt im Zirkus Brink verunglückte der stadtbekannte Magier Fellini während eines spektakulären Entfesselungstricks tödlich.
Der 56-jährige ließ sich während der Show, mit einer Zwangsjacke gefesselt, kopfüber in einen Wassertank tauchen, aus dem er sich binnen zwei Minuten wieder befreien wollte. Der Tank wurde mit einer Plane zugedeckt, doch als man diese nach Ablauf der Zeit wieder entfernte, in der Erwartung Fellini wäre aus dem Tank verschwunden und würde irgendwo anders zum Vorschein kommen, hing der gebürtige Italiener immer noch regungslos in dem Wasser.
Was die Zuschauer anfangs noch für einen Teil der Vorführung hielten entpuppte sich als tödlicher Ernst. Auch der sofort herbei gerufene Rettungswagen konnte nicht mehr helfen. „Es war schrecklich,“ erinnert sich eine Zeugin, „als wir begriffen, dass er wirklich ertrunken war brach einfach Panik aus. Überall hörte man Menschen schreien, und manche stürmten [...]
...
Auszug aus der Mitschrift der Zeugenvernehmung auf der Polizeiwache Burgheim
Vernehmender Beamter: Hermann Gabler
Zeuge/in: Özgür Sükrye
Aktenzeichen: DF6433-G887
Datum: 13.05.1997
...
G.: Ich nehme an, Herr Sükre...
S.: Sükrye.
G.: … sie haben der Presse entnommen, was vorgestern Nacht passiert ist?
S.: Ja, ich weiß. Die Leiche von die Zauberer wurde gestohlen.
G.: Und sie waren an diesem Abend der zuständige Nachtwächter in der Leichenhalle, ist das richtig?
S.: Ja, ich bin gewesen.
G.: Sie sind was gewesen?
S.: Die Nachtwächter.
G.: Ah. Sagen sie, wo werden die Leichen aufbewahrt?
S.: Keller, in die große Kühlraum.
G.: Und wie viele Zugänge gibt es zum Keller?
S.: Nur einen, jawohl.
G.: Und können sie mir dann erklären, Herr Sükery, wieso sie in ihrer Tätigkeit als Nachtwächter von der ganzen Sache nichts mitbekommen haben?
S.: Nein, Sir, ich nicht wissen.
G.: Es ist aber ihr Job etwas mitzubekommen. Wie zum Teufel kann jemand in die Leichenhalle eindringen und unbemerkt einen Toten mitnehmen? Wie?
S.: Ich nicht wissen.
G.: Sie müssen es aber wissen! Sind sie verdammt nochmal während des Dienstes eingeschlafen?
S.: Nein, ich das niemals tun.
G.: Oder waren sie auf dem beschissenen Klo? Sie wollen mir doch nicht erzählen, dass sich eine Leiche in Luft auflösen kann?
S.: Natürlich, ich sein gewesen auf die Toilette, ein- oder zwei Mal.
G.: Also könnte doch jemand in dieser Zeit eingedrungen sein?!
S.: Nein, Sir. Wäre alles auf die Videobänder von der Kamera drauf, und ich haben mir angesehen, da ist keiner drauf, nein kein Leichenräuber. Habe Kopie, Sir, wenn sie sehen wollen.
G.: Ich scheiß auf ihre Videobänder! Wenn, wie sie sagen, niemand die scheiß Leiche aus dem Keller entfernt hat, Herr Sakry, wo zum Henker ist sie dann???
S.: Ich nicht wissen.
...
Alphabetische Passagierliste des Lufthansafluges Nr. 423 Frankfurt – Rom am 11.05.2002
Name Sitzplatznummer
Albert, Dieter 12
Albert, Helga 13
Auer, Katharina 25
Brogner, Hermann 33
Brogner, Michael 31
Brogner, Olga 32
Bastürk, Ümit 4
Cobrovski, Vladimir 17
Dietert, Anelli 29
Donatelli, Alessandro 43
Dugbert, Carolin 51
…
Aus der Bild-Zeitung von 30.6.1997 (Seite 1)
Fellini lebt!!!
Nach dem mysteriösen Verschwinden seiner Leiche wurde der große Fellini in Italien gefunden – lebendig!
Nach Jesus und Lazarus ist nun Alessandro Donatelli von den Toten auferstanden! Wie gestern bekannt wurde [...]
...