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felder
„Es gab eine Zeit, in der bin ich früh schlafen gegangen“, habe ich gesagt. Es war September, vielleicht auch Oktober, ich stand in einem Supermarkt, ich wollte Obst kaufen, Mangos, Granatäpfel, Melonen. Ich stand vor dem Obst und du standest neben mir. Du hattest Toastbrot in der Hand. Ich habe dich angeguckt und du hast genickt. Ich habe dich angeguckt, du sahst erholt aus und fröhlich. Ich sah müde aus. Ich habe gesagt: „Ich bin jeden Abend früh schlafen gegangen, tut mir leid, ich war so müde.“, und habe gedacht, das ist eine Lüge und du wirst es wissen. Ich habe dort in diesem Supermarkt gestanden und habe gedacht: Und es interessiert dich nicht wirklich.
Ich habe lange Zeit auf dem Bett gelegen, überfüllter Aschenbecher, Wasser, Sirup. Ich habe dort gelegen und diesen Raum beschaut, ein Tisch stand da, Papier darauf, Fotografien hingen da, ein Spiegel. Ja, die Zeit war lang, in der ich auf dem Bett gelegen habe. Ich hatte nichts zu tun und ich wollte auch nichts tun. Ich wollte nur dort liegen und diesen Raum beschauen. Ich habe also auf diesem Bett gelegen, jeden Tag und auch die Nacht, ich habe immerzu Wasser mit Sirup getrunken und Zigaretten geraucht. Manchmal bin ich nach draußen gegangen um Sirup zu kaufen und Obst und manchmal habe ich auch einfach nur das Fenster aufgemacht. Ich habe keine Musik gehört, ich habe nichts gelesen. Ich habe nur auf diesem Bett gelegen und gedacht: Ihr beide in diesem Feld und es ist noch hell; ihr beide zwischen den Weizen.
In der Küche stehend erzählst du Anekdoten aus dem letzten Norwegenurlaub – wie du ins Tal gerannt, schwimmen gegangen bist, Himbeeren pflücken am Wegrand, all diese Dinge. Das Radio läuft und du lachst laut und holst immerzu irgendwelche Dinge aus dem Kühlschrank, gießt uns roten Wein ein und zeigst mir auf der Karte, wo du warst und legst Steine auf den Tisch, getrocknete Algen, Mitbringsel.
Ich backe Kuchen und mir tun die Beine weh. Ich verrühre Mehl, Milch, Wasser zu einem klumpigen Teig, schütte die Pampe in eine Form, 220°C, vorgeheizt und ich weiß nicht mehr, wann das Warten begann und wie. Du erzählst von den Fjorden und dass auch dort die Häuser rot angestrichen sind und in Oslo bekommt man am Hafen kein Bier unter umgerechnet vier Euro. Du erzählst von der Überfahrt, von den Bahnhöfen, trinkst den ganzen Wein alle, änderst ständig die Sender und fragst, ob ich die Briefe bekommen habe, ich sage: „Ja, danke“ und du gehst und ich lasse den Kuchen im Backofen verbrennen.
Ein Tag im Mai und du hast angerufen und du hast gefragt, ob sie dich mag und ob Norwegen ein schönes Land ist, für einen gemeinsamen Urlaub. Ich habe gesagt: „Denke schon.“ Und ob das wichtig ist. „Ja, das ist es.“, hast du geantwortet und ich habe aufgelegt. Ich habe in meiner Küche gestanden und das ganze Geschirr abgewaschen, ich habe den Kühlschrank saubergemacht, die Schubkästen der Kommode, den Boden gewischt. Ich habe in meiner sauberen Küche gestanden und gedacht: Dann fahrt ihr also dahin. Dann fahrt ihr also nach Norwegen und es wird nicht dunkel werden, dann fahrt ihr auf die Lofoten und lest immerzu Reiseführer und sitzt in den Zügen und die Seen ziehen vorbei.
Vielleicht begann das Warten schon da.
Als ihr dann dort wart, habe ich mich abgelegt zwischen weißen Laken in ein weißes Zimmer mit weißem Licht; es gab nur diesen Raum. Ich habe dort gestanden und die Wände angeguckt, ich habe die Fotogafien abgenommen und wieder hin gehangen. Ich habe dort gestanden und aus dem Fenster gesehen. Ich habe auf die Straße geblickt und auf dem Fensterbrett gesessen, ich habe die Nacht beobachtet und wie die Blätter von den Bäumen sich verfärben und wie die Blätetr von den Bäumen fallen und wie die Jacken immer dicker werden. Ich habe am Tisch gesessen und Papier beschrieben. Niemand kam zu Besuch, niemand rief an, manchmal ist ein Brief gekommen, vollgepackt mit Geschichten und Bildern. Ich habe in diesem Bett gelegen und euch immerzu gesehen, auf der Fähre stehend, im Zelt liegend. Das Herz hat die Fensterläden zugezogen.
Ja, vielleicht hast du sie geliebt und vielleicht hat sie dich auch geliebt. Ihr seid zurück gekommen und ich habe keinem von euch beiden die Tür aufgemacht. Ich habe im Bett gelegen und an die Decke gestarrt, ich habe Wasser mit Sirup getrunken, habe die Fotografien angesehen, zwei Silhouettenmenschen in einem Silhouettenland, habe in den Spiegel geschaut. Später habe ich dich auf der Strasse getroffen, du hast gefragt, wie es mir ergangen ist, ich habe gesagt: „Gut.“