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Feld der Knochen
Endlose Weiten. Am Rande der Ewigkeit stehen sie. Vor ihnen die strahlende Zukunft und hinter ihnen ihre Vergangenheit. Ein verdorrtes Feld ohne Leben. Dieses Feld der Trostlosigkeit wollen sie hinter sich lassen. Für immer in der Endlosigkeit verschwinden.
Ihre Fußspuren zeichnen sich im trockenen Gras wieder. Knochen, überall. Von denen, die vor ihnen kamen. Die dort standen wo sie jetzt stehen. An der Grenze. Noch gefangen, doch mit den Gedanken schon Welten entfernt. Schwimmen im klarsten Wasser oder erklimmen den höchsten Berg. Pflücken Blumen auf der buntesten Wiese oder erkunden den friedlichsten Wald.
Aber sie stehen hier. Sind so weit gekommen wie dutzende vor ihnen. Hunderte, die dann gescheitert sind. Am letzten Schritt. Dem ersten Schritt. Dem, der alles verbindet und zugleich auseinanderreißt. Der ihr Leben bestimmen wird, entscheidet wie es weitergehen wird. Ob es weitergehen wird.
Sie spüren ein Gefühl in sich aufkommen. Etwas für sie nicht Unbekanntes. Ebenso wie für die, deren Knochen nun hier liegen. Die zu Staub zerfallen werden und sich mit dem Sand der trockenen Erde vermischen. Werden nicht mit dem Wind fortgetrieben werden, sondern für immer an dieses Feld gebunden sein. Verbannt.
Die, die dieses Feld nie betreten werden, werden es auch nie fühlen. Denn dort wo sie herkommen, mussten sie sie nie fühlen. Angst. Es war schon fast Todesangst. Sie spüren wie sie anfängt sich auszubreiten, in jede Faser ihrer Körper vorzudringen und von innen heraus zu lähmen.
Doch sie wollen nicht enden wie die vor ihnen. Gefangen an diesem Ort, ohne Hoffnung auf Erlösung. Angst davor zurück zu gehen und Angst davor weiter zu gehen. Sie entschieden sich für den Mittelweg, blieben an Ort und Stelle. Starben an Hunger und Durst ohne je das zu sehen, wofür sie gekommen waren.
Sie wollen nicht enden wie die vor ihnen. Auch sie würden nie zurück gehen. Dort gab es nichts, was sie noch reizte. Menschen, Häuser. Alles uniform. Sie widersprachen dem System. Deshalb mussten sie gehen, bevor jemand etwas bemerkte. Haben sich in der Nacht fortgeschlichen bis zu diesem Feld.
Hierher würden sie ihnen nicht folgen. Das würden sie nie wagen. Nicht nur weil es verboten war, sondern auch weil sie darin keinen Sinn sahen. Sie fühlten sich in ihrer Stadt wohl. Wollten nicht wissen was es sonst noch gab. Ob es noch etwas gab. Sie besaßen keine Neugier. Oder überhaupt ein Gefühl, deren Verhältnis zueinander sie zu Individuen machen würde.
Aber jeder, der einen Fuß auf dieses Feld setzte und setzen wird, ist anders. Sie sind fähig zu fühlen. Auf die eine oder andere Art spürt jeder von ihnen im Laufe ihres Lebens, dass sie anders sind. Werden sich bewusst was sie unterscheidet. Sie machen sich die Monotonie dieser Stadt bewusst, erkennen, dass sie etwas anderes für ihr Leben wollen.
Und hier, auf diesem Feld, spüren sie es alle zum ersten Mal. Angst. Verzweiflung. Die Meisten lassen sich davon fangen, aber manche können sich ihr entreißen und entdecken dafür ein weiteres tiefgreifendes Gefühl - Mut.
Jetzt ist die Zeit für sie gekommen ihn zu finden.