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Feinschmecker

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16.03.2013
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Feinschmecker

Es war an einem Donnerstagabend. Karin war weg und zurück blieb nichts als Leere. Grund genug, mit zwei Sixpacks die Couch zu besiedeln, um mir die Herr der Ringe Trilogie hintereinander rein zu ziehen, natürlich in der extended version. Ich hatte mir ein dazu passendes Outfit gewählt: Unterhosen und mein geliebtes Siff-T-Shirt, das ausgewaschene, scharlachrote.
Als ich gerade in die Tiefen meiner Couch sank und feierlich den Start-Knopf drücken wollte, klingelte es an der Tür. Selbstverständlich dachte ich nicht daran zu reagieren, ich war ja schon so gut wie in Hobbingen. Aber es wollte nicht aufhören.
„Was soll' s“, dachte ich mir. „Schlimmstenfalls guckt noch einer mit.“ Also erhob ich mich und schlurfte den Gang meiner Zwei-Zimmer-Wohnung hinunter, um der mittlerweile klopfenden Nervensäge die Tür zu öffnen.

„Mensch, hallo Jörg! Kennste mich noch? Ich bin' s, Manfred, der Kumpel von dein Vadda!“
Da stand er nun: Manfred Born, ehemaliger Arbeitskollege meines alten Herrn, Gott habe ihn selig. Ich hatte ihn bei einer der Schwarzbaustellen kennengelernt, wo ich in den Ferien mein Taschengeldkonto aufbessern durfte. Er hatte eine eiserne Regel: Bier erst ab zehn.
„Grüß dich Manfred. Ähm, wie geht' s?“ Irgendwas musste ich ja sagen.
„Oh, alles bestens!“ Er war sichtlich erfreut über mein geheucheltes Interesse. „Aber jetzt, wo du fragst, eigentlich geht' s mir beschissen“, nuschelte er hinterher. Nachdem ich noch mal sehnsüchtig in Richtung Fernseher gelinst hatte, sagte ich resignierend:
„Na dann komm halt rein!“

Wir saßen am Esstisch in der Küche. Manfred hatte sich mittlerweile die dritte Kippe angesteckt und spielte am Verschluss seiner Bierdose.
„Ich kann dir sagen, das war nicht leicht für mich, bei dir anzuklopfen. Aber ich weiß nimmer wo hin. Und dein Vadda, der war wie ein Bruder für mich, verstehste?“
Unwillkürlich drehte ich den Ring am Finger. Vaddas Ehering war das einzige, was nach der Straßenwalze von ihm übriggeblieben war. Irgendwie seltsam ihn zu tragen, aber eben ein Andenken an die wichtigste Person meines Lebens.
„Auf Vadda!“, sagte ich. Er nahm auch einen Schluck und wischte sich mit dem Ärmel über den Mund.
„Und du, als sein Sohn, biste wie mein Neffe, richtig?“
„Mhm.“ Auf was wollte er bloß hinaus? Brauchte er etwa Kohle? Von mir?
„Dann kann ich dir jetzt was anvertrauen und du verrätst es auch keinem, ja?“
„Schieß los!“ Er hatte definitiv Dreck am Stecken.
„Also“, flüsterte er und schaute sich um, als könnten wir belauscht werden. „Ich hab' n Monster im Bauch.“

Die 22 Uhr-S-Bahn ratterte am Fernster vorbei. Ich spürte ihre Vibrationen und eine Tasse schepperte einsam im Schrank. Seit gefühlten drei Stunden lauschte ich den Ausführungen Manfreds. Ich dachte mir: 'Der arme Mann' und 'Wie krieg ich den bloß wieder vor die Tür?'
„Manfred“, unterbrach ich ihn schließlich, „was kommste damit eigentlich zu mir?“
„Ich hab ja keinen mehr“, murmelte er.
„Ganz ehrlich, Manfred, das wundert mich auch nicht, wenn du solche Geschichten erzählst. Das will doch keiner hören.“ Jemand musste ihm ja die Wahrheit sagen.
„Das isses nich.“
„Ach nee!“
Ich stand auf, um zwei neue Dosen aus dem Kühlschrank zu holen.
„Sie ist weg“, raunte er. „Berta. Unsere Ehe – ach, lass mich erst gar nicht anfangen. Das Geschnatter jeden Abend! Ich hätt sie umbringen können …“
Ich schmunzelte.
„… aber als sie dann so vor mir lag, ich meine, was von ihr übrig geblieben war …“
Langsam wurde es mir zu viel. Ich setzte mich wieder an den Tisch und musterte ihn.
Manfred saß da, wie ein Häufchen Elend. Ich musste an früher denken, als er Vadda seine Geschichtchen erzählt hat. War schon ein witziger Kerl gewesen. Was war nur aus ihm geworden?
„Ich fasse zusammen: Du willst mir also allen Ernstes weiß machen, dass ein Parasit in deine Bauchhöhle gezogen ist, der Thorsten heißt und dass er deine Frau verputzt hat?“
Manfred riss die Augen auf und schrie: „Aber ich hab das doch gar nicht gewollt!“ Dann wurde er wieder lethargisch. „Weiß ja nicht mal, wie viele er schon gefressen hat. Manchmal wach ich blutverschmiert auf und kann mich an nichts erinnern.“
Ich musste ihm einfach helfen. Vadda hätt ihm auch geholfen. Doch was tun, bei so nem Verrückten? Vielleicht war es am besten, erst mal mitzuspielen.
„Kannst du ihn nicht davon abhalten? Fütter ihn doch mit Hundefutter oder … mit nem Meerschweinchen oder so was.“
„Das Problem ist“, erklärte Manfred, „wenn er wach ist, dann penne ich. Und anders herum. Wie soll ich ihn dann füttern, oder es verhindern, dass er die Leute frisst?“
Ich nickte. „Und wie soll ich dir dann helfen?“
Manfred rülpste. „Du könntest mal mit ihm reden. Sag ihm, er soll damit aufhören. Wenn es mir nicht gut geht, geht' s auch ihm nicht gut. Das muss er wissen.“
„In Ordnung“, sagte ich ruhig. „Hol halt deinen Thorsten mal raus.“
Manfred linste aus dem Augenwinkel. „Haste auch keine Angst?“

Ich blickte ihn unbeeindruckt an. „Lass sehen!“

Darauf war ich nicht gefasst gewesen. Ich hatte vermutet, Manfred zeigte mir seinen nackten Bierkessel, seinen Schniedel oder vielleicht eine mit Edding aufgemalte Monsterfratze. Nach dem er das karierte Hemd aufgeknöpft und seltsam stöhnend ausgeatmet hatte, war er schlagartig eingenickt und schnarchte nun seelenruhig auf dem Stuhl.
Ich blickte in die zwei roten Äuglein von Thorsten, der mich seinerseits mit einem süffisanten Lächeln einige Zeit musterte.
Fuck! Manfred hatte nicht gelogen.
„Na?“, fing Thorsten an.
„Gut.“
„Hättste nich gedacht, dass der Suffkopp die Wahrheit sagt.“
„Och“, versuchte ich meine Nervosität zu überspielen, „hat sich doch alles ganz schlüssig angehört.“
Thorsten sah aus wie ein kleiner Mann, der bis zur Taille in Manfreds Bauch steckte. Sein Kopf war teilweise mit dunklen Haarbüscheln bedeckt. Er war irgendwie niedlich anzusehen. Zumindest hätte ihm niemand zugetraut, Menschen zu fressen.
Grinsend schaute er umher.
„Tolle Küche!“
„Geht so“, stimmte ich ihm kopfnickend zu. „Ich koch ganz gerne. Ist so' n Hobby von mir.“
„Lebst du allein?“
„Ja, jetzt wieder ...“
„Gut!“ Seine Augen blitzten auf. „Also, ich bin Thorsten.“
„Jörg.“
"Also, Jörg, was machen wir jetzt mit dem angefangenen Abend?“
„Eigentlich wollte ich 'Herr der Ringe' gucken.“
„Herr der was?“ Er verzog sein Gesicht, wodurch er ganz schön abscheulich aussah.
„Ist wohl nicht dein Ding. Wie wär' s dann mit nem Bierchen?“, versuchte ich die Stimmung zu retten.
„Ich hab solchen Hunger!“, raunte er auf einmal. Seine Augen starrten mich an. Ich bemerkte, wie ihm Speichel das Kinn hinunter lief.
„Brauchst du ein Tempo?“, wollte ich helfen.
Thorsten bleckte die Zähne, kleine, scharfe Beißerchen. Er fing an zu knurren und bewegte dabei die Fingerchen, als seien sie Klauen. Langsam wurde es eklig.
„Soll ich dir was aufwärmen? Ich hab noch Abendessen übrig. Von mir aus koch ich dir auch was.“
Manfreds Körper erhob sich schwerfällig und stapfte in Zombiemanier auf mich zu. Gierig fauchte der kleine Parasit mich an:
„Ich brauch Menschenfleisch!“
Das war zu viel des Guten. Aus mir platze es schallend heraus. Thorsten starrte mich irritiert an und ich sagte:
„Na gut, mein Junge. Kannste haben.“

Manfreds Körper saß wieder auf dem Stuhl am Esstisch. Sein Thorsten verfolgte jede meiner Bewegungen, als ich die Tupperschüssel aus dem Kühlschrank holte.
„Willste was vom Bauch?“
„Okay“, sagte Thorsten und lächelte bemüht
Ich stellte den vollen Kochtopf auf den Herd und machte das Radio an.
„Ich wusste ja nicht, dass du auf Menschenfleisch stehst“, meldete er sich.
„Ist klar. Das war übrigens Karin, meine Ex. Ich vernasch halt gern Mädels, die wehren sich nicht so, riechen besser und vom Geschmack her …“
„Verstehe.“
Ich holte Zwiebeln, Petersilie und Kartoffeln aus dem Schrank. Jetzt wollte ich zeigen, was ich drauf habe. Thorsten schaute mir interessiert zu. In seinem Köpfchen schien es zu rattern.
„Wie bist du eigentlich auf so etwas gekommen?“, wollte er nach einer Weile wissen.
„Auf die Kocherei?“
„Nein, auf Menschen fressen und so.“
Fein säuberlich hackte ich die Zwiebeln klein.
„Ach, das ist schnell erzählt. Alles fing mit Vaddas Tod an. Mir hat er echt gefehlt, ich hatte ja keine Mutter, die ist damals gestorben, als ich fünf war. Krebs.“
„Armer!“
„War ne schlimme Zeit für mich, so mit siebzehn ganz alleine, erwachsen ist man ja da noch nicht.“ Ich putzte die Hände am Geschirrtuch ab. „Naja, dann kam Sabine in mein Leben. Hab sie geliebt, mich an sie geklammert. Ich wollte sie einfach nicht wieder verlieren.“
„Ah!“
„Irgendwann haben wir rumgemacht, ich knabbere an ihrem Ohrläppchen und dann isses halt passiert.“
„Wie du über alles so offen reden kannst“, fand Thorsten nach einer Weile.
„Das ist meine Masche, bei den Mädels. Ich mach auf die Mitleidstour.“
„Verstehe, so bist du also zum Kannibalen geworden.“
„Kannibale würd ich mich nicht nennen“, sagte ich.
Das Wasser sprudelte und ich rührte das Fleisch mit dem Kochlöffel um.
„Aber, wie dann?“, fragte er.
Ich leerte die Bierdose und knallte sie auf den Tisch. „Feinschmecker!“

Das Menü schmeckte ausgezeichnet. Wir saßen auf der Couch und ich erklärte Thorsten die Zusammenhänge von Mittelerde. Er war wirklich interessiert, fast ein angenehmer Zeitgenosse.
„Mensch, das müssen wir öfters machen“, lallte er. „Zusammen Bier trinken, Filme gucken, Menschen fressen ...“
„Mhm.“
Wir schwiegen eine Weile, dann blickte Thorsten mich ernst an. „Endlich hab ich jemanden getroffen, der nicht nur blöd rumschreit, wenn er mich sieht. An so nen Kumpel könnt ich mich gewöhnen.“
Ich lächelte.
„Sag mal, Thorsten“, fing ich an, „weißt du eigentlich, dass du Manfred mit deinem Morden ganz schön fertig machst? Ich meine, nicht nur, dass ihn das ziemlich mitnimmt, den Tod seiner Frau und so. Er wird auch früher oder später im Knast landen, wenn das so weitergeht. Und das bedeutet, du mit ihm.“
Thorsten grinste und drehte langsam den Kopf zu mir. Scheiße, für eine Gänsehaut war der immer gut! Er zuckte mit seinen winzigen Schultern. Schließlich raunte er:
„Du hast recht, Kumpel. Manfred ist nicht der Hellste, was die Jagd angeht. Aber du scheinst mehr auf dem Kasten zu haben.“ Er puhlte etwas aus den Zähnen hervor und schnipste es weg. „Also, wie wär‘ s, wenn ich in Zukunft bei dir esse. Ich brauch nicht unbedingt den Thrill und die Sauerei, Hauptsache mein Magen wird voll.“ Er rieb sich den verkümmerten Ansatz. Ich dachte nach.
„Okay, aber nur einmal pro Woche.“
Wieder schmunzelte er und nickte langsam dazu.
Das gute Essen hatte ihn müde gemacht. Irgendwann war er eingenickt und zog sich schneckengleich in die Bauchhöhle zurück. Kurze Zeit später erwachte auch Manfred.
„Guten Morgen!“, grüßte ich ihn.
„Ah, du lebst noch! Hab doch gewusst, dass du was drauf hast!“, sagte er erfreut und klopfte mir auf die Schulter. Er knöpfte schnell das Hemd zu und fragte:
„Und, hast du mit ihm geredet?“
„Jop!“
„Und? Hört er auf, damit?“
„Wenn er einmal die Woche zum Essen kommen kann, wird er es sein lassen.“
„Ich wusste ja gar nicht, dass du so gut kochen kannst.“
„Willste mal probieren?“
„Jetzt nicht, mein Magen ist randvoll.“ Er atmete erleichtert durch. „Wusste, dass ich auf dich zählen kann!“
Ich wischte den Teller mit Brot aus und sagte: „200 Flocken pro Dinner.“

Wir standen auf der Brücke im Park und schauten den Enten nach. Die Abendsonne tauchte alles in dieses besondere Licht. Annita fröstelte und ich legte meinen Arm um sie.
„Komm, lass uns zu mir gehen, es wird langsam kalt“, sagte ich.
„Ich weiß nicht, ein andermal.“
Schnell nahm ich ihre Hände und stellte mich demonstrativ vor sie. „Weißt du was, ich hab ne Idee: Ich werde heut noch was Leckeres kochen. Ich hab dir doch erzählt, wie gut ich das kann. Ein besonderes Dinner für einen besonderen Menschen.“
Sie lächelte verlegen und schaute zu Boden. „Hab aber gar nicht richtig Hunger.“
„Du wirst sehen, der Appetit kommt von alleine.“
„Mhm, was willst du denn kochen?“
„Weiß noch nicht“, ich blickte an ihr herunter. „Wie wär’ s mit Lende?“
Sie zog das Näschen hoch. „Och nee - Aber vielleicht ein Salat?“, fragte sie mit erhobenen Brauen.
„Was immer du möchtest“, sicherte ich ihr mit einem breiten Grinsen zu.
Hand in Hand machten wir uns auf den Nachhauseweg. Annita entging nicht, dass ich dabei die Umgebung absuchte. Hatte sich dort im Gebüsch nicht ein Schatten bewegt?
„Warum blickst du dich immer um“, wollte sie wissen, „bist du vor jemanden auf der Flucht?“
„Ach, iwo! Alles in Ordnung.“

In meiner Bude angekommen, warf ich die Jacke in die Ecke, steuerte die Küche an und inspizierte den Kühlschrank. Annita setzte sich an den Tisch.
„Wie wär‘ s mit Baguette und nem Krautsalat?“, fragte ich. „Ist nichts Besonderes …“
„Oh, das wird peinlich“, fiel sie mir ins Wort. "Nach dem Zeug muss ich immer so pupsen.“
„Kein Problem, dann machen wir beide ein kleines Konzert, heute Abend.“
Sie kicherte und holte Zigaretten aus der Handtasche.
Zehn Minuten später stocherte ich in dem Salat herum. Annita leerte ihr Glas Cola und musterte mich. Sie unterdrückte einen Rülpser und fragte:
„Was‘ n los? Hat‘ s dir die Sprache verschlagen?“
„Wie, was? Ach nee, ich hab nur nachgedacht.“
„Über uns?“
Ich legte die Gabel hin und fuhr mir übers Gesicht. „Du bist halt das erste Mädchen, das ich seit Karin nach Hause mitgenommen hab.“
„Oh Mann - Karin. Seit wann haste mit der Schluss gemacht?“
„Ist über ein Jahr her.“
„Ich hab sie noch nie richtig leiden können. Die kannte ich von der Arbeit. War ne echte Zicke, bist du etwa noch nicht drüber weg?“
„Doch, es ist mir nur grad aufgefallen.“ Nicht nur, dass Karin eine Lücke hinterlassen hatte. Auch die Tatsache, dass ich einen Schweinebauch in einem Anflug von Selbsterhaltung fälschlicherweise als ihre Überreste bezeichnet hatte, um es einen menschfressenden Parasiten als Candel-light-dinner zu verkaufen, machte mir noch immer schwer zu schaffen.
Ich nahm ihre Hand. „Ich bin echt froh, dass du heut mitgekommen bist. Ist nicht leicht in letzter Zeit.“
„Wegen was, wegen der Einsamkeit?“
„Nein, ich hab da so ne Sache laufen und die ist mir total über den Kopf gewachsen.“ Jetzt brach es aus mir heraus, mir kamen fast die Tränen. „Es ist alles so, so abartig.“
Sie streichelte meine Hand, schaute mir tief in die Augen. „Erzähl doch endlich!“
„Vor nem Jahr klingelte es an der Tür. Es war Manfred, so ein alter Kollege von Vadda. Er war echt fertig und ich, ich hab das voll ausgenutzt. Ich steck nämlich bis über den Hals in Schulden. Hab ihn abgezockt. Anfang lief‘ s ganz gut. Aber dann wurde es immer abgefahrener.“
„Ich verstehe nicht. Sprich doch endlich Klartext!“
„Also gut, er kam jede Woche und ich hab ihm für viel Geld was gekocht und er hat geglaubt, dass es Menschenfleisch wäre.“
„Hä?“ Sie riss die Augen auf. „Du hast für einen Kannibalen gekocht?“
„Nee, ich hab ihm weißgemacht, dass ich einer wär. Und eigentlich auch nicht ihm. Sondern, ach … er hat da so‘ n Monster im Bauch, so einen kleinen, ekligen Parasit namens Thorsten. Und der, der frisst Menschen.“
Annita ließ meine Hand los und sah mich enttäuscht an.
Dann sagte ich: „Ich weiß, dass sich das verrückt anhört, aber …“
„Nein“, fiel sie mir ins Wort. „Ist schon in Ordnung.“ Sie steckte Zigaretten und Handy in die Tasche und fügte verbittert hinzu: „Und ich hab schon geglaubt, es wäre was Ernstes.“
Da schellte es an der Haustür.
„Jetzt warte doch“, bat ich Annita, als ich zur Fernsprechanlage ging. Irgendwie war ich sogar froh, dass ich so dieser komplizierten Szene entkommen konnte.

„Hallo?“
„Ja, ich bin‘ s, Manfred.“
„Oh, das pass mir jetzt aber gar nicht!“
„Mein Bauch sagt mir, du hast grad was am Laufen. Komm, mach auf, ich hab so’ n Druck.“
„Manfred, jetzt nicht, hab ich gesagt.“
„Gut, dann geh ich jetzt zu den Bullen und stell mich, scheiß drauf, ich halt das nicht aus. Er übernimmt immer mehr die Kontrolle!“
„Moment, wart doch mal!“ In meinem Kopf ging alles durcheinander. Manfred hatte mir erzählt, dass es mit Thorsten in letzter Zeit immer unberechenbarer wurde. Aber die Bullen waren keine Option. Schließlich wollte ich doch nicht wegen Mitwissens einfahren. Was sollte ich also tun?
„Komm halt hoch.“
Da es keinen Aufzug gab, dauerte es immerhin eine Minute, bis man durchs Treppenhaus in den vierten Stock kam. Zeit, die für Annita lebenswichtig sein konnte.
„Also, tschüß dann“, sagte sie.
„Halt warte, du kannst jetzt nicht da runter“, flüsterte ich und stellte mich ihr in den Weg.
„Wieso nicht? Lass mich gehen!“
„Hörst du die Schritte? Das ist Manfred und der tickt nicht mehr richtig in letzter Zeit. Er fällt wieder Leute an. Kann sein, dass er sich auch auf dich stürzt!“
„Der Kannibale?“
„Ja, der menschenfressende Drecksack!“ Es war besser, den Parasiten erst mal auszuklammern.
Annita lauschte den stöhnenden Mann sich die Treppe raufschleppen. Ihre Augen spiegelten Angst wieder. Vielleicht ahnte sie jetzt, dass ich die Wahrheit sagte.
„Was soll ich tun?“, flüsterte sie.
„Komm rein!“ Ich schloss die Tür. „Geh ins Schlafzimmer!“
„Was?“
„Tu einfach was ich sage, ich hab so was wie nen Plan.“
Annita setzte sich auf‘ s Bett.
„Wir werden so tun, als ob ich dich getötet hab. Dann werde ich ihn auf morgen hinhalten und er lässt dich in Ruhe.“
Sie zog die Brauen hoch. „Vergiss es!“
„Glaub mir, es wird klappen.“
Jetzt klopfte es an der Tür. Annita erschrak, hüpfte vollständig ins Bett und zog die Decke über den Kopf.
„Gut, warum nicht gleich so?“, sagte ich ruhig. „Und keinen Mucks! Vergiss nicht: du bist tot.“
Dann atmete ich durch, ging zur Tür und öffnete sie.

Draußen stand – Thorsten. Manfreds Kopf schlummerte mit heraushängender Zunge auf den Schultern.
„Hallo, Jörg, war gerade in der Gegend und hab dich mit so ´ner Schnitte gesehen.“
„Bist du verrückt geworden, dich so in der Öffentlichkeit zu zeigen? Schnell komm rein!“ Ich blickte mich kurz im Treppenhaus um und folgte ihm in die Küche.
„Wo isse denn?“, fragte Thorsten erwartungsvoll.
„Hab sie grade im Schlafzimmer kalt gemacht. War ein ganz schönes Biest.“
„Na dann, ich hab echt Kohldampf!“ Er stapfte Richtung Schlafzimmer.
Natürlich stellte ich mich ihm in den Weg.
„Was, jetzt?“, fragte er empört. „Lass mich doch reinbeißen!“
Langsam schüttelte ich den Kopf. „Thorsten, Thorsten! Ich habe gedacht wir wären schon weiter. Gutes will gut zubereitet werden, oder nicht?“
Er rümpfte genervt das Näschen. „Zeig sie mir wenigstens!“
„Also gut.“ Ich ging mit ihm zur Tür und öffnete sie einen Spalt. Er linste hinein und schnupperte.
„Morgen zur gewohnten Zeit“, fuhr ich fort, „werde ich diesen geschmacklosen Körper in einen Gaumenschmaus verwandeln, den du so schnell nicht vergessen wirst.“
„In Ordnung, Vorfreude ist die schönste Freude.“
„Aber denk an die Kohle!“
In diesem Moment geschah es: Ein zierlicher aber unleugbarer Frauenpups war zu hören.
„Was war das?“, fragte Thorsten misstrauisch.
Mir fiel einfach nichts ein. Ich wollte die Tür schließen, doch ein Bodycheck von Manfreds Körper, warf mich einfach um. Thorsten ging zum Bett und riss die Decke weg. Annita begann wie am Spieß zu schreien.
„Die ist ja noch gar nicht tot“, schrie er, „komm her, ich beiß‘ dir die Kehle durch!“
Er stieg aufs Bett. Einen Moment war ich wie gelähmt. Dann sprang ich hinterher und zog ihn an den Schultern. Er fiel rücklings auf mich. Mitten auf den Magen. Ich stöhnte. Dann hörte ich Thorsten, wie einen giftigen Köter kläffen und schnappen. Ein stechender Schmerz fuhr mir durch die Hand. Ich hielt sie vor mein Gesicht und musste feststellen, dass Mittel- und Ringfinger fehlten. Es sah gleichzeitig bescheuert und fürchterlich aus. Ich musste wegen des Schocks kurz lächeln, dann wurde mir schwindlig.
„Du Arsch, meine Finger!“, lallte ich.
Jetzt ging alles wie von selbst. Ich kämpfte mich unter ihm hervor und kroch rückwärts zur Tür heraus.

Irgendwie musste ich Thorsten von Annita weglocken. Also stand ich auf, ging zur Kommode und warf das Telefon an Manfreds Schädel. Es zerbrach.
Thorsten hatte einige Mühe, den schweren und schlaffen Körper unter Kontrolle zu bringen, doch jetzt war er wieder auf den Beinen. Ich war mittlerweile durch den Gang zur Küche gelangt und sah, wie er sich die Lippen leckte und mich mit irren Blick fixierte. Er begann, auf mich loszustapfen, wobei Manfreds Arme schlaff hin- und her schaukelten. Hätte nicht gedacht, dass er so flink sein konnte. Ich war in Kampfstellung und machte mich bereit. Jetzt kam er herein und ich verpasste ihm einen ordentlichen Tritt in die Eier.
Er blieb stehen und Manfred stöhnte leise im Schlaf.
„Nichts gespürt!“ murmelte Thorsten mit süffisantem Lächeln.
Ich tappte ein paar Schritte rückwärts, bis ich an die Arbeitsplatte stieß. Panisch suchte ich hinter meinem Rücken nach irgendeiner Waffe, während Thorsten langsam näher kam. Er sah verändert aus, hatte fast eine lila Farbe angenommen und schien wie von Sinnen.
Endlich fühlte meine Hand etwas metallisches, ich zog es vor und betrachtete es: die Reibe, mit der ich zuvor Zwiebeln geraspelt hatte. Thorsten machte einen Satz, ich holte aus, schaffte es sein Gesicht zu erwischen und rieb schnell rauf und runter. Er kreischte schrill. Es hatte Teile seiner Kopfhaut und die Wange erwischt.
„Was soll der Scheiß?“, rief er die Wunden haltend. Die Zwiebeln schienen zu brennen. Zeit genug sich umzusehen. Da, der Pürierstab lag beim Fenster. Ich hatte mit ihm Frischkäse und Paprika zu einem Dipp für die Baguettes zubereitet.
Er erkannte, was ich vorhatte, stürzte sich auf mich, sodass ich ihn mit der verstümmelten Hand von mir wegdrücken musste. Mit der Linken wollte ich den Stab erreichen, es fehlten nur noch wenige Zentimeter und, endlich, hatte ich ihn in der Hand. Ich drückte den Knopf, Thorsten knurrte und meine Hand schnellte zu seinem Gesicht. Dummerweise war das Kabel zu kurz, der Stecker flutschte aus der Dose und das Messer hörte kurz vor seinem Auge auf, sich zu drehen.
Wir guckten etwas belämmert aus der Wäsche, dann schlug ich den Stab eben so in sein Gesicht, was aber keine große Wirkung zeigte.
Er schüttelte sich, begann über beide Bäckchen zu grinsen und raunte: „So, Bürschchen, jetzt mach dich bereit, deinem Vadda zu begegnen“. Dann riss er sein Maul auf, bereit mir den Todesbiss zu verpassen.
„Da“, rief ich, „guck mal lieber, was von hinten kommt!“
„Ach komm schon …“
Weiter kam er nicht, denn Annita erwischte ihn mit ihrer Handtasche, was ihn augenblicklich ausknockte - keine Ahnung, was die da drin hatte.
Als Manfreds Körper nach hinten umfiel, nutzte ich meine Chance, sprang auf ihn drauf und versenkte eine Gabel in Thorstens Hals. Annita kam auch und hieb mit dem Fleischermesser zu. Das Blut spritze mir ins Gesicht, sodass ich vor lauter Ekel aufstand und in die Spüle kotzte. Annita schrie wie am Spieß und stach noch drei, vier Mal auf Thorsten ein. Ich konnte gar nicht hinsehen. Endlich ließ sie total zitternd das Messer fallen. Er röchelte noch eine Weile, seine kleinen Lungen füllten sich mit Blut und aus war‘ s mit ihm. Annita kroch in eine Ecke und begann zu flennen, aber ich ging nicht zu ihr, hatte ja mit mir selbst zu tun.
Manfred erwachte nach einer Weile. Er blickte an sich runter und sah den toten Parasit. Er stupste ihn an und als der sich nicht rührte, begann er zu lächeln.
„Danke, mein Junge!“
Ich nickte, mit meiner Kraft am Ende.
Dann hielt er sich zwischen den Beinen. „Aber was brennen meine Eier so?“

Einige Wochen später klingelte es wieder an meiner Tür. Ich öffnete einen Spalt, war ja aufgrund schlechter Erfahrung vorsichtiger geworden. Draußen stand Manfred. Er war deutlich schlanker und sah gar nicht so schlecht aus.
„Was willst du hier?“, zischte ich.
„Ach, Junge, ich hab mich noch gar nicht richtig bedankt bei dir.“
„Wer ist es denn, Schatz?“, rief Annita aus der Küche. Ich blickte nach hinten und antwortete:
„Niemand, Pupsi!“
Dann sagte ich leise zu Manfred: „Alter, ich freu mich ja, dass es dir gut geht, aber es ist besser, wenn du wieder verschwindest!“
„Ja, in Ordnung, Junge. Verstehe, dass du nach dem ganzen Scheiß deine Ruhe willst. Aber ich hab da was für dich.“
Er kramte aus seiner Hosentasche Vaddas Ring hervor und hielt ihn mir unter die Nase. „Da, den hab ich ausgekackt. Hab ihn natürlich abgewaschen.“
Ich nahm ihn entgegen, drehte ihn zwischen Daumen und Zeigefinger. War er nicht wunderschön, so gleichmäßig und golden?
"Mein Schatz!“, hörte ich Annita wie von weitem.
"Ja, ich komm ja gleich, Mann!" Dann fragte ich ihn: "Was ist eigentlich aus Thorstens Leiche geworden?"
"Er ist nach ein paar Tagen abgefallen, wie so ne vertrocknete Nabelschnur", antwortete Manfred. In seiner Stimme klang ein kleiner, wehmütiger Unterton mit.
Ich nickte, betrachtete mir diesen einsamen Mann. Wieder musste ich an Vadda denken. Schließlich fragte ich: "Was machste eigentlich morgen? Haste nicht Lust auf ein feines Abendessen?

 

Hi Cybernator -

Ich mochte den ersten Teil der Geschichte sehr. Vor allem die Beschreibung/ den Auftritt von Torsten - irgentwie niedlich.
Das sich der Protagonist dann allerdings selbst als Kannibale zeigt enttäuschte mich. Das war irgentwie eine Schippe der Seltsamkeit zu viel für mich. Auch hatt der Konflikt sich dann - tschuldigung- schnell gegessen.
Klar das dies die Hauptstruktur der Geschichte ist, aber vielleicht könnte man das zusammenkommen der beiden Kannibalen dann doch etwas spannender gestalten?

Das mit der Edding-Fratze mochte ich sehr -

Lg

 

Hallo Tree Fibet!

Danke fürs Kommentieren!

vielleicht könnte man das zusammenkommen der beiden Kannibalen dann doch etwas spannender gestalten?

Ja, nach seinem Outing ist die Luft raus. Vielleicht klingelt noch einer an der Tür, aber dann würde es echt eklig. :sealed:

Gut zu wissen, wie es bei dir rüberkam.

Grüße,
Cybernator

...

Hallo flammbert112!

Auch dir danke für den Kommentar!
Ist wirklich schwer, die Waage zu halten, wenn es sich um Horror und dieser Art Klamauk handelt. Ist ja wirklich nicht sehr anspruchsvoll ... muss ja auch nicht sein.

Aber der Auftritt von Thorsten ist dann wieder ziemlich albern, das mit den Armen entgegenstrecken und "Menschenfleisch!" rufen.
Da habe ich es wohl zu gut gemeint.:)

Auch als dein Prot plötzlich den Menschenfuß aus dem Kühlschrank holt... das kommt irgendwie zu plötzlich, zu sehr aus dem Zusammenhang gerissen.

Vielleicht bekomm ich einen besseren Übergang hin. Klar wird man da als Leser vor den Kopf gestoßen, aber gut, dass ich das jetzt weiß.

Grüße,
Cybernator

 

Hi Cybernator,

das ist schwierig, finde ich, was du da vorhast. Dieses Klamaukige passt nicht zu dem Text. Ich weiß, vielleicht wolltest du das so, aber ich bin ja der Meinung, Trash kann man nicht per se produzieren. Trash ist eine Leistung des Rezipienten, ein bewußtes Gegen den Strich lesen. Hier bekomme ich alles sofort serviert, da ist nicht so viel Subtiles. Dann ist es schwierig. Im Filmischen möchte ich das mal mit Machete vergleichen; hast du ein paar Trasher und Sleaze-Filme aus den 60ern gesehen, weißt du genau, was passiert. Es ist nicht mal eine Hommage, sondern nur ein Potpourrie aus vielen Szenen. Das funktioniert, wenn man es wirklich kann, einmal. Dein Text lebt halt von dieser Parasiten-Idee. Mich erinnert da spontan das Original von Total Recall aus den 80ern. Witzig und mutig finde ich deinen Versuch, das so im Bukowski-Slang zu schreiben. Das ist gut. Erinnert mich ein wenig an Rex Miller, falls du den kennst. (Ach so, sorry, ich sollte ja nicht so viel Namedropping betreiben, ich knie nieder!:D)

Ich fürchte, du müsstest das ausgefuchster machen. Flammbert hat da schon vieles gesagt. Der Fuss kam einfach zu schnell. Ich denke, du musst das länger machen, so richtig mit Einstieg und so, eine richtige Story erzählen, nicht nur diese kleine Szene. Ich stelle mir da so ein deutsches Pendant zu einem Redneckdorf vor, und dann muss dieser Prot dem Parasiten Menschenfleisch besorgen, weil dieser Parasit irgendwas in der Hand hat gegen ihn. So irgendwie halt! Nur so eine Idee.:D

Gruss, Jimmy

 

Hallo Cybernator,
die Idee finde ich originell, zur Umsetzung und Inhalt hast Du ja bereits genügend Kritik. Es gefällt mir auch nicht besonders, dass die beiden ihre Mädchen fressen oder fressen lassen. Aber wie gesagt, an sich hat mir die Geschichte gefallen, auch das Sprachliche.
Weiter führende Vorschläge:
- Torsten könnte bei einem Plastinator oder einer Anatomie-Ausstellung sattgefüttert werden.
- Torsten bekommt ein (geklautes) Menschenhirn, das mit Prionen infiziert ist, zu fressen. Daraufhin bekommt er "Mad-Torsten-Disease" oder Kuru und kann nicht mehr zurück in Manfreds Bauch ...
Irgendwie regt Deine Geschichte die Phantasie an. Deswegen habe ich sie gerne gelesen.

Irgendwann war er ein genickt
eingenickt
Viele Grüsse
Fugu

 

Hallo Cybernator

Der Gourmet-Titel hatte mich angesprochen, Erwartungen geweckt, welche Imitate von Bocuse oder einem andern Starkoch da aufgetischt werden. Die Einstiegssätze dämpften dann die literarische Gaumenfreude, da das Outfit des Protagonisten nicht in eine gehobene Welt von Sinnenfreuden passte.

„Und jetzt hat sie also dein Monster gefressen?“

Du willst mir also allen Ernstes weiß machen, dass ein Parasit in deine Bauchhöhle gezogen ist, der Thorsten heißt und dass er sämtliche, dir nahestehenden Menschen verspachtelt hat?“

Da wird auch fantastisches Fabulieren unglaubwürdig, wenn es wie hier sich beisst, wer nun wen gefressen hat.

Hm, ich bin durch mit Lesen, was mir bleibt, ist ein wenig ein schales Gefühl. Die Geschichte macht auf ulkig, doch kein Humor, bei dem ich auflachte, keine annähernde Satire, deren Biss ich tiefgreifend empfand. Auch ein Schaudern blieb mir aus, da die Haxe, welche als Pointe gedacht ist, mir keinen Überraschungsaffekt erzeugte. Vielleicht bin ich auch der falsche Leser für diese Geschichte. Ich werde nun mal in den Kommentaren schauen, ob Andere sich vor Lachen biegen mussten.

Schöne Grüsse

Anakreon

 

Hallo Cybernator,

was hätte man alles ab dem Satz

Ich blickte ihn unbeeindruckt an. „Lass sehen!“
machen können. Leider verebbt dann die Geschichte im gewollt Lustigem: Hahaha, ich fress meine Frau. Kannibalismus in heutigen Formen wäre außerordentlich interessant. Den „echten“ Kannibalismus in einem lustigen Literaturstück zu zeigen, mag manche erfreuen, mit dem Schock kann man Späße treiben, aber hier bist du zu wenig weit gesprungen.
Wenn schon, hätte man erfahren sollen, was aus dem „Menschenfresser“ geworden ist und wieso die das getan haben. Mir scheint es, dass alles darauf ausgerichtet ist, lediglich Füllmaterial zu sein. Eine flache Pointe.
Oder ist sie versteckt: Hat sie etwas was mit Bücher fressen, jemandem zum Fressen gernhaben oder etwas gefressen haben zu tun? Verstehe ich die Struktur „Herr der Ringe“, „Herr des Sofas“ (ohne Karin), „der Herr als Bruder“ oder „Herr der Fantasie“ (Fernsehen) nicht? Handelt es sich bei Thorsten um den Herrn des Unterleibs? Ist er das Unbewusste?
Wer ist Manfred? Der persönlichkeitsgespaltene Freund des Vaters (ein seniler alter Dackel)? Deliriert er im Suff?
Ist die Geschichte nur ein Traum, weil er beim Herrn der Ringe eingeschlafen ist?
Die Suche nach einem Sinn der Geschichte lässt mich die Fragen stellen.
Vielleicht kannst du Hinweise geben.
Oder aber schreib ab obigen Satz die Geschichte, die entweder Schrecken oder Denken herausfordert. Das, glaube ich, kannst du gut. Auf ein Neues?
Fröhliche Grüße
Wilhelm Berliner

 

Hallo Jimmy!

Der Fuss kam einfach zu schnell. Ich denke, du musst das länger machen, so richtig mit Einstieg und so, eine richtige Story erzählen, nicht nur diese kleine Szene.

Ja, vor allem fehlt, wie Jörg Kannibale wurde. Mir ist das jetzt mittlerweile aufgefallen. Es ist ja eigentlich die Geschichte über ihn, dem angepassten Kannibalen. Dass ihm der Parasit begegnet, dafür kann er nichts. Klar, dass der ihm jetzt ein bisschen die Show stiehlt. Es gibt tatsächlich auch einen Zusammenhang zwischen seinem Vater und dem Parasiten, aber das wollte ich eigentlich rauslassen. Aber nu?
Dann ist es mir leider auch vieles ins Klamaukige abgerutscht. Ich will mal versuchen, die Dialoge ernsthafter zu gestalten, oder so. Ob es dann noch subtiler wird, wag ich aber zu bezweifeln ...
Wow, du hast mich aber mit den Namen neugierig gemacht! Kenne zwar keinen, aber ich werde mal nachschauen, versprochen!

Danke für die lehrreichen Worte!
Cybernator

...

Hallo Fugu!

Vielen Dank für dein Lob!

Weiter führende Vorschläge:
- Torsten könnte bei einem Plastinator oder einer Anatomie-Ausstellung sattgefüttert werden.
- Torsten bekommt ein (geklautes) Menschenhirn, das mit Prionen infiziert ist, zu fressen. Daraufhin bekommt er "Mad-Torsten-Disease" oder Kuru und kann nicht mehr zurück in Manfreds Bauch ...

Oh Mann, ich dachte schon meine Ideen seien verrückt :D
... aber das mit den Prionen drängt sich mir förmlich auf. Gibt es denn gar noch Rettung für Manfred?

Grüße,
Cybernator

...

Hallo Anakreon!

Ja, es wird nicht der gehobene Geschmack angesprochen. Die Geschichte ist vielleicht schlichtweg geschmacklos, aber lässt sich darüber streiten? :)
Dennoch fänd ich es schade, wenn der Text nur als ulkige Klamotte wahrgenommen werden würde. Natürlich ist es mein Verschulden. Wie schon oben erwähnt, komm ich leider immer wieder bei so flachen Pointen raus. Sichwort: Haxe!
Ich werde versuchen, dem ganzen noch etwas an Tiefe/Würze abzugewinnen.

Bon appetit und liebe Grüße,
Cybernator

 

Hallo Wilhelm!

Hab deine Kritik zuerst gar nicht gesehen! Dann hab ich mir gedacht, bevor ich antworte, überarbeit ich das Ding, denn ich konnte nur zustimmen:

Wenn schon, hätte man erfahren sollen, was aus dem „Menschenfresser“ geworden ist und wieso die das getan haben. Mir scheint es, dass alles darauf ausgerichtet ist, lediglich Füllmaterial zu sein. Eine flache Pointe.

Jetzt hab ich versucht das Klamaukartige etwas runterzuschrauben und dem Ganzen ne Story zu verpassen. Naja, so ist es zumindest runder geworden.

Grüße,
Cybernator

 

Hallo Cybernator,
Ausgangspunkt deiner Geschichte ist die Leere, das Nichts, das mit einer Fantasygeschichte gefüllt werden soll. Dann tritt statt des Mediums die Wirklichkeit in Form der Geschichte von Dr. Jekyll und Mister Hyde herein. Diese steht in der Tradition des Januskopfes, der zwar alt und neu darstellt, aber in Erweiterung dann halt auch Gegensätze allgemein. Dieser kommt statt der Herr der Ringe in den Text, in dem der Ring des Vaters an der Hand des Sohne Verknüpfung herstellt, die aufgelöst werden muss.
Auch das Plattwalzen des Vaters als Opfer der industriellen Welt hat tiefen symbolischen Charakter: der flache Mensch als der Arbeiter der Gegenwart (Flach= Entfremdung).
Ist die Namensähnlichkeit Torsten/Thorben Absicht? Welche?
Deine Neubearbeitung liest sich spannend und ist routiniert geschrieben. Eine Geschichte, wie man sie schreiben kann. Jedenfalls viel angenehmer als die erste Fassung.
Das Ringmotiv ist deutlich vorhanden, die Bedeutung des Rings erschließt sich nicht. Oder deutet er darauf hin, dass Thorsten ihn von Torben gefressen hat und nun die Verbindung zum Vater herstellt. Ich glaube, du hast hier richtig ein Motiv hergestellt, aber nicht eingearbeitet. Genauso liegt, meine ich, die Bedeutung der Menschenfresserei nur so da, ohne dass ihre Bedeutung erfasst wird.
Also hat sich die Neubearbeitung gelohnt, es ist eine nette Geschichte für Menschenfresser geworden.
Es tut mir leid, dass ich so ins Grundsätzliche gehe. Aber gerade auch solche Horrorstorys weisen auf wichtige menschliche Charakter- oder Gattungseigenschaften hin. Oft werden solche Elemente von Autoren „naiv“ benutzt. Aber wenn ich von der Sonne schreibe, ist der Gott nicht ferne. Wenn ich von Erlösung spreche, nenne ich auch das Christentum. Wenn ich von Menschenfressern rede, gehört die magische Entwicklung der Kräfte dazu (heute reicht halt Red Bull).
So bilden Wörter automatisch ein Netz von Mitbedeutungen, die Autoren einerseits kennen, dann aber vergessen müssen, damit die Hyperreflexion nicht ihre Schreibkraft hemmt.
Fröhliche Grüße
Wilhelm

 

Hallo Wilhelm!

Also schreib ich dir halt heute doch noch.

Ist die Namensähnlichkeit Torsten/Thorben Absicht? Welche?
Das mit dem Torben tut mir leid. Der ist und bleibt ein Jörg. Du hast mir ungewollt einen gewaltigen Schrecken eingejagt, weil ich nebenher an einer Geschichte mit einem Torben dran bin. Jetzt hab ich mir natürlich gedacht, woher weiß der das jetzt.:confused:: Aber dann bin ich ja gottseidank auf die Stelle im Text gestoßen, wo mir mein böses Gehirn den Streich gespielt hat :Pfeif:

Apropos Gehirn/Unterbewusstsein: Mir war das mit dem Ring gar nicht so bewusst, ich wollte nur eine Verbindung von Manfred und Vadda für den Schluss herstellen. Jetzt hab ich erst verstanden, was das mit dem Herr der Ringe sollte ... Das Motiv vom Ring, beschäftigt dich das echt? Also, ich denke Manfred will das Böse (Fingerbiss), das sein Thorsten verursacht hat wieder gut machen, in dem er Jörg den Ring wieder zurückgibt. Er hat ihn da in der Schüssel gesehen und gedacht, Hm ein Schatz? Mein Schatz?
Dann hat er die Inschrift gelesen, den Namen von Jörgs Vadda und hat eins und eins zusammengezählt. Er schlussfolgerte: Sein Schatz! Da ist der Tolkin wohl nicht draufgekommen.


Genauso liegt, meine ich, die Bedeutung der Menschenfresserei nur so da, ohne dass ihre Bedeutung erfasst wird.
Also ich fand das interessant, dass der Parasit damit zufrieden ist, wenn er nur denkt, es wäre Menschenfleisch. Kannibalismus entsteht aus einem Glauben heraus. Dieser Aspekt ist fester Bestandteil der Geschichte. Mich zu tief da hineinzuwagen, scheu ich mich vielleicht. Ich brauchte da halt ein kriminalistisches Element oder so.

Vielen Dank für deine Befassung und Aufschlüsselung!

Grüße,
Cybernator

 

Hallo Cybernator,

Das Motiv vom Ring, beschäftigt dich das echt?
Schließlich soll der Herr der Ringe die existenzielle Leere und Not von Jörg füllen. Der trägt den Ring des geliebten Vaters:
Vaddas Ehering war das einzige, was nach der Straßenwalze von ihm übriggeblieben war. Irgendwie seltsam ihn zu tragen, aber eben ein Andenken an die wichtigste Person meines Lebens.
Der dann aus dem Darm des Bruderfreundes wieder zurückkommt, weil der Ringfinger gefressen worden war. Das ist doch bedeutsam oder nicht?
Ringe in Geschichten jenseits der Realitätsabbildung sind in der Literaturgeschichte hoch wichtig. Uroberos ist die Schlange, die sich in den Schwanz beißt. Wörtlich: Selbstverzehrer. Sie bildet einen Kreis, ein geschlossenes System, ein Symbol für Autarkie und Macht. Deshalb versuche ich, die Funktion in deiner Geschichte herauszuarbeiten.
Vor allem, da du richtig feststellst
Kannibalismus entsteht aus einem Glauben heraus.
Es geht also um Glaubensangelegenheiten. Der Glaube an den Kannibalismus besteht ja darin, die Kraft des Feindes in sich zu bringen.
Das wäre doch ein interessanter Aspekt.
Fröhliche Grüße
Wilhelm

 

Hallo Wilhelm!

Es bleiben bei der Geschichte viele Fragen offen. Wie kam Manfred eigentlich an seinen Thorsten?
Soll der Mutabo-Ableger den inneren Schweinehund symbolisieren? Warum muss es Menschenfleisch sein? Wie wird Annita auf den Überraschungsgast reagieren? Warum spürte Thorsten vom Hodenkick nichts?
Ich könnte auf alles die Antwort geben, aber ich finde es realistischer, wenn einiges im Dunklen bleibt.
Die "Ring-Parabel" ist für mich so ein Nebenprodukt, sie sollte die Vergangenheit mit der Zukunft, Manfred mit dem Vadda und Jörg verbinden. Was die Leere füllt ist ja nicht der bescheuerte HDR-Film sondern der (noch mehr) bescheuerte Plot mit Manfred.

Der Glaube an den Kannibalismus besteht ja darin, die Kraft des Feindes in sich zu bringen.
Vielleicht möchte Thorsten ein richtiger/vollständiger Mensch sein, um sich von dem Suffkopf trennen zu können. So ne Art Persönlichkeitsspaltung.


Grüße,
Cybernator

 

Hallo Cybernator

Hi Cybernator

Anfangs schaffte es dein Text mich in seinen Bann zu ziehen, daher las ich weiter und war gespannt, was aus der Sache mit dem an Alien erinnernden Bauchmonster noch wird. Leider war ich dann entäuscht, dass das ganze sich im weiteren zu weder Fisch noch Vogel entwickelte. Der Horror wurde duch den Klamauk geplättet, die Reaktion von Annita erschien mir eher unglaubwürdig, wie sie da so voll nach Jörgs Pfeife tanzte. (Klar, ich leg mich aufs Bett und zieh mir die Hose aus, klasse Fluchtplan.)
Und dann die Ringpointe zum Schluss, die mit dem komischen Sinneswandel zuletzt völlig verpufft.

aber es ist besser, wenn du wieder verschwindest!“
Schließlich fragte ich ihn:
„Hast du Hunger? Hab gerade was Feines gekocht.“

Schade, irgendwie hätte mich die Idee begeistern können, hättest du den Klamauk noch mehr zurückgeschraubt und Jörgs Ringen zwischen Kanibalismus und echtem Begehren stärker thematisiert. (Dass er Annita nicht längst aufgefuttert hat, ist mir ein Rätsel.)


Hier ein paar Fipptehler, die ich während des Lesen aufgegabelt habe

["]Gut, Jörg, was machen wir jetzt mit dem angefangenen Abend?“

Ich leerte die Bierdose und knallte ich sie auf den Tisch.

Schnell nahm ich ihr[e] Hände

„Oh, das wird peinlich“, fiel sie mir ins Wort. ["]Nach dem Zeug muss ich immer so pupsen.“

SichSie kicherte und holte Zigaretten aus der Handtasche.

„Also gut, er kam jede Woche und ich hab ihn[ihm] für viel Geld was gekocht

„Nee, eigentlich hat er ein Monster im Bauch, so ein kleiner, ekliger Parasit namens Thorsten und der braucht' s.“
einen kleinen, ekligen Parasiten

„Tue einfach was ich sage, ich hab so was wie ein Plan.“
einen oder 'nen

„Was soll der scheiß?“
Scheiß

und noch ein kleiner Logikklopper

Dummerweise war der Stecker zu kurz
wohl eher das Kabel. :D

Er erkannte, was ich vorhatte, Stürzte sich auf mich, sodass ich ihm[ihn mit] meiner verstümmelten Hand von mir wegdrücken musste.

„So[KOMMA] Bürschchen, jetzt mach dich bereit[KOMMA] deinen Vadda zu treffen“, keuchte Thorsten.

Gruss dot

 

Hi dot!

Schade, irgendwie hätte mich die Idee begeistern können, hättest du den Klamauk noch mehr zurückgeschraubt und Jörgs Ringen zwischen Kanibalismus und echtem Begehren stärker thematisiert. (Dass er Annita nicht längst aufgefuttert hat, ist mir ein Rätsel.)

Ich hatte eigentlich das so gemeint, dass Jörg in Wirklichkeit kein Kannibale ist. Bei der ersten Begegnung mit Thorsten rettet er durch sein Scheinouting seine Haut und sieht im weitern Verlauf sieht er eine Chance, seinen Konto durch die Kocherei etwas aufzubessern. Deshalb ringt er nicht mit sich selbst und futtert Annita nicht auf. Ich wollte den Leser bis zum Gespräch mit Annita auf eine falsche Fährte locken.

Der Horror wurde duch den Klamauk geplättet ..

Ich weiß auch nicht. Es solle letztendlich auf eine Parodie rauslaufen. Vielleicht ist der Humor nicht subtil genug, oder der Horror zu stark. Die richtige Mischung bei diesem Vorhaben zu finden, scheint mir mittlerweile verdammt schwer zu sein. Das übersteigt wohlmeine Fähigkeiten. Kann man ja auch aus den anderen Kommentaren so rauslesen.
Ist aber auch nicht so schlimm. :(

Und dann die Ringpointe zum Schluss, die mit dem komischen Sinneswandel zuletzt völlig verpufft.

Ich wollte halt ein happy End. Und mir gefällt's, auch wenn der Schluss noch ausbaufähig ist. Aber ich wollt halt endlich den Deckel drauf machen und vielleicht merkt man das dann. Das der Thorsten sich mit Manfred versöhnt, liegt daran, dass er einfach ein guter Kerl ist. Ich mag den. Vom menschfressenden Arsch zum Helden mit sozialen Touch für einsame, versoffende Ex-Wirte(vielleicht auch wegen seim Vadda).

Tja, es hilft alles nüscht, nicht überzeugt, setzen, sechs! ;)

Thanx,
Cybernator

 

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